Ehrenmord ist kein Aprilscherz. Manfred Eisner

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Ehrenmord ist kein Aprilscherz - Manfred Eisner

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dich nicht mit diesen abwegigen Gedanken gegen Allahs Gesetze und deines Vaters Willen, Kind! Es steht uns, liebe Besna, nicht zu, dies zu beurteilen. Das müssen wir schon unserem Imam in der Moschee und deinem Vater überlassen. Wenn diese bestimmen, dass es ist, wie es ist, und weiterhin so sein soll, haben wir nicht das Recht, uns dem zu widersetzen. Der Koran lehrt uns, wie wir uns zu verhalten haben, alles andere ist Sünde. Damit musst auch du dich abfinden. Und jetzt hilf mir bitte, das Abendessen vorzubereiten.«

      »Was soll ich tun, Mutter?« Besna ist keineswegs überzeugt, gibt jedoch um des lieben Hausfriedens willen der steten Demut und Unterwürfigkeit ihrer Mutter klein bei.

      »Du kannst diese marinierten Zitronenschalen für die Garnitur in gezackte Streifen schneiden.« Akila hebt den farbenfroh dekorierten Deckel des traditionellen marokkanischen Tajine-Kochgefäßes ab, um nach dem darin garenden Gericht zu sehen.

      »Es ist bald fertig. Ich muss jetzt nur noch die gekochte Leber in Würfeln schneiden und damit die Sauce zubereiten. Wenn du mit den Zitronenschalen fertig bist, kannst du schon mal den Tisch decken. Leg auch sechs Fladenbrote zum Aufwärmen in den Backofen. Abu El-Karim und deine Brüder werden bald vom Abendgebet zurück sein. Hoffentlich ist Amina inzwischen auch wieder da!«

      »Was gibt es denn heute Gutes zu essen?«, fragt Besna, die neugierig geworden ist.

      »Vorweg eine Harira und anschließend diese Hühner-Tajine6

      »Da wird sich Amina aber freuen, die mag sie besonders!«

       *

      »Jörg, sag mir, was ich tun soll. Ich kann nicht mehr, ich halte es zu Hause nicht länger aus! Ich liebe und achte meinen Vater und meine Mutter sehr, aber ich kann beim bestem Willen nicht an all das glauben, was sie und meine Brüder tagein, tagaus bei jeder Gelegenheit mit dem Namen und Willen Allahs predigen und mir ewig vorhalten! Ständig werfen sie mir ›Harâm, harâm!‹7 vor, egal was ich tue oder meine. Es reicht sogar, wenn ich nur anderer Meinung bin. Nur meine kleinere Schwester Besna hält zu mir und versteht mich. Aber wir beide kommen einfach nicht gegen die anderen an! Und dann auch noch gestern dieser Riesenkrach, weil mein Vater mir strengstens verboten hat, mich mit dir weiter zu treffen! Er hat fürchterlich geschimpft, ich sei eine Abtrünnige, weil ich mich mit einem Ungläubigen versündige. Allah, so sagte er, würde mich dafür bestrafen. Und das alles nur, weil du mir mit der blöden Mathe hilfst, die einfach nicht in meinen Kopf hineinwill! Was das wohl für eine Sünde gegen den Koran sein soll! Ich sei doch seinem Vetter Hamid in Marokko versprochen, hat er mir gesagt, und müsse ihn heiraten. Was soll ich mit diesem alten Mann überhaupt? Ich hab ihn nur auf einem Foto gesehen, persönlich kenne ich ihn gar nicht! Er sieht hässlich und ekelhaft aus! Und nach Marokko will ich schon gar nicht! Was soll ich da? Ich bin hier geboren und fühle mich als Deutsche! Ich spreche nicht einmal gut Arabisch. Ich kann es einfach nicht mehr ertragen!« Die hübsche junge Frau ist total aufgelöst und ihr Gesicht tränenüberströmt. Vor Wut hat sie ihren Hijab8 heruntergerissen. Ihre dicke Mähne aus wunderschönen schwarzen Haaren weht mit jeder ihrer verzweifelten Kopfbewegungen hin und her.

      Total hilflos und erschüttert von diesem heftigen Gefühlsausbruch weiß der junge Mann nicht, was er tun kann, um der Schulfreundin zu helfen. Einerseits wirkt sie stets durchaus apart und attraktiv auf ihn, andererseits ist sie ihm doch irgendwie fremd. Jetzt sieht er sie zum ersten Mal ohne dieses Kopftuch, das sie in der Schule stets um ihre Haare gewickelt trägt.

      Jörg Ewers ist mit achtzehn Jahren kaum ein Jahr älter als Amina und ein sportlicher und gut aussehender, blonder junger Mann. Seit er sie gegen zwei seiner Schulkameraden, die ihr das Kopftuch gewaltsam entreißen wollten, tatkräftig verteidigt hat und diese endlich davon abbringen konnte, sind sie sich freundschaftlich nähergekommen.

