Das Enneagramm. Andreas Ebert W.

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Das Enneagramm - Andreas Ebert W.

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einem Ruheplatz. Wenn es keinen findet, sagt er sich:, Ich will in mein Haus zurückkehren, das ich verlassen habe!‘ Also geht er zurück – und findet das Haus leer, sauber und geordnet vor. Dann geht er und bringt sieben andere böse Geister mit, die noch schlimmer sind als er selbst, und sie kommen und wohnen hier. So befindet sich der Mensch am Ende in einem schlimmeren Zustand als am Anfang.“ Nach Evagrius ist der erste böse Geist die „Völlerei“, die sich schließlich die sieben weiteren Laster „einverleibt“, sodass es zur Achtzahl kommt. In seiner Neunlasterschrift, die in unserem Zusammenhang besonders interessant ist, ordnet er drei Leidenschaften der sinnlich-materiellen Welt zu (bei ihm sind dies Völlerei, Unzucht und Geiz), drei der „erregbaren Seele“ (Traurigkeit, Zorn und „Trägheit“) und drei dem geistigen Bereich, der allein dem Menschen vorbehalten ist (Ehrsucht, Neid und Stolz). Die „Furcht“, die im Enneagramm Typ SECHS zugeordnet wird, fehlt. Papst Gregor I. hat die Liste der acht bzw. neun Leidenschaften später auf die bis heute gängige Liste der sieben klassischen Hauptsünden reduziert (oft fälschlich als die „sieben Todsünden“ bezeichnet). Er fasste Ruhmsucht und Stolz sowie Traurigkeit und Faulheit zusammen. Ergebnis war ein Jahrhunderte lang gültiger Katalog: Stolz, Neid, Zorn, Traurigkeit, Habgier, Völlerei, Unkeuschheit. Im 7. Jahrhundert wurde die Traurigkeit durch die Trägheit ersetzt. Als die sieben Hauptsünden bezeichnet die katholische Kirche gegenwärtig Stolz (superbia), Habsucht (avaritia), Neid (invidia), Zorn (ira), Unkeuschheit (luxuria), Unmäßigkeit (gula, immoderatio), Trägheit oder Überdruss (pigrata oder acedia).

      Auch wenn Evagrius neun Laster nennt, ist doch offenkundig, dass er sie noch nicht als jenes „Enneagramm der Fixierungen“ systematisiert hat, das Oscar Ichazo in den 70er Jahren entwickelt hat. Er ordnet sie zum Beispiel nach anderen Gesichtspunkten der physischen, psychischen und geistige Sphäre zu, als es Oscar Ichazo mit den neun Leidenschaften bzw. Fixierungen im Enneagramm getan hat.

      Neben der Identifikation von neun Leidenschaften und drei Zentren, denen jeweils drei Leidenschaften zugeordnet werden, beschreibt Evagrius auch ein geometrisches Symbol, das sich nur erschließt, wenn man die Zahlensymbolik des Pythagoras kennt. Dabei geht es um die Darstellung einer geheimnisumrankten biblischen Zahl: Gegen Ende des Johannesevangeliums wird berichtet, wie Jesus nach seiner Auferstehung an Ostern seinen Jüngern gebietet, das Fischernetz im See Genezareth auszuwerfen. Sie gehorchen ihm und fangen 153 große Fische. Warum nennt der Evangelist diese Zahl? Das Johannesevangelium ist voll von hintergründigen und mehrdeutigen Redewendungen mit „doppeltem Boden“. Hinter einer platt wörtlichen Bedeutung steckt immer ein tieferer Sinn. Weil die Menschen – einschließlich der Jünger Jesu – seine Worte allzu buchstäblich deuten, kommt es im Johannesevangelium ständig zu kuriosen Missverständnissen. Es ist offenkundig, dass diese Zahlenangabe nicht willkürlich ist, sondern einen symbolischen Sinn hat. Hieronymus (um 420) deutet die Zahl so: Man hätte seinerzeit angenommen, es gäbe insgesamt 153 Fischarten. Die Zahl sei also ein Hinweis auf die Universalität und Vollständigkeit der Kirche, die alle Völker umfasst. Spekulativer ist bereits Augustinus:

      „In der Anzahl der Fische, die unser Herr nach seiner Auferstehung auf der rechten Seite des Schiffes zu fangen befiehlt, um dieses neue Leben zu zeigen, findet sich die Zahl 50 mit drei multipliziert. Wenn man drei hinzuzählt (das Symbol der Trinität), ist das heilige Geheimnis noch offenbarer. Dann (im neuen Leben) soll der neue Mensch, vollendet und zur Ruhe gekommen, durch die lauteren Worte Gottes an Leib und Seele geläutert, die wie entschlacktes Silber sind, das siebenmal gereinigt ist, seinen Lohn erhalten – die Münze. Mit diesem Lohn begegnen sich die Zahlen sieben und zehn in ihm. Denn in dieser Zahl (17) findet sich – wie in anderen Zahlen, die eine Kombination von Symbolen darstellen –, ein wundervolles Geheimnis … Und wann wird der Körper endgültig von allen Feinden befreit sein? Ist es nicht dann, wenn der letzte Feind, der Tod, vernichtet sein wird? Bis zu dieser Zeit also wird die Zahl der 153 Fische reichen. Denn wenn die Zahl 17 als Seite eines gleichseitigen Dreiecks genommen wird … beträgt die Gesamtsumme der Einheiten 153.“6

      Diese Deutung ist ein Beispiel für die spekulative Art und Weise, mit Zahlen umzugehen, wie sie in der Antike und in der Frühzeit der Kirche gang und gäbe war.

