Zwei gegen Ragnarøk. Hans-Jürgen Hennig

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Zwei gegen Ragnarøk - Hans-Jürgen Hennig

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spüre meine Arme kaum noch. Morgen rede ich mit Alfger und dann lassen wir uns einfallen, was für ein Ei wir für dich beschaffen. Schlaf jetzt, Schwesterchen.“

      „Gute Nacht, Falki.“

      Einen Augenblick später stieß sie Falki noch einmal an und raunt ihm ins Ohr: „Falki, ich weiß, was ich für einen Vogel ausbrüten möchte. Ich möchte ein Rabenei haben. Ja, ich will einen kleinen Raben ausbrüten. Du willst ja mit Alfger reden; holt ihr mir dann eine Rabenei?“

      Hilda lauschte, aber an Falkis Atemzügen merkte sie, dass er schon schlief.

       HILDA UND DAS RABENEI

      Falki stand unschlüssig, mit seinem Bogen in der Hand, vor der Hütte und überlegte, wann der passende Moment wäre, Hilda seine Neuigkeit mitzuteilen.

      Seine Mutter und Schwester saßen auf der Bank, an der Hauswand und strickten emsig, wobei es bei Hilda eher einem Kampf mit dem Faden und den langen Nadeln ähnelte. Falki wusste, dass Hilda das Stricken überhaupt nicht mochte und er sie jetzt vielleicht erlösen könnte. Fast jeden Morgen, wenn nichts Wichtigeres erledigt werden musste, versuchte die Mutter der Tochter die Kunst des Strickens beizubringen. Falki staunte immer wieder über die Strickkünste der Mutter. Stricken, das war etwas, das er nie begriff, wie aus dem ständigen Verschlingen von Fäden etwas Sinnvolles wie Strümpfe entstehen konnten. Er hatte es einmal probiert, aber mehr als ein paar Knoten haben seine Finger mit den Nadeln nicht zuwege gebracht.

      Einen Moment lang überlegte er noch, dann entschied er, dass er Hilda vom ungeliebten Stricken erlösen wollte. Er und Alfger hatten nämlich auf ihren Streifzügen entlang der Berge, bei den Dreien ein Rabennest entdeckt. Weil ihm Hilda vor ein paar Nächten ins Ohr geflüstert hatte, dass sie unbedingt ein Rabenei haben wollte, war diese Entdeckung natürlich ungeheuer wichtig und Falki lachte in sich hinein. Er stellte sich Hilda als Rabenmutter vor, wie sie mit einem Schnabel ihr Rabenjunges fütterte und er rief: „Hilda, Hiiiiildaaa, Schwesterchen!“

      Endlich wandte sie ihm den Kopf zu. Hilda schaute mit verzweifeltem Gesicht auf und ließ den Strickversuch auf ihren Schoß sinken.

      Die Mutter schaute Falki an und runzelte die Stirn. Sie ließ einen richtigen Wortschwall los: „Lass doch mal das Mädchen in Ruhe. Hilda soll sich auf das Stricken konzentrieren. Wenn ihr Mann später nicht ohne Socken herumlaufen soll, wird es Zeit, dass sie endlich lernt, wie Strümpfe gestrickt werden. Aber vor allem muss sie sich selber Strümpfe stricken, weil ich ja gar nicht mehr mit dem Stopfen der Löcher nachkomme.“

      Sie holte tief Luft und schimpfte weiter: „Ihre Strümpfe sind doch ständig zerlöchert, weil unsere kleine Strumpfhilda ohne Schuhe durch das Dorf rennt. Nicht wahr, Töchterchen?“

      Bei den letzten Worten lächelte sie schelmisch und zwei kleine Grübchen zeigten sich auf ihren Wangen.

      „Oooh Mama, nicht schon wieder“, und Hilda zog gekränkt einen Flunsch, wie immer, wenn man sie Strumpfhilda nannte.

      „Na gut, dann sage ich eben, meine große Strumpfhilda. Du bist ja nun auch schon zehn Jahre alt, also ein großes Mädchen, und nicht mehr lange, dann wirst du eine Frau sein. Doch wenn du nicht stricken kannst, wird dich wohl kein Mann wollen.“

      „Doch, Mama, ich kenne einen, der wird mich auch ohne diese doofe Strickerei wollen. Das ist nämlich Alfger.“

      Dann schaute sie Hilfe suchend zu Falki. Sie war über jede Ablenkung von dieser anstrengenden Arbeit dankbar. Viel lieber rannte sie mit Falki und den anderen Jungen durch das Dorf oder ging mit ihnen auf Entdeckungen in die nahe gelegenen Wälder. Hilda wusste sofort, dass Falki etwas Wichtiges auf der Seele hatte. Er grinste sie so herausfordernd an.

