Integrative Medizin und Gesundheit. Группа авторов

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Integrative Medizin und Gesundheit - Группа авторов

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zwischen Fachleuten aus verschiedenen Disziplinen. Es ist der Prozess, bei dem Fachleute über die Praxis nachdenken und diese gestalten, um eine integrierte und kohärente Antwort auf die Bedürfnisse des Patienten, der Angehörigen und der Bevölkerungsgruppen zu bieten (D’Amour u. Oandasan 2005). Unter interprofessioneller Zusammenarbeit wird verstanden, dass mehrere Personen mit unterschiedlichem beruflichem Hintergrund umfassende Dienstleistungen erbringen und dabei miteinander und mit Patienten, ihren Familien, Verbänden und Gemeinschaften zusammenarbeiten, um die höchste Qualität der Versorgung in allen Situationen zu gewährleisten (WHO 2010).

      Ein koordiniertes am Patientenwohl orientiertes Zusammenspiel der Professionen bedarf Strategien, um die Arbeitsinteraktionen und -prozesse zwischen zwei oder mehreren Berufsgruppen zu verbessern (Zwarenstein et al. 2009). Unterschiedliche praxisbasierte Interventionen werden hierzu eingesetzt: 1. Fallbesprechungen, bei denen einzelne Patientenfälle im interprofessionellen Team diskutiert werden, um für den einzelnen Patienten oder die einzelne Patientin eine optimale Versorgung zu finden; 2. interprofessionelle Meetings, bei denen über inhaltliche Fragen, Abläufe und Prozeduren ein Konsens angestrebt wird, um für Patientengruppen optimale Versorgungswege zu finden; 3. interprofessionelle Audits bzw. Checklisten, die der Qualitätssicherung und Fehlervermeidung dienen (Zwarenstein et al. 2009, Reeves et al. 2015, Schot et al. 2019).

      Im Bereich der Aus- und Weiterbildung wurden verschiedene pädagogische Rahmenwerke entwickelt, die notwendige Kompetenzen für eine gelungene Zusammenarbeit beschreiben. Die Interprofessional Education Collaborative (IPEC) bestehend aus Vertretern aus sechs Berufsverbänden (Medizin, Krankenpflege, Osteopathie, Pharmazie, Zahnmedizin, Public Health) erarbeitete 2011 vier Schlüsselkompetenzen für die interprofessionelle Zusammenarbeit, die auf den erwarteten disziplinären Kompetenzen jedes Berufsstandes aufbauen (IPCE 2011). Die disziplinären Kompetenzen werden innerhalb der Berufe vermittelt. Die Entwicklung interprofessioneller kollaborativer Kompetenzen erfordert jedoch, dass über diese berufsspezifischen Bildungsanstrengungen hinaus Auszubildende verschiedener Berufe miteinander in interaktives Lernen einbezogen werden. Die Fähigkeit, effektiv als Mitglied von klinischen Teams während der Studienzeit zu arbeiten, ist ein grundlegender Bestandteil dieses Lernens.

      Die interprofessionelle Zusammenarbeit wird von der IPEC durch vier Kompetenzbereiche charakterisiert:

      1. Werte und Ethik für die interprofessionelle Praxis: Die wertschätzende Zusammenarbeit mit Personen anderer Gesundheitsberufe, um ein Klima des gegenseitigen Respekts und der gemeinsamen Werte aufzubauen.

      2. Rollen und Verantwortung: Die Nutzung der Kenntnisse über die eigenen und über die Rollen und Verantwortungsbereiche der anderen Gesundheitsberufe, um Patientenbedürfnisse angemessen zu erkennen und zu berücksichtigen und die Gesundheit der Bevölkerung insgesamt zu fördern.

      3. Interprofessionelle Kommunikation: Die offene und verantwortungsvolle Kommunikation mit Patienten, Familien, Gemeinschaften und Fachleuten im Gesundheitswesen und anderen Bereichen, um gemeinsam die Förderung und Aufrechterhaltung der Gesundheit sowie die Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten zu unterstützen.

      4. Team und Teamarbeit: Der Aufbau von Beziehungen und Teamstrukturen, um unterschiedliche Teamrollen effektiv einnehmen zu können, mit dem Ziel, zeitnahe, sichere, effiziente und sozial gerechte patienten- und bevölkerungszentrierte Versorgungskonzepte zu entwickeln, bereitzustellen und zu evaluieren (IPEC 2016).

      Interprofessionalität im Gesundheitsbereich ist gemäß Weltgesundheitsorganisation (WHO) dann gegeben, wenn mehrere Gesundheitsfachleute mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen aufeinander einwirken, um zu einem gemeinsam geteilten Verständnis zu kommen, das sie vorher noch nicht hatten und zu dem sie ohne einander nicht hätten kommen können.

      Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es bei der Realisierung der interprofessionellen Zusammenarbeit vor allem darum geht, den Bedarf der Bevölkerung bzw. der einzelnen Patientin oder des einzelnen Patienten an erste Stelle zu setzen, die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen und Vorurteile beiseite zu legen. Der Mangel an Primärversorgern und die Herausforderungen bei der Bewältigung chronischer, komplexer Krankheiten sind ausgezeichnete Möglichkeiten für die Gesundheitsberufe, einzigartige Fähigkeiten in kooperativen Umgebungen einzubringen (Green u. Johnson 2005).

      6.2 Interprofessionalität und Integrative Medizin

      Obwohl sowohl die Interprofessionalität als auch die Integrative Medizin das gleiche Ziel verfolgen und in den letzten Jahren deutlich vorangetrieben wurden, sind sie ganz unterschiedliche Forschungsgebiete geblieben und es bestehen bislang wenige Überschneidungspunkte. Diese Trennung könnte darauf zurückzuführen sein, dass sich die interprofessionelle Zusammenarbeit mit der Integration innerhalb des allgemeinen Paradigmas der Biomedizin befasst, während sich die Integrative Medizin mit der Integration zwischen Paradigmen befasst (Hollenberg u. Bourgeault 2011). Auf wissenschaftlicher Ebene wurden die Diskurse bislang durch unterschiedliche Fachgremien und -gesellschaften geführt. Während die Interprofessionalität eher in Bezug auf die berufliche Qualifikation mit Vertretern aus Erziehungs-, Gesundheitswissenschaften und Public Health diskutiert wird, fokussiert sich der Diskurs um die Integrative Medizin auf die evidenzbasierte Versorgung innerhalb der Humanmedizin, hier insbesondere innerhalb der Allgemein- und Familienmedizin. Auf der Versorgungsebene geht es bei der Interprofessionalität um die Zuschreibung der jeweiligen Rollenidentität und der daraus resultierenden Geltungsansprüche. In einem kommunikativen Aushandlungsprozess wird eine Verständigung über bestehende Situationen und den sich daraus ergebenden Handlungsmöglichkeiten hergestellt. Die Kommunikation erfolgt in der Regel auf der Metaebene. Dabei nimmt die Interprofessionalität die Interaktion gleichberechtigter Akteure in den Blick und stellt Fragen hinsichtlich der jeweiligen Fachkompetenzen, Einstellungen und Haltungen. Interprofessionalität wird insgesamt als ein kontinuierlicher, dynamischer, interaktiver, transformierender und zwischenmenschlicher Prozess angesehen, der durch kollektive Intervention gekennzeichnet ist (D’Amour u. Oandasan 2005). Die Interprofessionalität wird durch Pioniere vorangetrieben, die berufliche Grenzen überschreiten, um die Patientenversorgung zu verbessern.

      Innerhalb der Integrativen Medizin werden eher inhaltliche Fragen nach Therapie- und Behandlungsoptionen gestellt. Sie weist eine stärke Orientierung an der normativen Realität auf. Die Beziehungen zum Patienten sind hinsichtlich der medizinischen Fachexpertise durch ein hierarchisches Gefälle gekennzeichnet. Hier wird mehr als bei der Interprofessionalität, ein bestimmtes Fachwissen vorausgesetzt. Durch den Heilungsauftrag in der Medizin entsteht ein Handlungsdruck (Lanzerath 2000), dem sich auch die Integrative Medizin nicht entziehen darf und kann. Aus handlungstheoretischer Perspektive ist die Kommunikation strategisch instrumentell auf das Erreichen dieses Handlungsziels ausgerichtet. Die Integrative Medizin wird durch Pioniere vorangetrieben, die neue Wissensinhalte zur Sprache bringen und über inhaltliche Übereinkünfte Relevanz erfahren. Es stellen sich Fragen der Wissenschaftlichkeit, nach Entscheidungen, die getroffen und begründet werden müssen und Konsequenzen, die im Blick behalten werden.

      Interprofessionalität und Integrative Medizin sind somit zwei Konzepte, die in unterschiedlichen wissenschaftlichen Domänen diskutiert und auf unterschiedlichen Handlungsebenen zu verorten sind. Das heißt aber auch, dass diese Konzepte komplementär miteinander verknüpft werden können, ohne dass ein Bereich seinen Geltungsanspruch verliert. Strategien zum Aufbau von integrativmedizinischer Versorgung legen eine interprofessionelle Umsetzung nahe, da sowohl in der komplementären als auch konventionellen Medizin ein Mosaik aus verschiedenen Perspektiven besteht (Witt et al. 2015) bzw. ein kollaborativer Teamansatz zugrunde liegt, bei dem die Gesundheitsdienstleister auch synergistisch und interdependent mit gegenseitigen Vertrauen, Respekt und Wertschätzung für die Fähigkeiten anderer Berufe arbeiten, um die Patientenversorgung zu steuern (Boon et al. 2004). Für die Integrative Medizin können Konzepte der interprofessionellen und teambasierten Versorgung uneingeschränkt übernommen werden.

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