      Auch Evagrius interpretiert die Zahl 153 mit Rückgriff auf die pythagoräische Zahlensymbolik. Seine Interpretation findet sich in der Einleitung zu einem Büchlein mit dem Titel „153 Kapitel über das Gebet“, einem Leitfaden zur Kontemplation. Diese 153 kurzen Kapitel sind auch Teil der „Philokalia“, jener berühmten Sammlung altkirchlicher Anleitungen zum Gebet, die die spirituelle Grundlage ostkirchlicher Mystik ist und die es jetzt endlich auch in einer deutschen Gesamtausgabe gibt. Evagrius schreibt in der Einleitung:

      „Ich habe diese Abhandlung über das Gebet in 153 Kapitel eingeteilt. Mit ihnen sende ich dir einen Leckerbissen des Evangeliums, damit du dich an einer symbolischen Zahl erfreuen kannst, die eine dreieckige und ein sechseckige Figur miteinander verbindet. Das Dreieck steht symbolisch für die Trinität, das Sechseck für die geordnete Erschaffung der Welt in sechs Tagen. Die Zahl 100 bezeichnet ein Quadrat, die Zahl 53 ein Dreieck und zugleich einen Kreis. Weshalb? Weil sie die Summe von 25 und 28 ist. 28 ist das Dreieck und 25 der Kreis, da 25 fünf mal fünf ist. So stellt diese Summe eine quadratische Figur da, da sie die vierfache Qualität der (sieben) Tugenden symbolisiert. Der Kreis drückt durch seine runde Form den Fluss der Zeit aus und ist zugleich ein angemessenes Symbol für die wahre Welterkenntnis. Im Fluss der Zeit folgt Woche auf Woche, Monat auf Monat, Jahr auf Jahr und Jahreszeit auf Jahreszeit, wie es die Bewegung von Sonne und Mond, Frühling und Sommer und so weiter zeigen. Das Dreieck, das in der Zahl 28 zum Ausdruck kommt, bezeichnet die Erkenntnis der Heiligen Trinität. Oder wir könnten die ganze Summe von 153 als ein Dreieck deuten, das die asketische Praxis, die Kontemplation der Natur und die Betrachtung des spirituellen Wissens von Gott bedeutet – oder Glaube, Hoffnung und Liebe, oder Gold, Silber und Edelsteine. So viel zu dieser Zahl …“

      Diese Interpretation des Evagrius ergibt nur Sinn, wenn man mit der pythagoräischen Zahlensymbolik vertraut ist. Pythagoras unterschied unter anderem Dreieckszahlen, Quadratzahlen, Sechseckzahlen und Kreiszahlen:

      Dreieckszahlen: Die Summe aufeinander folgender Zahlen, beginnend mit 1. Beispiele:

      3 = 1 + 2; 6 = 1 + 2 + 3; 10 = 1 + 2 + 3 + 4 usw.

      2. Quadratzahlen: Die Summe von Zahlen, beginnend mit 1, wobei jeweils eine Zahl ausgelassen wird. Beispiele:

      4 = 1 + 3 (2 ausgelassen); 9 = 1 + 3 + 5; 16 = 1 + 3 + 5 + 7 usw.

      3. Sechseckzahlen: Die Summe von Zahlen, beginnend mit 1, wobei jeweils drei Zahlen ausgelassen werden. Beispiele:

      6 = 1 + 5 (2, 3 und 4 ausgelassen); 15 = 1 + 5 + 9; 28 = 1 + 5 + 9 + 13 usw.

      4. Kreiszahlen: Eine Zahl, die Produkt einer Zahl ist, die sich beim Quadrieren an letzter Stelle wiederholt. Beispiele:

      25 = 5 x 5; 36 = 6 x 6.

      Für die Zahl 153 bedeutet das: Sie ist nach pythagoreischer Interpretation „dreieckig“ (1 + 2 + 3 + … 17) und zugleich „sechseckig“ (1 + 5 + 9 … + 33). Deshalb hat diese Zahl zugleich „dreieckige“ (trinitarische) und „sechseckige“ Qualität; das Dreieck bezeichnet nach Evagrius die göttliche Wirklichkeit und das Sechseck – wie erwähnt – die sechs Schöpfungstage und somit die irdische Welt. Es gäbe mehrere Möglichkeiten, diese Kombination von Dreieck und Sechseck bildlich darzustellen:

      153 lässt sich nach Evagrius aber auch als Summe von 100 + 28 + 25 verstehen. 100 ist eine „Quadratzahl“ (1 + 3 + 5 + 7 … + 19). Evagrius deutet 4 x 7 als Hinweis auf die vierfache Qualität der (sieben) klassischen Tugenden. 28 ist ein „Dreieck“

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