Das Attentat auf die Berliner U-Bahn. Horst Bosetzky
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Читать онлайн книгу Das Attentat auf die Berliner U-Bahn - Horst Bosetzky страница 8
»Tut uns leid, Herr Siemens«, hieß es aber beim Ingenieurcorps. »Sie haben so viele Vordermänner, dass frühestens in vier bis fünf Jahren an eine Ausbildung zu denken ist. Aber gehen Sie doch zur Artillerie, Artilleristen bekommen dieselbe Ausbildung. Eine Empfehlung können Sie gerne bekommen.«
Mit der reiste Werner Siemens zur Kommandantur der 3. Artillerie-Brigade. Der Name des Kommandeurs kam ihm bekannt vor: Oberst von Scharnhorst. Das war der Sohn des großen Generals, und dem gefiel der junge Siemens. Er versprach, beim preußischen König die Erlaubnis zu erwirken, den Ausländer in den preußischen Militärdienst aufzunehmen. »Ihr Vater muss Sie aber vom mecklenburgischen Militärdienst freikaufen.«
Beides gelang, aber um die Eingangsprüfung zu bestehen, bedurfte es guter Kenntnisse in Mathematik, Physik, Geographie und Französisch, und nach einer intensiven dreimonatigen Vorbereitung schaffte Siemens es auch, Offiziersanwärter zu werden und 1835 wunschgemäß zur renommierten Artillerie- und Ingenieurschule in Berlin entsandt zu werden. Hier lehrten neben vielen anderen die Mathematiker Martin Ohm und Carl Jacobi, der Chemiker Eilhard Mitscherlich sowie die Physiker Heinrich Gustav Magnus und Heinrich Wilhelm Dove, aber auch der Major Meno Burg, der erste jüdische Offizier in der preußischen Armee. Über Magnus kam Siemens später zur Physikalischen Gesellschaft, der auch Hermann von Helmholtz angehörte.
Nach Abschluss des dreijährigen Studiums wurde Siemens zum Leutnant ernannt und war bis 1840 in Magdeburg und dann bis 1842 in Wittenberg stationiert. Nach dem Tod seiner Eltern musste er ab 1840 auch die Sorge für seine jüngeren Geschwister übernehmen.
»Wie komme ich nur zu Geld?« Diese Frage bestimmte die nächsten Jahre und brachte ihn dazu, kreativ zu werden. Viel Zeit dazu hatte er im Jahre 1840, als man ihn zu fünf Monaten Festungshaft verurteilte, weil er einem Kameraden bei einem Ehrenhandel sekundiert hatte. Seine Zelle funktionierte er zu einem kleinen Laboratorium um und versilberte und vergoldete Blechlöffel auf galvanischem Wege. Von den schönen und so billigen Löffeln wurde bald in ganz Magdeburg gesprochen, und ein Juwelier zögerte nicht, ihm seine Methode für vierzig Louisdor abzukaufen. Als Siemens nach einem Monat begnadigt werden sollte, richtete er eine Eingabe an den Kommandanten, ihn noch in Haft zu lassen. Vergeblich.
Als man höheren Orts von dieser Episode Kenntnis bekam und realisierte, dass Siemens von Technik und Chemie gleichermaßen Ahnung hatte, reagierte man sofort und versetzte ihn zur Luftfeuerwerkerei nach Spandau, denn der Geburtstag der Zarin stand ins Haus, und zu dieser Gelegenheit sollte im Park des Prinzen Karl in Glienicke ein Feuerwerk abgebrannt werden, wie es die Welt noch nie gesehen hatte. Das Vorhaben gelang, und Prinz Karl fand es grandios.
Von 1838 bis 1849 war Werner Siemens preußischer Artillerie-Offizier, wobei er jede freie Minute nutzte, um sich fortzubilden und selbständig zu experimentieren, aber auch um eine eigene Firma zu gründen. Neben Studium und Dienst war er unermüdlich damit beschäftigt, etwas zu erfinden oder etwas bereits Erfundenes der praktischen Verwertung zuzuführen, nur um Geld zu verdienen.
