Mein langer Weg von Schlesien nach Gotha 1933–1950. Heinz Scholz

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Mein langer Weg von Schlesien nach Gotha 1933–1950 - Heinz Scholz

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Jahr, im Frühsommer, fanden die „Reichsjugendwettkämpfe“ statt. Alle Schulkinder im Alter von 10 – 14 Jahren mussten daran teilnehmen, und wir freuten uns darauf, denn viele von uns waren von sportlichem Ehrgeiz erfüllt. Es galt, im 60-m-Lauf, im Weitwurf und im Weitsprung insgesamt 180 Punkte zu erringen und möglichst zu überbieten, um als Sieger das begehrte Reichsjugend-Wettkampfabzeichen zu erwerben. Die Wettkämpfe wurden mit anderen Dorfschulen gemeinsam an zentraler Stelle ausgetragen, meistens auf einer großen Sportwiese in einem unserer Nachbardörfer. Es kam auch darauf an, dass unsere Schule gut abschnitt. Mein Bruder Helmut wie auch ich, wir konnten jedes Jahr mehr als 180 Punkte erringen und somit immer das Siegerabzeichen gewinnen.

      Wir zwei Jungen wie auch die meisten der Dorfkinder waren keine Spezialisten und schon gar keine Leistungssportler im heutigen Sinne. Doch wir waren im Allgemeinen sehr behänd und flink und auf ganz natürliche Weise gut durchtrainiert, weil wir viel an frischer Luft in ständiger Bewegung waren. Unsere dörfliche Region mit Höfen, Gärten, Bergen, Wald und Wiesen war ein einzigartiger, großer Spielplatz für uns Jungen. Und wir hatten laufend Ideen und Projekte, die uns ständig in Bewegung hielten. – Im Turnunterricht, um darauf zurückzukommen, hatten wir allerdings auf Grund der Unzulänglichkeiten keine gründliche Ausbildung erhalten. Wir drängten den Lehrer auch gern zu Ball- oder Laufspielen. Mit nie erlahmender Begeisterung spielten wir „Völkerball“. Auf diese Weise lief der „Turnunterricht“ wie von allein.

      Auch der Unterricht in den naturwissenschaftlichen Fächern erfolgte sehr allgemein und oberflächlich. Unter dem Begriff Naturkunde lernten wir etwas von der Lebenswelt; unter dem Begriff Naturlehre erfuhren wir einiges, was man heutzutage den Fächern Physik und Chemie zuordnet. Interessant fand ich – als „Bahner“ – Bau und Funktion der Dampfmaschine, ansonsten ist mir von Ottos Naturlehre nicht viel in Erinnerung geblieben. Auf „Rechnen“ wurde zu meinem Verdruss viel Wert gelegt, die Anzahl der Wochenstunden betreffend, doch unser Lehrprogramm ging nicht über die vier Grundrechnungsarten sowie über Bruchrechnung, Dreisatz, Prozent und Zinsrechnung hinaus. Ich sträubte mich gegen „tote“ Zahlen und tat nur das Nötigste. – Meine Lieblingsfächer waren Geschichte, Erdkunde und Deutsch, hier ging mir das Lernen leicht von der Hand, obwohl wir leider vorrangig Rechtschreibung und Grammatik betrieben. Aufsätze mussten wir schreiben, ohne zu erfahren, wie man sie schreibt. Auch im „Singen“ und „Turnen“ hatte ich beste Noten.

      Was Zeugniszensuren bzw. Bewertungsnoten angeht, höre ich unseren Otto heute noch, wie er wiederholt verkündete: „Es gibt kein ‚Sehr gut‘!“ Damit wollte er uns weismachen, dass bei aller Anerkennung einer Leistung nie eine Vollkommenheit erreicht werden kann. Damals schien mir das einzuleuchten. Später habe ich diese absolute Bewertung kritisch gesehen, denn er hat den relativen Aspekt nicht berücksichtigt. Doch vielleicht hat er auf seine Weise uns sagen wollen, dass er Leistungen grundsätzlich nicht beschönigen wolle. – Wandertage gab es natürlich auch während unserer Schulzeit. Da fällt mir ein, wie wir als Abteilung der Unterstufe auf der Landstraße in Richtung Kalkbusch marschierten und uns ein eigenartiges Gefährt entgegenkam: ein Motorfahrzeug, verkleidet mit grauen Platten nach allen Seiten, oben turmartig erhöht mit einem herausragenden Rohr. Es war an uns vorbeigefahren. Alle staunten, weil so was noch nie gesehen, und der Lehrer hub an: „Bahner, was war das?“ Ich antwortete prompt: „Ein Tank!“ Er lobte meine Kenntnisse und begann nun zu erklären, das sei kein echter Tank aus Eisenplatten, sondern nur ein vorgetäuschter, und zwar ein Papptank, zur Übung für das Manöver; Deutschland dürfe auf Grund des „Schandvertrages von Versailles“ noch keine richtigen Tanks bauen usw. Er war wieder bei einem seiner Hauptthemen. – Ich erinnere mich auch an eine Fußwanderung über den Löwenberger Hospitalberg zum „Jungfernstübchen“ und zur „Löwenberger Schweiz“. Mit zunehmendem Alter hatten wir fernere Wanderziele. Einmal waren wir über Mois bis in die im Wald abgelegene Gastwirtschaft „Teufelei“ gewandert, wo wir vor Ort weder einen Teufel noch sonst was Spektakuläres zu sehen bekamen, höchstens eine Fass-Brause für 10 Pf. genießen konnten. Und als die Älteren sind wir auch einmal mit dem Lehrer per Rad losgefahren, auf den „Probsthainer Spitzberg“, das andere Mal mit der Eisenbahn auf die „Gröditzburg“. Höhepunkte waren zwei Tagesfahrten, gemeinsam mit Nachbarschulen in einem Sonderzug, 1937 nach Breslau (mit Zoobesuch, Dampferfahrt und Jahrhunderthalle), 1938 in die Sächsische Schweiz mit Dampferfahrt und Aufstieg zur „Bastei“.

