Simone de Beauvoir und der Feminismus. Ingrid Galster
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Galster, Ingrid. 1999b. »Positionen des französischen Feminismus«. In: Hiltrud Gnüg u. Renate Möhrmann (Hrsg.), Frauen Literatur Geschichte. Schreibende Frauen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Stuttgart/Weimar, Metzler, 591 – 602; 732 – 734.
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Text eines Vortrags, den ich ab 1998 an mehreren deutschen Universitäten gehalten habe und der im Jahre 2003 in dem von Ilse Nagelschmidt hrsg. Sammelband Frauenforscherinnen stellen sich vor im Leipziger Universitätsverlag erschien. Der orale Charakter des Vortrags wurde beibehalten.
2. »Kurz vor dem Brechreiz«. Die Rezeption von Beauvoirs Anderem Geschlecht 1949 45
Wenn Das andere Geschlecht sehr schnell berühmt wurde, so hängt dies nicht zuletzt mit dem Skandal zusammen, den das Werk 1949 erregte. Genauer gesagt, war es nicht die Buchausgabe, sondern es waren einige vorveröffentlichte Kapitel, die eine Reihe von Zeitgenossen – auch Zeitgenossinnen – zum Aufschreien brachten. Schon im Sommer zuvor – von Mai bis Juli 1948 – war in der Zeitschrift Les Temps modernes, die Sartre mit Beauvoir und anderen nach der Befreiung Frankreichs von deutscher Besatzung gegründet hatte, in mehreren Folgen ein Text unter dem Titel »Die Frau und die Mythen« erschienen. Von diesem Text, der in der 2. Hälfte des 1. Buches wiederauftaucht, nahm bekanntlich das gesamte Unternehmen des Anderen Geschlechts seinen Ausgang. Auch damals muss es schon ein Echo auf diese Publikation gegeben haben, denn Beauvoir schrieb Anfang August 1948 an Nelson Algren, ihren amerikanischen Geliebten – die Briefe sind im Sommer 1999 in deutscher Übersetzung erschienen –: »Ich höre mit Freuden, dass der schon veröffentlichte Teil einige Männer zur Weißglut gebracht hat. […] Offenbar sind sie an ihrem empfindlichen Punkt getroffen worden«.46
Aber die eigentliche Lawine wurde erst im Mai 1949 losgetreten, als in derselben Zeitschrift, und zwar ab Seite 1, ein Kapitel aus dem 2. Band erschien. Titel: »Die sexuelle Initiation der Frau«. Nachdem Beauvoir im 1. Band Fakten und Mythen gegenübergestellt hat, zeichnet sie im 2. Band die für ihre Zeit typische geschlechtsspezifische Lebenschronologie nach, um zu demonstrieren, wie von der Wiege an der nach existenzialistischer Auffassung durch nichts vorherbestimmte Mensch zu dem abgerichtet wird, was die Gesellschaft unter der »Frau« versteht. Dabei spielt die Einführung in die Sexualität eine wichtige Rolle. Beauvoir beschreibt in diesem Kapitel unter anderem mit kaum zu übertreffender Genauigkeit den Koitus: schon auf der 2. Seite ist die Rede von der »Sensibilität der Vagina«, von »Zuckungen der Klitoris« und dem »männlichen Orgasmus«.
Das ist zu viel! »Wir haben literarisch die Grenzen des Widerlichen, die Grenzen zum Brechreiz erreicht«, schrieb der bekannte katholische Romancier und Intellektuelle François Mauriac am 30. Mai 1949 in der konservativen Tageszeitung Le Figaro, die vom gesamten französischen Bürgertum gelesen wurde, also von denjenigen, die man damals als »die Rechte« bezeichnete. Und er stellte folgende Frage: »Ist das von Mme Simone de Beauvoir behandelte Thema im Inhaltsverzeichnis einer seriösen philosophischen und literarischen Zeitschrift am Platze?«
Für Mauriac, der als Leitartikler das zum Ausdruck brachte, was viele dachten, hat der Text Beauvoirs, publiziert in einer Zeitschrift, die eine Vordenkerposition beanspruchte, Symptomcharakter. Er treibt nämlich das auf die Spitze, was er als Tendenz innerhalb der französischen Nachkriegsliteratur beobachtete, eine Tendenz, die er in Saint-Germain-des-Prés verortete und für die vor allem Namen wie Sartre, Henry Miller, Jean Genet, die Psychoanalyse oder der Surrealismus standen, allesamt Kürzel für entfesselte Sexualität. Beauvoirs Text gibt den Ausschlag dafür, dass er zu einer Meinungsumfrage aufruft. Er bittet die Leser und Leserinnen der jüngeren Generation, zu folgender Frage Stellung zu nehmen:
Glauben Sie, dass der systematische Rückgriff in der Literatur auf die Kräfte des Instinkts und den Schwachsinn ebenso wie die Ausbeutung der Erotik, die dieser Rückgriff begünstigt hat, eine Gefahr für das Individuum, für die Nation und für die Literatur selbst darstellen und dass bestimmte Personen und bestimmte Doktrinen dafür die Verantwortung tragen?
Die Zuschriften, die Mauriac erhielt, haben ihn nicht unbedingt glücklich machen können. In den 38 Briefen, die von Ende Juni bis Ende Juli 1949 in mehreren Folgen des Figaro littéraire abgedruckt wurden, ist im Übrigen häufiger von Sartre die Rede, dem seit der Veröffentlichung einer Novellensammlung 1939 ein solider Ruf als Pornograf vorausging: Nach vorherrschender Meinung hatte er die Schriftsteller André Gide und Marcel Proust als literarischer Sittenstrolch und Jugendverführer abgelöst. Aber selbst im Hinblick auf ihn ist der Erfolg der Umfrage eher mager. Auch das, was Mauriac für »verbale Ausschweifungen« Beauvoirs hält, reißt sehr wenige vom Hocker. In einem einzigen Brief ist von ihrer »pseudogelehrten Obszönität« die Rede. Es wird deutlich, dass die französischen Intellektuellen sich in einem Generationen-Umbruch befinden. Ein damals noch junger Autor, der später im literarischen Leben Frankreichs eine gewisse Rolle spielen sollte, bezeichnete Mauriacs Frage schlichtweg als prüde. Mauriac habe keine Ahnung von der jungen Generation, die sich mit Begeisterung ihr Leben aufbaue, ein Leben, in das Sigmund Freud oder Simone de Beauvoir hin und wieder Klarheit gebracht hätten, ohne dass es ihnen gelungen wäre, es zu beschmutzen. Eine der wenigen Frauen, die sich überhaupt zu der Meinungsumfrage äußerten – die öffentliche Debatte ist noch weitgehend Männersache –, war die Romanautorin Françoise d’Eaubonne, die im französischen Feminismus vor den siebziger Jahren aktiv werden sollte. Sie erkennt haarscharf, dass die Ursache des Skandals das christliche Sündenbewusstsein ist, das seit dem 4. Jahrhundert zunehmend mit der »Sünde des Fleisches« identifiziert wurde, und erteilt dem theologischen Terror eine Absage.
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