100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 1. Erhard Heckmann
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Das Stadtzentrum ist ziemlich kompakt und zu Fuß erkundbar, und für die etwas weiteren Ziele braucht man nicht unbedingt eine organisierte Tour. Der Verkehr ist gut organisiert, und die „Waterfront Station“ verbindet den Sea-Bus mit der Sky Train, die ihrerseits viele Busrouten verknüpft. 2000 war die Sky Train nur auf 28 Kilometern unterwegs und die „Millennium Line“ noch im Bau. Inzwischen sind beide Linien längst als eines der längsten automatischen, fahrerlosen Systeme der Welt zusammengewachsen. Als Expo- und Millenium-Lines verbinden sie Vancouvers Zentrum mit den Orten Burnaby, New Westminster und Surrey, während die Canada-Linie den International Airport und die Stadt Richmond mit der Downtown verbindet.
Das Burrard Inlet trennt die auf einer Halbinsel liegende Stadt von West- und Nord Vancouver. Zwei Brücken stellen jedoch die Verbindung her. Im Westen schwingt sich die Lions Gate Bridge, im Osten, bei Hastings, der Trans Canada hinüber. Wer zu Fuß unterwegs ist benutzt den „Sea Bus“, der in der Nähe des Canada Place’s im festen Zeitrhythmus hinüber nach Nord Vancouver ablegt. Im Westen zwängt sich die Downtown-Halbinsel mit dem Stanley Park an ihrer Nordspitze in die Bucht, und im Süden bilden English Bay und Falsh Creek „Granville Island“ heraus, das daher mitten in der Stadt liegt und über die Granville Bridge erreicht wird. Ein Stückchen weiter kreuzt die „Granville“ den „Broadway“, der in westlicher Richtung zur Universität von British Columbia führt und entgegengesetzt nach Burnaby, New Westminster und, ganz im Südosten, Surrey verbindet. Auf diesem letzten Zipfel der großen Halbinsel liegen unterhalb des Fraser-Südarmes Delta und, ganz im Westen, der Fährhafen und Grenzort Tawassen. Der Nordarm des Flusses zieht mit seinem Südufer am Ortsteil Richmond entlang und umspült vor der Mündung in den Pazifik mit seiner Gabel auch noch die kleine Insel „See-Island“, dem Standort des Internationalen Flughafens.
Auch die „99“, die über Delta den George Massey Tunnel ansteuert, Granville- und Georgia Street hinter sich lässt und die Lions Gate Bridge benutzt, um in West-Vancouver an den „Trans Canada“ anzubinden, ist als Fortsetzung der amerikanischen „Interstate 5“ international wie der Flughafen, dem sie unterwegs einen Abzweig spendiert. Zu Horseshoe Bay, wo sich auch eine Fährverbindung nach Nanaimo auf Vancouver Island anbietet, endet der TCH, während sich die „99“ durch die Küstengebirge über Whistler nach Norden schlängelt. Entgegengesetzt, von Vancouvers Fährhafen Tawassen aus, überbrückt der Tourist die Strait of Georgia nach Swartz Bay, wenn er der Hauptstadt von British Columbia – Victoria auf Vancouver Island – einen Besuch abstatten möchte. Für uns hat aber beides noch Zeit. Die „99“ nach Norden werden wir auf dieser Reise nicht bemühen, und die Fähre erst in einigen Tagen, am Ende unserer Tour durch diese gemütliche Stadt.
Sehr weit sind wir heute Morgen mit unserem ersten Stadtbummel allerdings noch nicht gekommen, aber wir hatten es auch nicht wirklich eilig. Nach einigen Schaufenstern und netten Geschäften lockte in einer Seitenstraße eine Bäckerei, die Gewünschtes auf ihrer Terrasse serviert. Hier werden wir auch in den kommenden Tagen gemütlich frühstücken, bevor der Marsch flotten Schrittes durch die Stadt oder in die Umgebung beginnt. Heute macht der Stanley Park den Anfang. Also die Georgia Street hinunter und hinüber zu dem bewaldeten 400 Hektar-Gelände, das an der Spitze der Halbinsel liegt, die auch die Downtown beherbergt. 1889 von Lord Stanley, dem damaligen Generalgouverneur eingeweiht, finden sich dort mehr als 80 Kilometer Wege und eine Uferstraße, die den Park auf zehn Kilometern umrundet und auf der Radfahrer nur entgegen des Uhrzeigers unterwegs sein dürfen, was für Scater, Jogger und Fußgänger nicht zutrifft. Echten Parkcharakter mit Kricket- und andere Spielplätze bietet aber nur der Ostteil, während im Westen mächtige Zedern und Douglasien an felsiger Küste noch immer an die ursprüngliche Vegetation erinnern.
Gleich vorn am Eingang, und unweit des wartenden Pferdegespannes, das Gäste durch den Park kutschiert, spielen ein paar schwarze Eichhörnchen, die sich von uns aber nicht stören lassen. „Lustige Kerle“, und mit einem Lächeln auf den Lippen marschieren wir weiter. Vorbei am exklusiven Yachthafen zu den Totem Pools, wo ein Indianer „in voller Montur“ von seinen Vorfahren und der Bedeutung dieser bunten Holzpfähle erzählt. Am Brockton Point an der Ostspitze, wo ein kleiner Leuchtturm um Aufmerksamkeit bittet, ist der Blick auf die Stadt eindrucksvoll und somit auch der Foto an der Reihe, der kurz danach erneut klickt, um auch die Nachbildung der Galionsfigur der „Empress of Japan“ nicht zu übergehen. Sie gehörte zur kanadischen Pazifikflotte und war einst mit Frachten nach Asien unterwegs.
