100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 1. Erhard Heckmann

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100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 1 - Erhard Heckmann

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den 200.000 Tonnen „Biomasse“ die in den Golf kommt, dürfen maximal 10 Prozent gefangen werden – den „First Nations“ steht davon die Hälfte zu –, denn der Hering muss als Nahrungsträger (allein die Seelöwen fressen jährlich 6.000 Tonnen) vor Überfischung geschützt werden. So wird jedes Boot auch strengstens kontrolliert, auf Lizenz (eine lebenslange kostet 650.000 $), Fangmenge, Maschengröße und Netzart, denn Schleppnetze sind verboten. Und der Fischer, der mir das erzählt fügt an: „In unsere Gewässer kommen jährlich mehr als 150.000 Tonnen Hering – auf Comox und Nanaimo entfallen etwa 9.000 Tonnen –, aber wir importieren Rollmops aus Holland …“

      Angekündigt wird das Spektakel aber schon vorher: Durch Tausende von Möwen, Seeadler und Seelöwen, die sogar das ferne Kalifornien verlassen, um am großen Fressen teilzunehmen. Sind sie eingetroffen, dann kommen auch die Heringe und die weiße Milch der Männchen überzieht die Küstenlinie kilometerweit. Auslaufen dürfen die Fangschiffe aber erst, wenn das Startsignal nach Probefängen verkündet, dass die beiden goldgelben Reihen des Rogens, die jedes Weibchen in sich trägt, den geforderten 12 bis 14 Prozent des Fischgewichtes entsprechen. Wenn es ertönt ist die gespenstische Ruhe im Hafen sofort zu Ende und die Boote eilen unter voller Fahrt ihren Fanggründen entgegen. Größtenteils schließen sich mehrere Schiffe zu Pools zusammen und teilen den Fang, denn nicht jedes ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort und nach vier Tagen ist – bis zum nächsten Jahr – schon wieder alles vorbei.

      Schon in der Nacht sind die japanischen Spezialisten und Aufkäufer im Hafen an Bord ihrer Vertragsschiffe, um die Qualität des Fanges zu prüfen, bevor Saugrohre aktiv werden und die Fracht bis Dezember in Salzlauge eingefroren wird. Erst dann wird der Rogen entnommen, von dem jährlich etwa 2.000 Tonnen ihren Weg nach Japan finden. Bezahlt wird nach Qualität und Menge. Sieben Testreihen mit jeweils 36 Fischen, der Anzahl der Weibchen und deren durchschnittlichem Rogen-Anteil bilden dafür die Prozent-Grundlage, nach der die komplette Ladung von der Fischfabrik bezahlt wird. Und das kann bis zum Sommer dauern.

      Die Sonnenscheinküste mit der Überfahrt nach Comox hatten wir ursprünglich auch im Programm, aber wegen der sehr teuren Einwegmiete des Autos nach Port Hardy, die uns diesen Teil der Reise kurzfristig umgestalteten ließ, musste auch sie noch einige Jahre warten. Statt Horseshoe Bay wählten wir nun Tsawwassen und anstelle eines Autos den Bus. Die Fähre der Inside Passage ließ sich auch umbuchen, so dass wir keine Zeit verloren. Nur die Ausarbeitung unserer Tour für Vancouver Island brauchten wir jetzt nicht mehr. Dass sie allerdings volle zehn Jahre im Schubkasten schlummern würde, davon bin ich damals nicht ausgegangen.

      In Swartz Bay steigen wir wieder in unseren Bus und erreichen nach etwa 40 Minuten die Hauptstadt der Provinz und unser Hotel „Ocean Point Resort“. Ganz nett und kurzfristig auch das einzige, das nach unserer Routenänderung noch buchbar war. Im „eleganten Luxushotel“, wie der Polyglott bemerkt, empfanden wir aber nur den Preis als solchen: 250 $ für das Doppelzimmer.

      Die Hauptstadt der Provinz British Columbia ist von schöner Natur eingerahmt und umgeben von den Wassern der Juan de Fuca Strait, die an der Südostspitze auf die Strait of George treffen. Und sie schaut mit ihrer viktorianischen Altstadt-Architektur, roten Doppeldeckerbussen, Golfplätzen, Stränden und Buchten auf die schneebedeckte Olympic Mountain Range im benachbarten Washington. Ihr Name Victoria erinnert an eine längst vergessene Zeit, in der Pferdekutschen um den Inner Harbour ratterten, Straßenmusikanten als solche ihren Lebensunterhalt verdienten, der Afternoon-Tea im Grand Express Hotel als wichtige Tradition galt und Rosen in schönen Gärten zum Stadtbild gehörten wie vornehme Geschäfte. Wirklich verschwunden ist das alles nicht. Der Tee wird weiterhin serviert, und am Inner Harbour, dessen Bild vom ehrwürdigen Hotel, Wasserflugzeugen, Segel- und Ausflugsbooten, Blumenschmuck, Händlern und Kunstschaffenden geprägt wird, erklingt noch immer Straßenmusik. Auch die Pferdedroschken zockeln noch durch die Straßen, denn die Touristen lieben sie.

