GegenStandpunkt 4-16. Группа авторов

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GegenStandpunkt 4-16 - Группа авторов

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länger vorbei, weil Deutschland sich dafür verantwortlich erklärt hat.

      Auch für diesen machtvollen Auftritt braucht Deutschland seine europäischen Partner, also beansprucht es sie auch mit der entsprechenden Selbstverständlichkeit. Die wären zwar nie auf die Idee gekommen, dass ausgerechnet sie die berufenen Anwälte des Elends seien, das zur globalisierten Welt gehört, schon gar nicht deswegen, weil sie die großen Profiteure davon wären. Aber vom Standpunkt der Bundesregierung ist die Auftragslage klar: Die Partner haben die Lasten der Verantwortung, die Deutschland als globale Macht auf sich nimmt, mitzutragen – daheim wie anderswo, zum Beispiel durch die finanzielle Unterstützung der außereuropäischen Partner, die Deutschland als Lager für und Bollwerk gegen Flüchtlinge vorgesehen hat. Manche ‚Flüchtlingsherkunftsländer‘ haben ihre Bürger gefälligst zurückzunehmen, die uns stören, weil sie bloß auf der Suche nach – legalen oder illegalen – Verdienstgelegenheiten sind, womöglich auch unsere Frauen gefährden, also zu viel sind; ‚instabile‘ Länder haben stabiler zu funktionieren, und in allen Fällen gilt: Wenn Deutschland sich des Problems ‚Flüchtlinge‘ annimmt, dann schreibt es seinen Partnern vor, was das Problem auch für sie bedeutet und von ihnen verlangt. Das gilt sogar für die Beteiligten eines Bürger- und Stellvertreterkriegs in Syrien: Lokalen Kräften wie übergeordneten Sponsoren mutet Deutschland die interessante Sicht auf ihren Konflikt zu, dass es den Krieg nicht zu gewinnen, sondern zu beenden gilt – um der Opfer willen, aus denen Deutschland seine Verantwortung für den Frieden ableitet. Und das heißt nichts anderes als die Zuteilung von Rechten und Pflichten an andere Staaten in der grundsätzlichsten Frage, um die es souveränen Gewaltsubjekten geht.

      So sieht Deutschlands ‚humanitäre Verantwortung‘ aus. Ihr Inhalt und Ausmaß fallen mit diesem außerordentlich anspruchsvollen Durchsetzungsprogramm zusammen – seine Bewährung dabei ist die politische Substanz der Humanität Deutschlands, die umgekehrt durch nichts relativiert wird, was die Regierung des Landes in der Flüchtlingsfrage im Namen der Humanität praktisch so alles auf den Weg bringt. In Merkels Land geht eben keine Ecke des Imperialismus ohne einen ganz großen Rechtfertigungstitel, und zwar einen, der zur Größe der Macht passt, die sich auf ihn beruft: Deutschland ist für nicht weniger als die Menschheit zuständig. Ob die Macht von Merkels Land zur Durchsetzung der Ansprüche reicht, die es an die Welt in dem Maße stellt, wie die Flüchtlinge der Welt zu ihm strömen, ist eine andere Frage. Von Zweifeln und Widerständen lässt sich die Chefin der Republik ohnehin nicht beirren. Sie denkt bekanntlich ‚die Dinge vom Ende her‘, orientiert sich also an den Ansprüchen, denen die Potenzen ihres Landes nun einmal zu entsprechen haben. Ein Land, das ein Weltproblem definiert und dafür Verantwortung übernimmt, tut es nicht unter dem Anspruch an sich selbst, in diese Rolle gefälligst hineinzuwachsen.

      Die beiden ersten Teile „Merkels Land“

      I. Der deutsche Kapitalismus

      II. Lebensstandard und sozialstaatliche Fürsorge im reichsten Land Europas

      sind in GegenStandpunkt 3-16 erschienen

      © 2016 GegenStandpunkt Verlag

      Chronik (1)

      Der Steuerstreit zwischen Apple und der EU-Kommission:

