Ehrenmord ist kein Aprilscherz. Manfred Eisner
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Die soeben Eingetretenen grüßen freundlich in die Runde.
»Meine Mitarbeiter und ich haben uns inzwischen mit der umfangreichen Fallakte vertraut gemacht«, informiert Nili den Staatsanwalt, nachdem ihre Mitarbeiter und die beiden Besucher Platz genommen haben. »Trotzdem wären wir Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns so viel wie möglich davon erzählen wollen. Vielleicht erfahren wir irgendetwas, was nicht aktenkundig ist.«
Doch trotz der ihm entgegengebrachten hohen Erwartungen kann auch Dr. Pepperkorn mit seinen Ausführungen nichts wahrhaftig Neues auftischen. All das, was er zu berichten weiß, war dem Team bereits bekannt.
»Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass wir damals die interessanten Bemerkungen, die Ihre Frau Kriminalhauptkommissarin Masal vorhin als Aufhänger für eine erneute Aufnahme der Ermittlungen anführte, nicht bedacht hatten. Ich muss mir dabei auch sehr wahrscheinlich vorhalten lassen, dass ich wohl dem zuständigen Kriminaloberrat Thumann zu wenig auf die Finger geschaut habe und ihn einfach habe machen lassen. Leider kam letztendlich zu wenig dabei heraus, um den Fall zu lösen. Hinzu kam, dass wohl auch die Strukturen unserer Kripo nicht mehr so schlagkräftig waren, wie sie hätten sein müssen. Ständig wurden wir von oben angewiesen zu sparen, dabei fiel natürlich so manche notwendig gewordene Neuanschaffung unter den Tisch. So wurde uns zum Beispiel eine Reise nach Belgien, wie sie Frau Masal zwecks genauerer Untersuchung der Fahrzeugherkunft vorhin anregte, aus Spargründen untersagt! Wir mussten uns deshalb mit den mageren Erkundungen der Kollegen von der belgischen Landpolizei begnügen. Und plötzlich erlitt KOR Thumann auch noch einen Herzinfarkt und starb kurz darauf. Einer nach dem anderen seiner Leute beendete seinen Dienst und ich wurde nach Kiel versetzt. Danach hat sich wohl niemand mehr um den Fall gekümmert. Tut mir leid!«
»Der Herr Staatsanwalt hat recht!«, übernimmt Nili. »Ich habe darauf hingewiesen, dass wir unbedingt bei dem belgischen Auto ansetzen müssen, damit wir in der Sache weiterkommen. Wer auch immer den Renault angeschafft hat, ist meiner Ansicht nach der verantwortliche Täter. So stammt vielleicht auch der nicht identifizierte Revolver aus Belgien. Das könnte naheliegen, oder? Wenn es denn doch ein Auftragsmord gewesen sein könnte – in einem Ortsteil von Brüssel namens Molenbeek findet man bekanntlich eine starke Ansammlung sehr traditionsbewusster Muslime, davon ist ein großer Prozentsatz Marokkaner –, kam der mutmaßliche Berufskiller vielleicht ebenfalls von dort? Einige weitere, für mich bedeutende Hinweise aus der Fallakte hat man wohl nicht gebührend beachtet und andere überhaupt nicht erwogen. Aber ich werde diesmal gemein sein und euch diese nicht verraten! Ich bin gespannt, wer von euch zuerst darauf kommt!«
Nachdem der Staatsanwalt sich verabschiedet hat und in Begleitung von Waldi Mohr hinausgegangen ist, herrscht zunächst nachdenkliches Schweigen. Ferdl ist der Erste, der einen Ton von sich gibt: »Und was ham’s jetzt vor, Frau Chefin?«
»Ich denke, diesmal wird mich Margrit begleiten, und zwar nach Bütgenbach, dort sollten wir ansetzen. Zunächst werde ich aber meine Freunde in Antwerpen anmorsen, mit Sicherheit können sie uns schneller dabei helfen, die zuständigen Kollegen der dortigen kommunalen Polizei ausfindig zu machen, als wenn wir die langwierige Ochsentour über Europol gehen. Es ist immer besser, wenn man sich jede mögliche Unterstützung herbeiholt.«
»Und woher kennens diese Leit?«, fragt Ferdl neugierig.