      Irgendwie reflektiert diese Stadt die Sensibilität des viktorianischen Englands und verbindet sie gleichzeitig mit den angenehmen und wichtigen Dingen der modernen Welt. Perfekte Harmonie zwischen Alt und Neu, mildes Klima, 2.000 jährliche Sonnenstunden, eine wohltuende Pazifikbrise im Sommer, schneearme Winter, zahlreiche Parks und viele Freizeitmöglichkeiten sind zusätzliche Trümpfe. Diese „City of Gardens“ im Süden von Victoria Island empfinden wir jedenfalls als bezaubernd sympathisch. Und es war auch noch zehn Jahre später unser Eindruck, als wir die Insel zwischen der Strait of George und dem Pazifik mit dem Wohnmobil bereisten und vor der Fährüberfahrt ins amerikanischen Port Angeles in Victoria erneut Station machten. Es ist eine Großstadt mit Kleinstadtflair, aus deren 80.000 Einwohnern 330.000 werden, spricht man vom Großraumbereich. Und die drei Häfen Sidney, Swartz Bay und Inner Harbour, an den sich die fußgängerfreundliche Innenstadt anlehnt und dessen Laternenpfähle seit Jahrzehnten wunderschöne Blumenkörbe tragen, gehören auch dazu.

      Und was schaut man sich an? Der hufeisenförmige Inner Harbour Walk, der sich als blumengeschmückte Promenade um diesen Hafen zieht, Sehenswürdigkeiten mit einander verbindet als auch in schmale Gassen, Straßenkaffes, Boutiquen oder Antiquitätsläden einlädt, ist ein Muss. Das den Hafen übersehende altehrwürdige Empress Hotel – ähnlich traditionell wie das berühmte „Raffles“ in Singapur – und Victorias Parlamentsgebäude verlangen nur wenige Schritte mehr. Pacific Undersea Gardens, Royal London Wax- und Maritime Museum, das im alten Gerichtsgebäude am Bastion Square untergebracht ist und auf dem Boden des ehemaligen Fort Victorias steht, Villen und historische Häuser in der Robson- und Government Street – auch eine Topadresse unter den Einkaufsvierteln – könnten weitere Ziele sein. Die China Town der Stadt verträgt ein ähnliches Etikett wie die zu Vancouver: Man kann sie sich auch „schenken“.

      Und wie so oft in Nordamerika begann auch dieser Charme mit den Aktivitäten der Hudson’s Bay Company. 1843, als an heutige Touristenströme und die Stadt noch nicht zu denken war, legte James Douglas dafür den Grundstein: Er etablierte am heutigen Bastion Square an der Südspitze der Insel den Pelzhandelsposten „Fort Victoria“. In der Nachbarschaft von Beacon Hill lässt sich heute im Royal British Columbia Museum in jene Zeit eintauchen. In die der Pioniere, Nordwestküsten-Indianer und die wechselvolle Natur- und Menschheitsgeschichte dieser Provinz, die dort von der Eiszeit bis in unsere heutigen Tage einen Bogen schlägt. Außerhalb, im knapp bemessenem Thunderbird Park, ziehen kunstvolle Totempfähle die Aufmerksamkeit auf sich, während die Spazierwege im Beacon Hill Park mit Blumen, Teichen und Steinbrücken zum Nachdenken über Gesehenes anregen und unterschiedliche Ziele ansteuern. So auch die Markierung der Meile Zero, dem westlichen Ende des Trans Canada Highways, der sich über rund 8.000 Kilometer bis nach Neufundland erstreckt. Dieser „Endpunkt“ bedarf allerdings einer kleinen Ergänzung, denn so ganz richtig ist das heute nicht mehr, weil inzwischen auch die ersten, etwa 100 Kilometer der nach Norden ziehenden „19“ ebenfalls als „1“ firmieren. Zusätzlich hatte sich schon 2010 zwischen Nanaimo und Campbell River – und einige Kilometer westlich der alten „19“ – ein autobahnähnlicher Highway etabliert, der nun als Nr. 19 fungiert, während die alte Straße mit dem Zusatz „A“ weiterhin ihren Weg an der Küste durch die Ortschaften sucht. Falls der Ausbau irgendwann auch Port Hardy erreicht, dann könnte auch das westliche Ende des TCH durchaus an die Nordspitze der Insel wandern. Ob das aber den Touristik-Managern von Victoria gefallen würde, ist doch sehr fraglich.

      Den „Marine Drive“ sollte man sich ebenfalls gönnen: Vom Beacon Hill Park verbindet die Dallas Road zum Beach Drive, und dieser in die mit Golfplätzen bestückten Villenviertel von Oak Bay und weiter in die exklusive Wohngegend von Ublands. Während hier viele gutsituierte Pensionäre ihren Lebensabend verbringen und die schönen Fernblicke auf Meer und Land genießen, gilt Oak Bay mit seinen Kunstgalerien, Pubs, Cafes, Geschäften, Restaurants und dem Willows Beach als Victorias Seaside Village. Auf dem Weg zurück empfiehlt sich noch das Craigdarroch Castle, das bei unserem Besuch aber leider schon verschlossen war. Das prunkvolle Gebäude von 1890 gilt als schönstes Viktorianisches Haus der Stadt, verfügt über 39 exquisite Zimmer, wertvolle Buntglasfenster und gehört dem Eisenbahnfürsten Robert Dunsmuir.

      Butchart

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