Ehrenmord ist kein Aprilscherz. Manfred Eisner

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Ehrenmord ist kein Aprilscherz - Manfred Eisner

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Arne, ich bin es, die Nili! Wie schön, dich zu hören! Bist du befördert worden? Hört sich ja prima an: Polizeikommissar-Anwärter! Herzlichen Glückwunsch!«

      »Oh my God! Please wait, hier kommt gerade Klaus! Klaus, I bet you don’t guess who is on the line? Du glaubst ja nicht, wer hier spricht?«

      »Guten Nachmittag, ich bin Commissaire de Police Klaus Stuckert. Mit wem spreche ich?«

      »Hallo, Klaus! Hier ist Nili Masal! Wie schön, dass ich euch antreffe! Höre ebenso gern, dass auch du zum Polizeikommissar befördert worden bist, herzlichen Glückwunsch!«

      »Hallo, Nili, wie schön, nach so langer Zeit wieder von dir zu hören! Wie geht es dir? Und was macht Kitt? Hat sie schon ihren Doktorhut?«

      Und so geht es zunächst hin und her in den gemeinsamen Erinnerungen an den Besuch Nilis und ihrer Begleiterin während der vorjährigen Erkundungstour durch die bedeutendsten Umschlaghäfen der verschleierten Drogeneinfuhr in Europa. Das Telefongespräch erfährt seinen Höhepunkt, als dann auch noch der aus Costa Rica stammende Kollege ACP Javier Espinoza dazukommt, denn von da an findet die Unterhaltung in radebrechend flottem Spanisch statt, eine Sprache, die Nili ebenfalls fließend beherrscht. Schließlich gelingt es ihr, auf den Grund ihres Anrufes zu kommen. Ausführlich berichtet sie CP Stuckert von dem Glückstädter Doppelmord und dem Renault mit belgischem Kennzeichen, in dem die Leichen aufgefunden wurden. Für ihre und Margrits für morgen geplanten Reise nach Bütgenbach bittet sie Klaus um Amtshilfe und Unterstützung.

      »Selbstverständlich helfen wir dir gern, werte Kollegin! Schließlich hast du noch eine Menge gut bei uns, weil du uns geholfen hast, den Containerklau im Hafen aufzuklären! Ich rufe gleich bei den Kollegen der Police Locale in Bütgenbach an, um deinen Besuch anzukündigen, und spreche auch mit unserem Chef CDP Robbe van Dongen – der ist inzwischen zum Commissaire Divisionnaire de Police befördert worden –, um ihm vorzuschlagen, dass dich einer unserer hiesigen Leute begleitet. Also, meine liebe Nili, schön, dass du dich gemeldet hast! Vielleicht kommst du mal wieder in Antwerpen vorbei?«

      »Danke, lieber Klaus, ich melde mich auf jeden Fall aus Bütgenbach! Bis bald! Au revoir!«

      Nili hört noch den »Pura vida«-Ruf3, den der lustige Javier ins Telefon schmettert. Sie kann sich ein Lächeln nicht verkneifen, denn dieser wurde ihr damals vertraut, weil der quirlige Costa-Ricaner ihn bei jeder Gelegenheit ausrief.

      »So, das wär’s! Robert, kann ich bitte den Schlüssel und die Papiere für den X3 haben?«

      »Ist vollgetankt und steht auf dem Parkplatz vor dem Haus 10. Papiere sind im Handschuhfach!«

      Nili fängt den ihr zugeworfenen Autoschlüssel. »Danke!«, sagt sie und wendet sich an Margrit: »Ist es okay, wenn ich Sie morgen früh um sieben zu Hause abhole? Ich möchte möglichst früh los, denn wir haben sechshundertfünfundzwanzig Kilometer zu bewältigen. Wenn Sie möchten, bringe ich Sie auch gleich nach Hause. Aber vorher holen wir noch die Mordwaffe, mit der der arme Uwe Wilkens hingerichtet wurde, aus der Asservatenkammer. Vielleicht helfen uns die belgischen Kollegen, auch diese zu identifizieren. Dann tschüss, ihr beiden, seid schön fleißig! Wir melden uns!« Sie winkt Ferdl und Robert zum Abschied.

      Ferdl grinst. »Und net vergess’n, Madls, an Buko mitführen!« Zu viel Spaß hat ihm dieser Begriff bereitet, als man ihm zuletzt den gleichen Rat mit auf den Weg gab.

      »Aber klaro, Amigo! Wie hätten wir nur dieses unverzichtbare Le Must vergessen können!« Margrit grient. »Beischlaf-Utensilienkoffer …«, murmelt Ferdl vor sich hin, als Nili und Margrit bereits den Arbeitsraum verlassen haben. »Was für an lustiger Schmarrn!«

      Während Nili im Dienst-BMW auf dem Weg zu ihrer Wohnung ist, ruft sie ihren Lebensgefährten Walter Mohr an. Ein wenig enttäuscht ist sie, als ihr nur seine Mailbox antwortet.