      Mit den anderen Mädchen ihrer Klasse hat Amina dagegen kaum engeren Kontakt, nicht nur, weil sie ihnen absonderlich erscheint, sondern wohl eher wegen des elterlichen Verbots, am Sportunterricht und an anderen Schulveranstaltungen wie beispielsweise an Klassenfahrten teilzunehmen. An Amina selbst liegt es nicht. Des Öfteren versucht sie, sich der einen oder anderen Klassenkameradin anzunähern. Das Gelingen scheitert jedoch spätestens an den strikten Halal-Speisevorschriften des Islam, wenn sie zum Beispiel in das Haus der einen oder anderen zu einem Grillfest eingeladen wird. Auch hier muss sie absagen, haben ihr doch die Eltern eine Teilnahme strikt untersagt. Zu Gegenbesuchen kommt es ebenfalls nicht, da Nicht-Muslime in ihrem Elternhaus nicht gerade willkommen sind.

      Ganz anders verhalten sich allerdings der Vater und die Brüder Walid und Osman im Verkehr mit der Außenwelt. Dort geben sie sich weltlich, zeigen sich offen und höflich und behandeln ihr Gegenüber auf Augenhöhe, da möchten sie unbedingt Gleiche unter Gleichen sein. Beim zwanzigjährigen Walid reichte der Lerneifer nicht bis zum Abitur, er brach deswegen das Gymnasium ab und hilft seitdem dem Vater im Geschäft. Der jüngere Osman ist fünfzehn und hat gerade seine Lehre als Kfz-Mechatroniker bei einer KIA-Vertragswerkstatt begonnen, die einem entfernten Verwandten gehört. Hadshi Jalil El-Karim ist erfolgreicher Gemüsehändler im Stadtzentrum und ein von seiner Kundschaft hoch angesehener Kaufmann. Bereits mehrmals hat er den anfänglich kleinen Laden, mit dem sein Vater vor mehr als zwanzig Jahren anfing, vergrößert und zu dem gemacht, was er heute ist: ein kleiner Supermarkt, in dem man so ziemlich alles erstehen kann, was Muslime, aber auch alle anderen, die die orientalische und arabische Küche lieben, für die Zubereitung dieser Speisen benötigen. Frische Gemüse- und Obstsorten aus Ägypten, Tunesien, Marokko und der Türkei alternieren mit Regalen voller Halal-Konserven; Kühlvitrinen beherbergen allerlei – selbstverständlich halal-konforme – Frischfleischarten sowie typische Oliven- und Käsesorten; dazu in mannigfaltiger Auswahl getrocknete Früchte, Samenkörner und traditionelle Gewürze. Betritt man den Laden, betören einen die Düfte und Aromen des Orients. Schließt man die Augen, hat man sofort das Gefühl, im Grand Basar eines der arabischen oder türkischen Metropolen zu sein. Penibel hält sich der Kaufmann an die gesetzlichen Bestimmungen des Landes und achtet vor allem auf die vorgeschriebenen öffentlichen Abgaben. Pünktlich zahlt er seine Steuern, und nichts darf dabei unter dem Ladentisch verschwinden. Jalil El-Karim spricht fließend Deutsch, ist stadtbekannt und wird deswegen oft von lokalen Politikern und Medien als ›Musterbeispiel erfolgreicher Integration‹ dargestellt, ahnt man doch nicht, wie rückständig und islamisch-konservativ es im eigenen Haushalt zugeht. Höflich hat er bereits mehrfach die Einladung einer örtlichen Partei abgelehnt, für ein Amt im Stadtrat zu kandidieren. Er sehe sich als Geschäftsmann vor allem seiner werten Kundschaft verpflichtet und möchte bei niemandem anecken, was wohl im Amt als Stadtabgeordneter gelegentlich unvermeidbar wäre.

      »Was kann ich tun, um dir zu helfen, Amina? Du kannst doch nicht einfach von zu Hause weglaufen! Wo willst du denn hin? Zudem bist du noch nicht achtzehn, also laut unserem Gesetz auch nicht volljährig. Das bedeutet doch, dass deine Eltern immer noch das Bestimmungsrecht über dich haben. Ich möchte dir so gern unter die Arme greifen, aber ich kann leider nicht! Sieh doch, ich wohne noch bei meinen Eltern in dieser Vierzimmerwohnung. Wie und wo solltest du da unterkommen? Abgesehen davon, meine Eltern sind zwar sehr verständnisvoll und liberal, würden aber nie zulassen, dass du bei uns bleibst. Wir wären schließlich nicht sicher vor dem Zorn deiner Familie, sollten sie denn von diesem Bleibeort erfahren, oder?«

      »Aber das hab ich auch gar nicht von dir erwartet, Jörg! Ich meinte vielmehr, ob du eine Idee hast, wo ich mich fürs Erste verstecken könnte, damit ich vor Verfolgung geschützt bin. Ich möchte ganz bestimmt nicht wieder nach Hause, wo mein Vater und mein älterer Bruder mich tyrannisieren und meine Oma und meine Mutter nur wohlgefällig und untertänig zuschauen! Ich hab solche Angst vor ihrer wütigen Vergeltung, aber ich kann nicht anders! Wüsstest du nicht einen Ausweg oder irgendjemanden, an ich mich schutzsuchend wenden könnte?«

      »Warte mal, Amina, da fällt mir etwas ein!« Jörg öffnet sein Tablet und geht ins Internet.

      »Ich

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