Der Zthronmische Krieg. Matthias Falke

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Der Zthronmische Krieg - Matthias Falke

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hinreißen lassen, die die einzige Rechtfertigung der zu erwartenden Veranstaltung sein konnte.

      Ich musste Laertes im Stillen zu seinem Schachzug gratulieren: den Führern der zwielichtigsten Völkerschaften eine Plattform bieten, auf der sie sich ungehemmt produzieren konnten. Man wusste dann immerhin, woran man mit ihnen war. Die meisten Äußerungen, die hier fielen – und Muqa Zthés Rede würde mit Sicherheit nicht enttäuschen –, waren haarsträubend, hatten aber den Vorzug der Offenheit. Wenn einem einer mitten ins Gesicht sagte, dass er einen hasste oder dass er einen auszulöschen wünschte, war das mehr wert als die tausend und abertausend Druckseiten an diplomatischem Gesäusel, die der Kongress in den vergangenen Monaten angehäuft hatte.

      Ich begrüßte Dr. Rogers mit einem kantigen Händedruck und zwängte mich neben ihn in die erstaunlich schmale gravimetrische Bank. Auf einem kleinen Display vor mir öffnete sich die Protokollfunktion des StabsLogs. Wir sahen die Tagesordnungspunkte, die Reihenfolge der Redner, die vorgesehene Agenda.

      In einer Leiste am unteren Rand des sensorischen Monitors liefen sonstige Meldungen durch. Ich kannte sie teilweise schon von meiner morgendlichen Abfrage auf der Brücke der MARQUIS DE LAPLACE. Es war wieder zu mehreren schweren Übergriffen auf Zthronmia gekommen. Zthronmische Scyther – ich konnte mir darunter wenig vorstellen, es musste sich um einen Typ schneller Jagdbomber handeln – hatten mehrere amishe Kibbuzim bombardiert. Darunter befand sich auch der Pueblo S’Deró, aus dem Cyrill ben Cyrion stammte. Ich begriff die selbst für seine Verhältnisse ungewöhnlich strenge Haltung, die er an diesem Morgen zur Schau getragen hatte. Er musste in großer Sorge um die Seinen schweben. Oder wusste er schon mehr, als in den offiziellen Kommuniqués verlautbarte?

      Unten ertönte die Glocke. Die wenigen Delegationen, die den Schein eines einvernehmlichen Miteinanders mitspielten, erhoben sich und versuchten, dem Vorgang einen Rest von Würde zu geben. Laertes trat ans Rednerpult. Die Abgeordneten nahmen ihre Plätze wieder ein.

      Laertes sprach einige unverbindliche Worte, in denen er die Vision einer friedlichen und zivilen Union beschwor, in der gemeinsame Werte galten, Gewalt geächtet war und Konflikte auf dem Verhandlungswege beigelegt wurden. Dünner Applaus erfolgte vonseiten der alten Union und einiger anderer Fraktionen. Sein Tröpfeln sagte mehr über den Zustand der Veranstaltung aus als alle Reden, die hier noch gehalten werden konnten. Nicht einmal alle Delegierte der alten Union stimmten mehr ein. Auch durch diese Fraktion ging seit dem Rücktritt Kommissar Rankveils ein tiefer Riss. Sineser und Zthronmic, aber auch Laya und Amish verzogen keine Miene.

      Laertes räusperte sich. Er schien stark gealtert. Auch er, musste ich im Stillen denken. Commodore Wiszewsky lag im Sterben. Sein Ableben war nach allem, was man hörte, nur noch eine Sache von Tagen. Und auch der alte Haudegen und Schlachtenlenker General a. D. Rogers war nur noch ein Schatten seiner selbst, was besonders in den Vormittagsstunden sichtbar wurde, wenn der Whiskey des letzten Abends seine Augen rötete und er sich die Dosis des neuen Tages noch für eine oder zwei Stunden verkniff. Vom Elan des Helden von Persephone war wenig übrig. Und als Laertes jetzt das Wort an Muqa Zthé abgab und zu seinem Platz auf der rückwärtigen Empore schräg hinter dem Rednerpult schlich, war es, als trete eine ganze Generation ab. Die Goldene Generation verließ die Bühne der Galaxis, die sie selbst erschaffen hatte. In Besitz nehmen vermochte sie sie – wie Moses das Gelobte Land – nicht mehr.

      Die Übertragung des StabsLogs schrillte und pfiff, als Zthrons erste, nach Raubtierart herausgebrüllte Sätze das System übersteuerten und an den Rand des Zusammenbruchs brachten. Dann hatte die KI die Übertragung heruntergeregelt. Zthrons Bellen und Röhren wurde unhörbar. Wir verstanden die emotionslose und unverbindliche Stimme der Übersetzungsintelligenz, deren Kontrast zu dem sich löwenhaft gebärdenden Anführer der Zthronmic kaum hätte drastischer sein können.

      Muqa Zthé begann mit einem wohlberechneten Sarkasmus.