Im Jahre 1845 wurde er in Berlin Zeuge einer Vorführung eines Zeigertelegraphen, den der britische Physiker Charles Wheatstone konstruiert hatte. Doch siehe da, das Ding wollte einfach nicht störungsfrei funktionieren. Das nun war für Siemens die berühmte Herausforderung, und in den nächsten beiden Jahren gelang es ihm, das Gerät durch einen automatisch gesteuerten Synchronlauf zwischen Sender und Empfänger wesentlich zu verbessern. Beim Geber wie beim Empfänger kreiste gleichlaufend ein Zeiger, und hielt man ihn bei A durch einen Fingerdruck auf eine Buchstabentaste an, so stoppte er auch bei B beim selben Buchstaben.
Der Markt für den neuen Zeigertelegraphen war groß, und so suchte Siemens nach einem kongenialen Mechaniker, der ihn auch in Serie bauen konnte. Er fand ihn schließlich in dem 1814 in Hamburg geborenen Feinmechaniker und Universitätsmechanikus Johann Georg Halske, der in Berlin mit einem anderen Mechaniker eine kleine Werkstatt betrieb und für Siemens schon verschiedene Reparaturen ausgeführt hatte.
»Sehen Sie mal, Meister Halske, was ich hier für Sie habe.« Siemens breitete seine Zeichnungen vom neuen Zeigertelegraphen auf einer Werkbank aus. Als er mit seinen Erklärungen fertig war, sah er gespannt zu Halske hinüber.
Der schüttelte den Kopf. »Det soll loofen, Herr Leutnant? Nee, det looft nie im Leben nich.«
Verstimmt ging Siemens nach Hause, verfiel aber nicht in Depressionen, sondern machte sich daran, aus Zigarrenkistenbrettern, Blech, Eisen und Kupferdraht selber ein Modell seines Zeigertelegraphen zu basteln. Es war primitiv, aber es funktionierte, und Johann Georg Halske war nun vollauf begeistert.
»Wissen Se wat, Herr Leutnant? Ick haue hier ab, und wir machen zusammen ’n telegraphischen Laden uff!«
»Ja, schon, aber …« Noch scheute Siemens davor zurück, Abschied vom Militär zu nehmen, denn er hatte weiterhin für seine Geschwister zu sorgen – und er wollte irgendwann auch heiraten, seine Cousine Mathilde Drumann. So nahm er das herrliche Modell seines Zeigertelegraphen, das Halske alsbald gebaut hatte, und ging damit in die Bendler Straße, wo der Große Generalstab eine Kommission gebildet hatte, deren Aufgabe darin bestand, die Fortschritte auf dem Gebiet der Telegraphie zu verfolgen und die Einführung der elektrischen anstelle der optischen Telegraphie vorzubereiten.
Chef dieser Kommission war General Etzel. Der war anfangs etwas ungehalten, als Werner Siemens zu längeren Ausführungen ansetzte, brach aber bald in Lobeshymnen aus. »Hervorragend, lieber Siemens! Einfach hervorragend! Damit wäre mit einem Schlag das Problem der elektrischen Telegraphie gelöst.«
Siemens winkte ab. »Bis auf die Isolierung bei unterirdischen Leitungen. Die Bodenfeuchtigkeit dringt beim Kautschuk durch die Nähte, und nehmen wir Glasröhren, bekommen wir die Verbindungsstellen zwischen ihnen nicht hermetisch abgedichtet. Ich möchte also vorschlagen, es zunächst einmal mit Leitungen über der Erde zu versuchen.«
Der General lachte. »Erlauben Sie mal! Wir werden unsere kostbaren Kupferdrähte landaus, landein in der freien Luft aufhängen, dass jeder, der gerade knapp bei Kasse ist, sich ein Stück davon klauen kann!«
»Ich bitte Sie, Herr General, doch nicht bei uns in Preußen!«
Trotzdem machte sich Siemens mit Feuereifer daran, das Problem der Isolierung von Erdkabeln zu lösen. Zu Hilfe kam ihm dabei sein Bruder Carl. Der schickte ihm aus London die Probe einer Substanz, die aus Sumatra stammte und Guttapercha genannt wurde. Sie sollte dieselben Eigenschaften wie Kautschuk haben, nur dass sie sich kneten ließ, wenn man sie erwärmte. Siemens nahm sich einen Kupferdraht und umgab ihn mit einem Mantel aus Guttapercha. Es war die vollkommene Isolierung, und die Kommission zeigte sich sehr angetan davon. Siemens entwarf eine Presse, mit der sich Drähte fabrikmäßig mit Guttapercha ummanteln ließen, und Halske baute diese Presse. Der Generalstab orderte viele tausend Meter isolierten Drahtes für eine erste große Versuchsleitung von Berlin nach Großbeeren.
Man