Der Zthronmische Krieg. Matthias Falke
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Ich schickte das Memorandum an meinen gesamten Verteiler im StabsLog der fliegenden Crew und der Planetarischen Abteilung, unter anderem also an Dr. Rogers und Direktor Reynolds, von denen ich mir Unterstützung erhoffte, und natürlich auch an die abwesende Jennifer, die sich mit anderen Problemen herumschlug. Aber wer wusste es zu sagen? Vielleicht waren ihre Probleme gar nicht so weit von dem entfernt, worum es hier ging. Die Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der »alten« Union, die sich gerade anschickte, die Galaktische Karte zu spielen, und die sich dabei nicht selbst unnötige Fesseln anlegen durfte – weder technologisch noch organisatorisch, weder wissenschaftlich noch militärisch, weder politisch noch juristisch, weder ideologisch noch moralisch. Wir standen im Begriff, ein neues Zeitalter zu eröffnen, und mir war sehr daran gelegen, dass wir dies ohne Einschränkungen oder Hypotheken taten.
Anschließend begab ich mich auf den Torus. Für gewöhnlich trat ich die kurze Passage erst nach Feierabend an, wenn ich meinen Dienst als Kommandant der MARQUIS DE LAPLACE beendet hatte. Aber auf dem Schiff gab es vorderhand wenig zu tun. Die Geschehnisse auf dem Kongress schienen dagegen einer Entscheidung zuzustreben. Das hatte sich mir schon morgens aufgedrängt, als ich die aktuellen Meldungen des StabsLogs abgerufen hatte. Der Eindruck bestätigte sich, als ich unterhalb der großen Agora aus der Schleusenkammer trat.
Der Torus war kaum wiederzuerkennen. Schon nach dem Attentat auf unseren Frachter waren die Sicherheitsvorkehrungen verschärft worden. Wachen waren verdoppelt, Kontrollen verstärkt, die Bewegungsfreiheit eingeschränkt worden. Doch war das im Rückblick kaum ein Vorspiel zu dem, was mich jetzt erwartete.
Ich hatte das Shuttle verlassen, hatte mich ausgewiesen, war durchleuchtet und sogar abgetastet worden. Jetzt kam ich auf den Hauptweg innerhalb des Torus hinaus, die mehrere Hundert Meter breite, hundert Kilometer über unseren Köpfen in sich zurückgekrümmte Halle, die die transparente Weite eines Raumhafenhangars und das kosmopolitische Gewusel eines galaktischen Basars in sich vereinigte. Patrouillierende Tloxi-Trupps und Wachmannschaften der Union waren allgegenwärtig. Dazwischen bildeten die Delegationen der einzelnen Völkerschaften abgeschottete Grüppchen, die wie Inseln aus dem Meer der Sicherheitskräfte aufragten. Boten, Zuträger, Referenten und Angehörige des protokollarischen Dienstes liefen dazwischen herum. Die Delegationsleiter hielten kurze Ansprachen an ihre Fraktionen und schworen sie auf die kommende Sitzung ein. Es war wie bei einem Turnier, bei dem die Trainer ihrer Teams noch einmal um sich scharten und sie mit ritualisierten Schlachtrufen für die anstehenden Auseinandersetzungen aufpeitschten. Statt eines sportlichen Wettkampfes, so hatte ich den Eindruck, standen jedoch Auseinandersetzungen auf Leben und Tod an.
Von einem fröhlichen oder auch nur geschäftsmäßigen Ton, wie er dem gemeinschaftlichen und vertrauensvollen Aufbau einer galaktischen Großorganisation entsprochen hätte, war endgültig nichts mehr zu spüren. Stattdessen herrschte eine eisige und feindselige Atmosphäre vor. Wenn zwei Delegationen einander auf ihrem Weg durch die weiten Ebenen des Torus kreuzten, gifteten und fauchten sie einander in den abenteuerlichsten Idiomen der Galaxis an. Tloxi-Aufpasser, die dazwischenzugehen versuchten, wurden von Zthronmic oder Sinesern mit äußerster Brutalität beiseitegeschoben. Einige zerschellten, als sie durch die Luft geschleudert wurden. Ihre emsigen Geschwister bargen die Trümmer und brachten sie zur Rekonstruktion in Sicherheit. Aber auch die Hostessen und Wachmänner der Union mussten sich hüten, den aufgebrachten Gesandtschaften nicht zu nahe zu treten.
Andere – wie die Amish oder die Prana-Bindu – würdigten den ganzen Aufruhr keines Blickes und schritten mit stolzem Schweigen durch das Tohuwabohu. Mein Blick fiel auf Cyrill ben Cyrion, der mir mit der Kargheit eines englischen Butlers zunickte.