      »Ich sollte mich jetzt vermutlich bei dem Vorsitzenden dafür bedanken, dass er mir das Wort erteilt hat. Aber wir Zthronmic lassen uns nicht das Wort erteilen, sondern wir nehmen es uns, wann immer wir etwas zu sagen haben, und wir bedanken uns nicht dafür, dass wir unsere Meinung aussprechen dürfen. Wir sind heute hier zu einer Generaldebatte zusammengekommen. Zu einer Grundsatzdiskussion, einer Aussprache ohne vorher festgelegtes Thema. Ich möchte die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, meine Sicht der Dinge ausführlich und vorbehaltlos darzustellen. Meine Ansicht im Besonderen und die des heroischen Volkes der Zthronmic – für das ich in Gänze zu sprechen behaupte – im Allgemeinen.

      Die Zthronmic haben sich vor einiger Zeit der Union angeschlossen. Wir sind dem Beispiel der Sineser und einiger anderer Völker gefolgt, denen wir uns seit vielen Jahrhunderten eng verbunden fühlen. Aus unserer Skepsis gegenüber diesem Schritt haben wir nie einen Hehl gemacht. Wir wollten es darauf ankommen lassen, wir wollten – wie es in Ihrer Sprache heißt – die Probe aufs Exempel machen. Das Ergebnis war vorhersehbar. Leider muss ich konstatieren, dass wir enttäuscht wurden. Wir hatten es nicht anders erwartet. Wenn Sie gestatten, möchte ich diesen Gedanken etwas ausführlicher darstellen.

      Die Union gibt sich den Anschein eines Zusammenschlusses freier Völker, der von gegenseitiger Achtung und Respekt getragen sein soll. Sie garantiert Würde und Leben jedes einzelnen Angehörigen jedes einzelnen Volkes. Sie sichert Glaubensfreiheit und kulturelle Selbständigkeit zu. Sie ächtet die Gewalt und den Krieg. Sie verpflichtet sich auf ein friedliches Miteinander, bei dem allen Völkern und allen Individuen – soweit dieser Begriff bei ihnen tragfähig erscheint – umfassende Rechte zukommen. Alle sollen gleich vor dem Gesetz und der Charta der Union sein. Es gibt keine Vorrechte, keine Privilegien, keine geborenen Führer oder führenden Nationen, sondern es herrscht Gleichberechtigung und die Einklagbarkeit objektiver Garantien vor unabhängigen Gerichten.«

      An dieser Stelle schwieg Zthron für einen Augenblick. Es war erstaunlich still im Saal. Selbst die für ihren Radau bekannten Delegationen hörten aufmerksam zu. Die Amish saßen mit stocksteifen Rücken da und verzogen keine Miene, während auf den Fratzen der Zthronmic und Sineser schon der Triumph des nahen Gegenstoßes glitzerte.

      »Das alles«, fuhr Muqa Zthé nach einer Atempause fort, »hat man uns in Aussicht gestellt. Man hat es uns versprochen, uns damit gelockt, der Union beizutreten und uns dem kommenden Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit nicht zu verweigern. Jeder einzelne Satz dieser Charta ist in diesem Gremium und in den Ausschüssen leidenschaftlich diskutiert worden. Die Charta selbst war Gegenstand erbitterter Debatten und eines verbissenen politischen und juristischen Ringens um Formulierungen und Verbindlichkeiten. Endlich schien eine Einigung erzielt, die von allen Völkern unserer Galaxis mitgetragen werden konnte. Auch wir wollten nicht abseits stehen. Schließlich setzten wir unsere Unterschrift unter das Dokument und traten der Union als Vollmitglieder bei – mit allen Rechten und Pflichten.«

      Er beugte sich drohend vor und ließ die Blicke seiner glühenden Raubtieraugen über die Reihen der Delegierten schweifen. Den Abgeordneten der (alten) Union stockte der Atem. Die Haltung der Amish wurde, falls das überhaupt möglich war, um eine Spur eisiger. Zthronmic und Sineser holten Luft, um gemeinsam mit Zthés Antithese loszuschreien. Diese ließ nun auch nicht länger auf sich warten.

      »Doch wie sehr wurden wir getäuscht!«, brüllte das ordenklirrende Monstrum. »Wir ließen uns auf das Spielchen ein und augenblicklich belehrte man uns eines Besseren. Man zeigte uns – in lehrhafter Schmerzlichkeit –, wie die hehren Worte und die hochherzigen Garantien zu verstehen waren. Sie waren, das erwies sich rasch, das Pergament nicht wert, auf dem die kostbaren Urkunden abgefasst waren. Sie wogen die Speicherkristalle nicht auf, auf denen sie, scheinbar für alle Zeit, niedergelegt worden waren. Was wir im Stillen befürchtet und in zahllosen Debatten laut ausgesprochen hatten, es zeigte sich leider allzu schnell und allzu deutlich als die nackte grausame Wahrheit. Die Gleichheit aller Völker und Individuen? Sie ist nichts wert! Die Souveränität und Selbstbestimmung? Hohle Phrasen! Die Ächtung von Gewalt und Willkür? War schneller vom Tisch, als die Tinte unserer Unterschriften

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