       Ein Branchenführer kämpft um sein Erfolgsmodell –

       Irland um seine ökonomische Räson in der EU –

       die EU gegen die USA um ihre Regelungskompetenz

      Die EU-Kommission geht gegen unlautere „Steuervermeidung“ vor: Zuletzt stuft sie die Steuerabsprachen zwischen Irland und Apple als illegale Staatshilfe ein und verdonnert den Konzern zu Steuernachzahlungen in Rekordhöhe von 13 Mrd. Euro. Neben Apple geraten aber auch andere ins Visier der Wettbewerbshüter in Brüssel: Starbucks soll 20 bis 30 Mio. Euro in den Niederlanden und McDonalds womöglich bis zu 500 Mio. Euro in Luxemburg nachzahlen. Und das sei erst der Anfang, teilt EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager mit: „Amazon … und andere sehr bekannte Unternehmen sind schon auf unserer Liste“ (faz.net, 19.9.16). An welche prominenten Unternehmen die EU-Kommissarin hier denkt, ist kein Geheimnis. Gerade die Vorreiter des „digitalen Zeitalters“, Facebook, Google und Microsoft, sind bekannt dafür, den Standort für ihre europäischen Dependancen nach Steuervorteilen auszusuchen und dort durch die betriebliche Organisation ihrer Finanzströme Steuern zu zahlen, deren Höhe manch ein Politiker unverschämt niedrig findet. Von daher heißt es: „Gegenwind für Steuervermeider. Für Großkonzerne, die mit der Steuer tricksen, wird es eng.“ (faz.net, 17.9.) Denn was am Streitfall Apple von der EU-Kommission exemplarisch angegriffen wird, ist ein Geschäftsmodell, mit dem insbesondere die Branchenführer des globalen Kapitalismus ihre Gewinne auf dem Weltmarkt entscheidend voranbringen.

      Apple, das teuerste Unternehmen der Welt, hat es mit der Entwicklung und Vermarktung von Betriebssystemen, Anwendungssoftware, der dazu passenden Hardware und der Verwaltung der zwei größten Handelsplattformen für digitale Güter zu einem Marktführer auf dem Gebiet der Informations- und Unterhaltungselektronik gebracht. Vom Hauptsitz im Silicon Valley aus tritt der Konzern in Konkurrenz zu anderen IT-Kapitalen weltweit und ist im Kampf um die globale Zahlungsfähigkeit sehr erfolgreich. Weil es bei der Beglückung der Menschheit mit „innovativen Produkten“ einzig darum geht, dass die sich als nützlicher Hebel dafür bewähren, Gewinne in einer Größenordnung einzustreichen, die neben den Managern vor allem auch die Eigentümer der AG zufriedenstellen, versteht sich auch Apple darauf, den ökonomischen Nutzen seines weltweiten Geschäfts durch Kosteneinsparung zu befördern. Dafür setzt der Konzern – neben altbewährten Mitteln wie dem Drücken von Abnehmerpreisen gegenüber asiatischen Zulieferern oder dem Senken der Lohnkosten durch die Umgestaltung der Arbeitsbedingungen – auf eine besondere Methode seiner Weltmarktkonkurrenz, mit der nicht nur er sich die rechtlichen Unterschiede konkurrierender Standorte zunutze macht:

      „Unternehmen haben die Möglichkeit, konzerninterne Leistungen so zu verrechnen, dass die Kosten in Ländern mit hohen Steuern anfallen und die Gewinne in Ländern mit niedrigen oder gar keinen Steuern. Dieses System erlaubt es Unternehmen, ihre Geschäfte künstlich in unendlich viele Tochtergesellschaften aufzusplitten, die als getrennte Unternehmen besteuert werden. Das gibt ihnen großen Spielraum, ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer wie Irland zu verlagern, indem sie frei erfundene Preise verwenden. Im konkreten Fall ging Irland noch einen Schritt weiter und erlaubte Apple, Gewinne auf Tochtergesellschaften zu verlagern, die im Cyberspace existieren und überhaupt keine Mitarbeiter beschäftigen.“ (sz.de, 10.9.)

      Die Art und Weise, wie Apple seine globale Gewinnproduktion rechtlich organisiert, ist bei multinationalen und vor allem Technologiekonzernen Usus. Strategien zur „Steueroptimierung“ – je nach Standpunkt auch als „Steuervermeidung“ oder „Steuerhinterziehung“ bekannt – sind ein so durchgesetzter Normalfall, dass die gängigste Variante sogar einen Eigennamen hat – das sogenannte „Double-Irish-With-a-Dutch-Sandwich“: Auf Grundlage dessen, dass in Irland Kapitalgesellschaften nur besteuert werden, wenn sie zusätzlich zu einem Handelsregistereintrag ihren Firmensitz in Irland haben, lassen sich Multis in Irland als Unternehmen registrieren, gründen aber als Eigentümer von Lizenzrechten für geistiges Eigentum eine eigene Briefkastenfirma mit Sitz in einem pazifischen Steuerparadies. Daneben existiert eine irische Tochtergesellschaft, die auf der einen Seite unternehmensweit erwirtschaftete Einnahmen aus der Nutzung von Lizenzrechten, die die Muttergesellschaft ihren eigenen Dependancen in Rechnung stellt, als ihre Einkünfte bilanziert und davon auf der anderen Seite Lizenzzahlungen an die Muttergesellschaft abführt. Die von Irland ausgehende konzerninterne Verrechnung von Gewinnen der Lizenznehmer mit den Lizenzgebühren führt zur Steuersenkung in den verschiedenen Firmendependancen. Der in der irischen Tochtergesellschaft verrechnete und zusammengefasste Gewinn des Konzerns fließt zwecks

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