      »Hallo, mein Liebster! Ich hatte gehofft, dich persönlich zu erreichen. Margrit und ich fahren morgen früh um sieben Uhr nach Belgien. Würde mich sehr freuen, dich heute noch zu sehen, falls du auf einen kurzen Bissen bei unserem Griechen um die Ecke vorbeikommen kannst. Ich möchte allerdings früh schlafen gehen, denn uns erwartet morgen eine fast siebenhundert Kilometer lange Autofahrt. Mach dir aber keinen Stress! Ist nicht so schlimm, wenn du es nicht schaffst, dann sehen wir uns eben am Wochenende. Ich liebe dich! Großer Kuss von deiner Nili.«

       2. Amina

      »Besna, wo ist Amina?«, ruft die Mutter Akila ihrer Tochter aus der Küche zu. »In eurem Zimmer ist sie jedenfalls nicht!«

      »Ich weiß nicht, Umm Walid4. Sie ist noch nicht von der Schule zurückgekommen.«

      »Wieso, seid ihr nicht zusammen nach Hause gegangen?«

      »Nein, Umm Walid. Ich ging früher, weil wir die letzten beiden Stunden Sport hatten und ich daran ja nicht teilnehmen soll!«

      »Hat sie sich vielleicht wieder mit diesem Kafir5 getroffen?«

      »Das weiß ich nicht, Umm Walid. Aber ich glaube kaum, dass sie es noch einmal wagt, sich dem strikten Befehl unseres Vaters zu widersetzen. Der Krach von gestern ist ihr ganz schön an die Nieren gegangen. Sie hat die ganze Nacht im Bett geweint. Sogar ich konnte deswegen kaum schlafen. Es hat mich übrigens sehr aufgeregt, dass Vater so aufgebracht war und so furchtbar mit ihr geschimpft hat.«

      »Ja, mein Kind, auch ich war tieftraurig, dass unsere liebe Amina sich von unserem Glauben derart entfernt und damit den Zorn Allahs und die Verachtung der ganzen Familie auf sich zieht. Du weißt ja, sie ist Vaters jüngerem Vetter Hamid in Marrakesch versprochen und soll ihn dort sofort heiraten, nachdem sie hier mit der Schule fertig ist. Ich verstehe sowieso nicht, wozu sie eigentlich Abitur machen will und Abu Jalil ihr das überhaupt erlaubt hat. Das ist doch für unsereins nicht nötig, denn eine Frau gehört zu ihrem Mann und ihren Kinder ins Haus und braucht hierzu weder Chemie noch Physik. Eine bessere Partie als Hamid könnte sie niemals machen, denn dieser ist, ebenso wie sein älterer Bruder Hassan in Brüssel, ein schwerreicher Kaufmann. Sie besitzen mehrere Schmuckgeschäfte sowohl in der Medina von Marrakesch als auch in Belgien und Holland. Stattdessen treibt sie sich mit diesem Ungläubigen herum! Was für eine Schande für unsere Familie!«

      »Aber Mutter, es ist ja nicht so, wie du sagst!«, protestiert Besna. »Amina treibt sich doch nicht herum! Ja, es ist wahr, dass Amina und Jörg sich angefreundet haben, schließlich gehen sie in dieselbe Klasse. Ich habe ihn auch kenngelernt. Er ist ein sehr netter Junge, respektiert Amina und tritt ihr niemals zu nahe. Er hilft ihr vor allem in Mathe. Soweit ich weiß, ist Hamid ein bereits fast fünfzig Jahre alter Witwer, der schon vier Söhne hat. Unsere Amina ist doch gerade erst siebzehn geworden und damit so alt wie Hamids jüngster Sohn! Was soll sie mit einem so alten Mann? Warum versteht ihr nicht, dass es hier in Deutschland nicht so ist wie bei uns und es auch nicht sein kann, denn hier leben und denken die Leute ganz anders als in Marokko. Glaubst du wirklich, dass – obwohl alle deine Kinder in diesem Land geboren wurden – man hier auch weiterhin so tun kann und muss, wie es dort für alle Menschen üblich ist? Kommt es denn wirklich einer Todsünde gleich, wenn man auch ein bisschen mit unseren neuen westlich gesinnten Nachbarn kommuniziert und mit ihnen Freundschaften schließt? Glaub mir, Mutter, in vielen Aspekten beneide ich die christlichen Deutschen, weil sie viel ungezwungener leben dürfen als unsereins. Ich fühle mich eingeengt von unseren strengen Vorschriften. Wir werden doch schon wegen des leidigen Kopftuchs auf der Straße blöd angegafft und von so manchem als Schleiereulen bezeichnet. Als wir vor zwei Jahren in Marrakesch zu Besuch waren, habe ich auf den Straßen viele Frauen und Mädchen ohne Kopftuch und in westlichen Kleidern gesehen. Wie

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