GegenStandpunkt 4-16. Группа авторов

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Küste für Berufspiraten unsicher machen. Dass Deutschland dabei überall als treuer Bündnispartner auftritt, heißt eben umgekehrt, dass es als dieser Bündnispartner überall auftritt.

      Es gehört zur berechnend verlogenen Tradition deutscher Außenpolitik, die offensive Ausnutzung der eigenen Bündnistreue als eine Zügelung der deutschen Macht zu deklarieren. Dabei ist Deutschlands Bündnistreue gerade die Art und Weise, wie es ökonomisch, militärisch und diplomatisch weit ‚über seine Verhältnisse‘ lebt: ein Schmarotzertum an der amerikanischen Kriegspotenz, mit dem deutsche Friedenspolitiker über alle Einflusssphären hinweg weltweiten Einfluss nehmen. Mängel, Rückschläge und Skandale bei der militärischen Ausstattung der deutschen Macht hindern deutsche Politiker nicht daran, bei jeder größeren Schlächterei auf dem Globus ihre überhaupt nicht bescheidene Meinung bezüglich der ordentlichen Handhabung staatlicher Gewalt gegen eigene und fremde Völker zum Besten zu geben und sich konstruktiv in die jeweiligen Friedens-, Verhandlungs- und sonstigen Prozesse einzubringen. Deutschland findet nichts dabei, vor der unübersehbaren amerikanischen ‚Drohkulisse‘ aufzutreten und den potenziellen Objekten der Kriegstechnik des NATO-Häuptlings deutsch geführte Verhandlungen als eine ‚friedliche Alternative‘ zu präsentieren, während es gleichzeitig den Amerikanern den von Deutschland aufgezeigten diplomatischen Pfad als effektivere Variante zur Entschärfung der Waffen ihrer Gegner anbietet. Deutschland nutzt die überwältigenden Kriegsmittel aus, die die Amerikaner so gerne vorzeigen, um seinem eigenen freundlichen diplomatischen Gesicht etwas markantere Konturen zu geben – und feiert sich dabei als die zivilisierende Macht, die die einschlägigen Konflikte für beide Seiten zum Besten regelt.

      Unter dem Niveau einer Weltmacht, die sich neben der Verfolgung ihrer Interessen als Schiedsrichter in sämtliche Affären von Geschäft und Gewalt auf dem Globus einbringt, tut es diese friedliche Macht also nicht. ‚Exportweltmeister‘, ‚ökonomischer Riese‘ hin oder her – nirgends möchte Deutschland es dabei belassen, Verträge mit anderen Staatsgewalten über die wechselseitige Benutzung von Land und Leuten zu schließen und es dabei zum einen oder anderen Streit kommen zu lassen; nirgends will es sich als eine Macht verstanden wissen, die sich damit zufrieden gibt, bloß auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein. Deutschland erklärt sich nicht nur zuständig für seine Bewohner und für den eigenen ökonomischen Erfolg, es setzt sich vielmehr für die Rechte aller Menschen, nämlich für deren Menschenrechte ein. Die außenpolitische, also wirkliche Bedeutung dieses Titels, die sehr ehrgeizige Stellung, die Deutschland damit gegenüber den über die Menschen tatsächlich verfügenden Staatsgewalten beansprucht, wird spätestens dann deutlich, wenn deutsche Minister auf Auslandsbesuch durch das ‚Ansprechen‘ der Sache mit den Menschenrechten die Frage provozieren, ob ‚wir‘ uns das überhaupt leisten können – etwa angesichts unserer Abhängigkeit von einem riesigen chinesischen Markt, von der Vertragstreue eines türkischen Machthabers, den wir als Flüchtlingsbollwerk verplant haben, oder von der ‚Stabilität‘, die wir uns von den Glanztaten eines ägyptischen Generals versprechen. Deutsche Außenpolitiker sind in der Frage äußerst souverän: Sie wissen, wann ‚Realpolitik‘ angesagt ist und unsere Werte hinter unsere Interessen zurückzutreten haben – was nur unterstreicht, wie schwer die Bürde einer solchen Verantwortung ist, wie sehr unsere Außenpolitiker gerade bei solchen Entscheidungen Anerkennung verdienen. Und zugleich wissen sie genau: Wer bei den Menschenrechten verzagt, hat sich gegenüber anderen Mächten blamiert – dann kann man als Weltmacht gleich einpacken. Und genau darauf kommt es ja an. Schwäche gegenüber anderen Staatsmächten kann sich eine europäische Führungsmacht nicht leisten.