»Das ist eine längere Geschichte. Bei einer meiner ersten LKA-Unternehmungen begleitete ich eine junge Anwältin – übrigens die Tochter unseres Herrn Oberstaatsanwalt Harmsen – auf einer längeren Erkundungsreise auf den Spuren des Kokains, die uns auch nach Antwerpen führte.2 Dort habe ich nette Freunde unter den Kollegen gewonnen, die uns sicherlich bereitwillig erneut gute Dienste erweisen werden.«
Robert Zander meldet sich zu Wort: »Ich glaube, ich habe den ersten der von Ihnen erwähnten Links aufgeschnappt, Nili. Kann es sein, dass Sie die bei dem männlichen Toten festgestellte Sedierung meinten, die mit so einem …«, er scrollt auf seinem Monitor, um die Stelle zu finden. »Hier hab ich es, also das Schlafmittel Benzodiazepin mit den Wirkstoffen Temazepam und Triazolam, mit dem er wohl ausgeknockt worden ist? Ich meine, die Akte gibt uns keinerlei Hinweis, ob man die Herkunft des Medikaments überhaupt verfolgt hat.«
»Hab mi eh scho schlau g’macht, was des wohl für a Zeigs is!«, kolportiert Ferdl. »Hier steht’s! I les vor:
Benzodiazepine können als dämpfende Rauschmittel missbraucht werden und abhängig machen. Der Missbrauch ist gefährlich, insbesondere in Kombination mit anderen dämpfenden und atemdepressiven Arzneimitteln sowie mit Alkohol. Vielen Prominenten wird ein Benzodiazepin-(Über)gebrauch nachgesagt. So starb beispielsweise der Schauspieler Heath Ledger gemäß Autopsiebericht an einem Medikamentencocktail, der unter anderem die drei Benzodiazepine Diazepam, Temazepam und Alprazolam enthielt. Benzodiazepine werden auch als sogenannte ›Date Rape Drugs‹ – solche eher als K.O. bekannte Mittel – missbraucht und so weiter, und so weiter. Das Mittel ist zudem verschreibungspflichtig. Da hamma keine Hinweise g’fundn, ob des Deiwiszeig vom Toten selbst oder von saan Mörder g’stammt hab’n könnt!«
Nili schmunzelt. »Gut gebrüllt, ihr Löwen! Das ist eine der bedeutenden Spuren, die überhaupt nicht verfolgt wurden! Durch den Staatsanwalt erfuhr ich allerdings, dass weder die Ergebnisse der Spurensuche in Uwe Wilkens’ Wohnung noch die Befragung im Freundeskreis irgendeinen Hinweis auf einen solchen Drogenkonsum ergab. Dabei wurde es aber leider belassen. Nächste Frage: Woher also stammt das Schlafmittel, das dem Opfer vom Täter verabreicht worden sein muss, um es kampfunfähig zu machen?«
»Da das Mittel verschreibungspflichtig ist, müsste man doch die Ärzte der Umgebung befragen, wem sie es verschrieben, beziehungsweise die Apotheken, an wen sie ein solches ausgegeben haben. Aber nach mehr als eineinhalb Jahren?«, lamentiert Robert.
»Genau das ist eine der Aufgaben, mit denen ich Sie und Ferdl betrauen werde, während Margrit und ich uns in Belgien verlustieren.« Nili grinst. »Können Sie bei der Diakonie einen Betreuungsersatz für Ihre Mutter für etwa drei bis vier Tage anfordern, Margrit?«
Diese nickt und telefoniert sogleich mit ihrem Handy.
Offensichtlich genervt raunzt Robert: »Na schön, dann werden wir uns wohl oder übel auf die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen machen müssen! Was haben Sie sonst noch für uns auf Ihrem Zettel?«
»Ich suchte in der Akte vergeblich nach Hinweisen über den Verbleib von Uwe Wilkens’ Kfz-Werkstatt in Wewelsfleth wie auch nach seinem Pkw. Inzwischen habe ich beim Verkehrszentralregister des KBA in Flensburg nachgefragt: Es war ein VW Passat Kombi, Kennzeichen IZ-WW 205, Baujahr 1999, Farbe Grün Metallic. Er wurde vor drei Monaten zwangsabgemeldet, als die KFZ-Steuer überfällig war und auch nicht mehr entrichtet wurde, und ist nach deren Aktenlage auch nirgendwo aufgetaucht. Nach dem Fahrzeug wurde wohl niemals gefahndet. Wo ist es also geblieben? Und noch etwas: Wo wohnte Saadet Bassir bis zu ihrer Ermordung und was geschah danach mit ihrer Wohnung? Bitte kontaktiert die Eltern und auch die Glückstädter Kollegen, die müssten doch darüber nähere Auskünfte geben können. Also, macht euch bitte an die Hausaufgaben, ja? So, und jetzt rufe ich erst einmal in Antwerpen an!«
»Good afternoon, you are connected with the Federal Police in Antwerp, Belgium. Aspirant Commissaire de Police Arne Svensen speaking. May I help you?«
»Hi, Arne, rat mal, wer ich bin?«
»One