      „Ja, Falki, was hast du“, fragte sie schnell. „Brauchst du mich, willst du jemanden verhauen und brauchst meine Hilfe?“

      „Nein, da würde ich dann doch lieber Alfger, oder Arnor als Hilfe mitnehmen, aber wir haben was ganz Wichtiges entdeckt, etwas ganz, ganz Wichtiges!“

      Hildas Augen wurden immer größer und Mutter Hilda guckte schon leicht besorgt drein.

      „Habt ihr irgendwelchen Unsinn vor, ihr Lauseköpfe?“

      „Nein, nein“, beeilte sich Falki zu sagen, „Wir haben nur etwas Schönes im Wald entdeckt, etwas sehr Wichtiges für Hilda.“

      „Wer ist wir? Nun mach, sag schon“, ermunterte ihn die Mutter.

      „Ja, aber ihr dürft es niemanden sagen, es ist wirklich ganz geheim“, und nach einem kurzen Zögern fuhr Falki in geheimnisvollem Ton fort: „Alfger und ich haben ein Rabennest entdeckt, und Hilda will doch einen kleinen Raben ausbrüten.“

      Die Mutter runzelte die Stirn und tat etwas erzürnt, aber dann musste sie doch lachen und prustete los: „Raben ausbrüten, hi, hi. Na da habt ihr euch aber was ausgedacht. Die Hauptsache ist, dass niemand zu Schaden kommt. Hilda, nun lauf schon, Falki ist ja schon ganz ungeduldig. Aber seid vorsichtig und passt gut auf euch auf, dass euch nicht die Trolle fressen!“

      Sie stupste ihr Töchterchen aufmunternd an und nickte, als Zeichen, dass sie das Strickzeug weglegen sollte.

      „Trolle fressen doch keine Menschen“, erwiderte Falki entrüstet, „außerdem gibt’s die hier doch gar nicht mehr, außer in Alviturs uralten Geschichten.“

      Man konnte gar nicht so schnell gucken, wie Hilda ihr Strickzeug weggelegte, aufsprang, ihrer Mutter einen Kuss gab und dann Falki am Arm griff.

      „Los!“, rief sie erfreut, und schon rannten beide in Richtung von Alfgers Hütte davon.

      Als Hilda und Falki dort ankamen, stand Alfger schon davor und wartete. Mit seinen dreizehn Jahren war er nur ein Jahr älter als Falki, aber größer als er, einen ganzen Kopf größer als Hilda und hatte schon recht kräftige Schultern. Für Hilda war schon immer klar, dass nur Alfger, irgendwann einmal, ihr Mann werden würde. Sie mochte seine blonde Wuschelmähne und seine braunen Augen, die hier, in Björkendal, so ganz ungewöhnlich waren. Nur seine Mutter, Einurd, hatte noch diese braunen Augen. Wenn Alfger ihr in die Augen schaute, wurde ihr immer ganz warm im Bauch.

      „Hallo, schöne Hilda“, rief er und strahlte über das ganze Gesicht. Es war offensichtlich und jeder im Dorf wusste es, dass er und Hilda sich sehr mochten. Hilda war für ihn ein besonderes Mädchen, weil sie alles so gut konnte, wie es ein Junge können musste und dazu hatte sie Augen, die er so gerne mit den Farben des Fjordes verglich. „Ich habe schon alles zusammengepackt, was wir brauchen“, rief er freudig aus und zeigte auf einen Haufen Gepäck, der zu seinen Füßen lag. Oben drauf lagen ein zusammengerolltes Seil und ein paar Felle.

      „Meine Mutter hat uns Essen für den ganzen Tag eingepackt“, sagte Alfger stolz und zeigte auf den Korb.

      Erfreut über das bevorstehende Abenteuer und überrascht, weil sie nicht richtig wusste, was die beiden Jungen genau vorhatten, fragte Hilda: „Was habt ihr denn überhaupt vor? Ich bin ja gespannt wie ein Flitzbogen.“

      „Hilda, wolltest du nicht einen Raben ausbrüten?“, fragte Alfger und reckte sich dabei zu voller Größe auf.

      „Falki und ich haben beschlossen, dass du ein Rabenei bekommen sollst, und wir wissen auch schon woher.“

      Alfger tat wie ein Anführer

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