      Man sieht: Diesbezüglich war die einfache Dorfschule bemüht, uns den Blick über unseren kleinen Horizont hinaus zu öffnen.

      Deutsche Helden

      In die Kreisstadt Löwenberg sind wir mit unserem Lehrer öfter gegangen, man könnte auch sagen „marschiert“. Da mussten wir gemeinsam ins Kino und „staatspolitisch wertvolle Filme“ sehen. Mir fallen ein: „Unternehmen Michael“ – ein Kriegsfilm über unsere Helden in der Somme-Schlacht, „Verräter“ – ein Spionagefilm mit Willi Birgel, „Drei Unteroffiziere“ – ein Spielfilm über das Soldatenleben in unserer neuen Deutschen Wehrmacht – im Sinne von „Es ist so schön Soldat zu sein … “. Und in den „Reichshallen“ erlebte ich meine erste Theateraufführung, ein Gastspiel, das wir mit unserem Lehrer sahen. Der Titel, ich glaube: „Albert Leo Schlageter“. Ich weiß, wir litten unter dem tragischen Ausgang, denn jener tapfere deutsche Held wurde zum Schluß auf der Bühne von den Franzosen standrechtlich erschossen; das schürte natürlich unseren Zorn gegen den „bösen Erbfeind“!

      Wir Jungen haben die verbilligten Kinobesuche sehr gern mitgemacht, aber wir haben natürlich nicht gewusst oder geahnt, mit welcher Absicht uns so „schöne“ Filme oder Geschichten vorgeführt wurden. Wir fanden sie jedenfalls „knorke“! – Ein patriotisches Hochgefühl erzeugten in mir die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Täglich verfolgten wir den Verlauf der Wettkämpfe, wir freuten uns riesig über die vielen Siege der deutschen Olympiamannschaft, und der Jubel kannte keine Grenzen, als Deutschland mit 33 Goldmedaillen als beste Nation den Gesamtsieg errungen hatte. Wir waren die „Besten“, und damit erwies sich von neuem, dass wir Deutschen ja „unschlagbar“ waren! Wieder zogen wir Schulkinder nach Löwenberg ins Kino und sahen dort den triumphalen zweiteiligen Dokumentarfilm von Leni Riefenstahl über die Olympischen Spiele in Berlin mit den grandiosen Siegen der deutschen Sportler aus Hitlerdeutschland. Noch Jahre danach konnte ich alle deutschen Goldmedaillengewinner auswendig dahersagen: Gerhard Stöck, Hans Wölke, Lutz Long, Oberleutnant Handrik und all die anderen … . Und natürlich liebten wir Max Schmeling, unseren großen deutschen Boxer und Weltmeister, und waren mächtig stolz, als er den amerikanischen „Neger“-Boxer Joe Louis auf grandiose Weise besiegt hatte.

      Und nicht zu vergessen unsere großen Kriegshelden: Otto Wedding, den erfolgreichen U-Bootkommandanten von U 9 und Manfred von Richthofen, den siegreichen Jagdflieger, ein Schlesier, der im 1. Weltkrieg 80 feindliche Flugzeuge abgeschossen hatte! Selbstverständlich auch Lettow-Vorbeck, den Sieger im Kolonialkrieg in Ostafrika, oder der tapfere Pionier Klinke, der beim Sturm auf die Düppeler Schanzen die Festungsbarrikaden mit sich selbst in die Luft gesprengt und damit den Weg frei gemacht hatte für seine nachfolgenden Kameraden. Gut kannte ich mich auch aus mit dem „Schliefen-Plan“ von 1914 und mit den Schlachten Friedrich des Großen, hatten wir doch auch in den Filmen „Der Große König“ und „Der Choral von Leuten“ miterlebt, wie tapfer der Große Preußenkönig – gemeinsam mit seinen einfachen Grenadieren – bis zum Letzten gekämpft hatte gegen eine Übermacht von Feinden.

      Als wir zu Hause endlich ein eigenes Radio einschalten konnten, hörten wir Jungen auch des Sonntags die Rundfunkreportagen von den großen Autorennen auf der Avus, auf dem Nürburgring, in Monaco oder Tripolis. Wir waren nun mit Begeisterung dabei, wenn unsere deutschen Rennfahrer, Bernd Rosemeier, Hans Stuck, Rudolf Carraciola, Herman Lang und Manfred von Brauchitsch, in ihren deutschen Rennwagen Mercedes und Auto-Union Sieg um Sieg für Deutschland erkämpften. „Deutsche Wertarbeit“ und „Deutsche Tüchtigkeit“ – das konnten wir doch nicht übersehen.

      

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