Als die gravimetrischen Tore sich zur Großen Agora öffneten und die Delegationen eingelassen wurden, sah ich, dass Cyrill sich sofort zum Podium begab, wo Laertes den Platz des Vorsitzenden eingenommen hatte. Die Sitte, den Leiter des Konvents vor Beginn einer Debatte zu begrüßen, war von den meisten Abordnungen still und leise fallen gelassen worden. Cyrill schien einer der Letzten zu sein, der sich ihrer noch erinnerte. Er nutzte die steife und formelle Begrüßung, um Laertes etwas zu überreichen. Es war ein faustgroßer Kristall, in den ein Qchip eingelassen war. Vermutlich eine Protestnote oder ein Memorandum. Der Träger bestand aus reinem kristallinen Zthrontat. Allein der materielle Wert musste unermesslich sein. Ein exquisiter Traum der Materie, geträumt in den Tiefen eines gewaltigen Gebirges auf einem abweisenden Planeten irgendwo in den östlichen Quadranten der Galaxis.
Der Kristall war von großer symmetrischer Perfektion. Er glich einem Diamanten von einigen Tausend Karat. Allerdings war sein Feuer nicht ganz so reich wie das eines natürlichen Brillanten. Schiefrige Splitter oder Substrukturen schienen in den hexagonalen Stein eingesprengt zu sein.
Einen Quantenchip, auf dem eine Note von wenigen Sätzen zu Protokoll gegeben wurde, in ein solches Kleinod einzubetten, kam einer Arroganz gleich, die selbst im Fall der Amish beeindruckte. Ich sah, dass Laertes Cyrill die Hand reichte und den Vorsitzenden der amishen Delegation, der sich sofort hatte abwenden wollen, zu einem kurzen Gespräch beiseite nahm. Unser alter Chefideologe wirkte ernst und besorgt. Er schien ben Cyrion ins Gewissen zu reden. Natürlich konnte ich nicht verstehen, was gesprochen wurde.
Die Sitzung war öffentlich. Deshalb konnte ich in einer der Besucherboxen Platz nehmen, die auf halber Höhe über den Sitzgruppen und Tribünen der offiziellen Delegationen und ihrer nachgeordneten Mitarbeiter und Referenten schwebten. Laertes war auf die Idee verfallen, in regelmäßigen Abständen offene Aussprachen abhalten zu lassen. Da die Sitzungen, die der Verabschiedung der einzelnen Paragrafen der neuen Charta dienten, regelmäßig in Grundsatzdiskussionen auszuarten drohten, waren hin und wieder freie Debatten angesetzt, in denen die Delegationen ihre Sicht der Dinge ausführlich und im Zusammenhang darlegen konnten. Diese Debatten konnten von allen Angehörigen der beteiligten Völker besucht werden; sie wurden unzensiert im StabsLog übertragen. Deshalb wurde das Instrument rasch angenommen und die einzelnen Völker nutzten es, um sich vor der noch weitgehend virtuellen Öffentlichkeit der neuen Union in Szene zu setzen.
Der Zufall wollte es, dass an diesem Vormittag kein Geringerer als Zthron Muqa Zthé das Rederecht hatte, der Vorsitzende der zthronmischen Delegation. Er wirkte wie ein Säbelzahntiger, den man in eine von Orden lastende Uniform gezwängt hatte und der sich unbeholfen am aufrechten Gang versuchte. Allerdings war seine Erscheinung beeindruckend, um nicht zu sagen: einschüchternd genug. Hoch aufgerichtet, überragte er jeden erwachsenen Mann um mehrere Haupteslängen. An Manschetten und Kragen quoll struppiges gelbes Raubtierfell aus seinem Kampfanzug. Und handlange Reißzähne brachen aus seinem Furcht einflößenden Maul, das unablässig ein geiferndes und bebendes Brüllen ausstieß. Dass die übersetzende KI eine smarte junge Frauenstimme wählte und die Tiraden des Anführers in geschliffener Diktion vortrug, machte einen nicht unwesentlichen Anteil an der hochgradig skurrilen und grotesken Anmutung des Auftrittes aus.
In letzter Sekunde drückte ich mich in die Besucherbox. Das Haifischgrinsen eines Dr. Rogers strahlte mir entgegen, der auf einem der wenigen freien Sitze in der hintersten Reihe Platz genommen hatte. Er wies neben sich und ich beeilte mich, mich auf den gravimetrischen Sessel zu quetschen.
Die Vorderfront der Box bestand aus gewölbtem Elastalglas. Wir vergewisserten uns, dass es einseitig polarisiert war, sodass man uns vom Plenum aus nicht sehen konnte. Zwar war der Blickwinkel ungünstig – wir sahen über die Tribünen der Delegierten hinweg und vom Rednerpodium aus war man von Scheinwerfern geblendet –, aber wir wollten sichergehen, dass uns die Angehörigen der fremden Abordnungen nicht bemerkten. Für einige von ihnen – die Sineser natürlich und in ihrem