      Spätestens dann gilt für sämtliche Führungsfiguren in Merkels Land: Ein so gutes Land – „das beste Deutschland, das wir kennen“ (Gauck) – muss mehr militärische Verantwortung übernehmen. Erst recht, wenn in der Hauptstadt des großen amerikanischen Bruders der falsche Kandidat an die Macht kommt. Wofür auch immer deutsche Bürger Mr. Trump verabscheuen mögen, für verantwortliche deutsche Außenpolitiker stellt er deswegen eine Gefahr dar, weil sie nicht so recht wissen, ob sie sich auf einen so chauvinistischen Amerikaner bei ihrem eigenen imperialistischen Auftrumpfen verlassen können. Dann reden gestandene deutsche Friedenspolitiker – deutsche Journalisten und Fachmänner schon gleich – äußerst freimütig über die amerikanische Machtgrundlage ihres Imperialismus: Man ermahnt sich selbst, ‚endlich erwachsen‘ zu werden und es sich nicht länger unter der ‚amerikanischen Käseglocke‘ gemütlich zu machen. Und man besinnt sich darauf, dass in allem Schlechten das Gute im Ansatz schon verborgen liegt: Jetzt könne sich Europa nicht länger vor der ohnehin längst notwendigen Aufgabe drücken, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen für die unwidersprechliche Ordnungsmacht, die eine friedliche Welt und der deutsche Nutzen in ihr nun einmal brauchen. Dabei kommt für Deutschland eine Beendigung seines so produktiven Schmarotzertums an der amerikanischen Macht nicht in Frage – eine derartige Verkleinerung der deutschen Potenzen wäre höchst kontraproduktiv. Um in Sachen kriegerischer Gewalt flügge zu werden, muss Deutschland vielmehr genug gewaltsame Eigenpotenz entwickeln, damit der amerikanische Hüter der Weltordnung an den deutschen Interessen in und an dieser Ordnung nicht länger vorbeikommt. Um seine Macht im großen Bündnis mit den USA entsprechend zu stärken, hat es die Macht seines kleinen europäischen Bündnisses zu stärken: mit vorsichtigen Aufrufen zur Bildung einer europäischen Armee, gepaart mit umso beherzteren Dementis, so etwas könnte irgendwie im Gegensatz zur NATO stehen.

      Gar nicht dementiert wird dabei die Notwendigkeit, der Supermacht moralisch mindestens auf Augenhöhe gegenüberzutreten, der Deutschland seinen ganzen weltpolitischen Auftritt verdankt. Wenn die Chefin von Merkels Land dem Neuen im Weißen Haus zu seinem Wahlsieg gratuliert, indem sie sich zum Hüter der Wertegemeinschaft ernennt, deren Teil auch Amerika ist, und dabei lauter Gepflogenheiten demokratischen Regierens zu Bedingungen erklärt, unter denen sie eine Zusammenarbeit durchaus begrüßen würde – dann bleibt die Chuzpe der Kanzlerin keinem Leitartikler verborgen: Unumwunden geben die Kolumnisten der Nation zu Protokoll, dass das Gerede über demokratische Höchstwerte zwischen Staatenlenkern nichts als die Anmeldung von Machtansprüchen über ihresgleichen ist. Vor allen Dingen passt Merkels Auftritt zum imperialistischen Selbstbewusstsein ihres Landes. Denn bei der gnadenlosen Ausnutzung der amerikanischen Gewaltpotenzen für ihr eigenes ökonomisches und weltpolitisches Herumfuhrwerken pflegt diese Macht überhaupt das Bewusstsein, das bessere Amerika zu sein: Wir verdanken den Amerikanern viel, wir sind als Teil ihrer Wertegemeinschaft groß geworden, also müssen wir Musterschüler auf die imperialistischen Exzesse der Cowboys aufpassen, was auch umgekehrt lehrmeisterliche Warnungen vor falschem ‚Isolationismus‘ beim allfälligen Weltordnen einschließt. Genauso wie Amerika ist Deutschland vielleicht nicht für alles, aber für alles Wesentliche auf der Welt zuständig, nämlich für alle Fragen von Geschäft und Gewalt. Doch Deutschland pflegt diese imperialistische Weltordnung friedlicher und ‚besonnener‘ (Steinmeier) – also einfach besser als die USA.

      Wer, wenn nicht dieses Land, wäre in der Lage, auch die Verantwortung für das globale Elend zu übernehmen, das derzeit Richtung Europa strömt?

      So sieht es jedenfalls die Kanzlerin. Diese mehrheitlich nach Deutschland fliehenden Figuren können bei der Ankunft noch so mitgenommen aussehen – in ihnen erblickt sie eine glänzende Spiegelung der Größe und Großartigkeit der deutschen Nation. Bei Deutschland sind die Elenden der Welt an der richtigen Adresse, zwar nicht in dem Sinne, dass alle, die hierher wollen, bleiben könnten, ja nicht einmal sehr viele von ihnen. Doch die Bewältigung des Problems, das sie mit ihrer Flucht darstellen, ist bei Deutschland in besten Händen. Dieses Problems hat sich das Land in einer Weise anzunehmen, wie es sich für eine verantwortliche Weltmacht gehört. Das erfordert zunächst das berühmte ‚freundliche Gesicht‘ gegenüber den Elendsfiguren, die es bis nach Merkels Land geschafft haben. Für eine Macht wie Deutschland ist Freundlichkeit gegenüber den Fremden allerdings viel mehr als eine Tugend, die es für sich im eigenen Land praktiziert, sondern eine weltweite Aufgabe, bei der es Führung übernimmt. Deswegen ist die Flüchtlingsfrage auch viel mehr als eine Bewährungsprobe für die moralische Qualität der Deutschen, nämlich ein Test auf die Macht ihres Staates, der

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