Viel beeindruckender ist jedoch die 1938 eröffnete Lions Gate Bridge, die 70 Meter über dem Meeresspiegel das Burrard Inlet überbrückt und sich, wie die beiden Pylonen, die sie stabilisieren und die Fahrbahn um weitere 40 Meter überragen, hier in voller Schönheit präsentiert. Der Marsch um die Halbinsel ließe sich bis zur English Bay fortsetzen, um dort wieder zum Ausgangspunkt abzubiegen. Wir gehen im Wald nach oben zum „Prospect Point“, der uns bei strahlendem Sonnenschein mit herrlichen Blicken auf die Berge der Nordküste und die silbrig glitzernde Strait of Georgia dafür entschädigt, dass die Brücke keinen Fußgängersteg hat. Dafür haben wir jetzt aber das Gefühl, in Kanada so richtig angekommen zu sein und beginnen zu begreifen, dass wunderschöne Urlaubstage vor uns liegen müssen.
Richtig frohgelaunt stiefeln wir durch den Wald zurück zum Aquarium, das mehr als 6.000 Bewohner der Arktis, Amazoniens, der Tropen und der wilden Westküste Kanadas besiedeln. Als Attraktion gelten die weißen Belugawale und die schwarz-weiß gefärbten Orcas. Das Wort „Killerwal“ gefällt mir für diese eleganten Schwimmer aber ganz und gar nicht. Mit diesen Gedanken geht es zurück zur Straße und quer durch die Stadt, „die Granville“ entlang und vor der Brücke über den False Creek in die Hornsby Street, an deren Ende ein Wassertaxi nach Granville Island mit seinem bunter Markt übersetzt. Je zwei Dollar sind für den Katzensprung nicht billig, aber er spart viel Zeit zu Fuß, und diese besucherfreundliche Oase mitten in der Stadt im False Creek sollte man auch nicht auslassen. In renovierten Lagerhallen untergebrachte kleine Theater, Galerien, Restaurants, Künstlerstudios, Läden mit Souvenirs und Kunsthandwerk, Tauch- und Segelausrüstungen, Bootsverleih und vielen anderen Dingen lassen hier ein quirliges Durcheinander des „Public Marktes“ entstehen. In der Markthalle ist alles zu kaufen, was das Herz begehrt: So Obst, Gemüse, Fleisch, Wurst, Fisch und anderes Meeresgetier. Wer eine Pause braucht, kann auch bei Kaffee und Kuchen, Eis oder kleinen Snacks den Musikern lauschen oder einer Schar Möwen zuschauen, die sofort jedes freie Plätzchen besetzt, um das eine oder andere Krümel zu finden oder zu erbetteln. Einen Besuch wert ist dieser Markt allemal, aber nicht vergleichbar mit dem „Farmers Markt“ im australischen Melbourne. Das ist ein ganz anderes Kaliber. Die Insel als solche versprüht aber nicht nur Charm, offeriert ein buntes Publikum und freie Sicht auf den False Creek und die English Bay, sondern hat sich nach erfolgreicher Stadtsanierung auch zu einer der besten Einkaufs- und Unterhaltungsorte entwickelt.
Auf dem Rückweg steuern wir Chinatown an, um in einem gemütlichen Restaurant den Tag zu beschließen. Das Zentrum des traditionsreichen Viertels, in dem vor allem Geschäfte gemacht werden, und das mit einem rot gestrichenem Tor beginnt, prägt die Pender Street, die unweit der Gastown ihres Weges zieht. Exotische Lebensmittelgeschäfte, Imbisse, Kuriositätenstände, kleine farbenprächtige und fremdartig dekorierte Lokale, Teestuben und Straßenverkäufer tragen zum Ambiente bei. Die Schriftzeichen auf den Preisschildern exotischer Gewürze, von Fisch und Gemüse, Jadeschmuck, Porzellan oder Rattanmöbeln sind nicht lesbar, und das Englisch vieler Chinesen ist gewöhnungsbedürftig. Fazit zur drittgrößten Chinatown der USA? Wer sie aus Zeitgründen nicht besuchen kann, verpasst nicht viel, und wer San Francisco oder gar Singapur oder Hongkong kennt, kann sie sich getrost schenken. Unsere Meeresfrüchte im Restaurant waren allerdings ganz ausgezeichnet.
Der Heimweg führt uns zum Robson Square, wo es zwischen begrünten Terrassen und unterirdischen Einkaufspassagen über drei Straßenzüge trotz des späten Abends – oder gerade deswegen – noch äußerst lebendig zugeht, und die Straßenkneipen, Cafés, Restaurants und Bänke gut besetzt sind. Hier schlägt einmal mehr das Herz dieser Stadt. Die Flaniermeile Robson Street mit Designer-Boutiquen, dem berühmten Kaufhaus „The Bay“ und internationalen Geschäftsadressen oder dem Einkaufszentrum