100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 1. Erhard Heckmann

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100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 1 - Erhard Heckmann

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selbst sollten wir noch zehn lange Jahre warten müssen. Und wie das ausging, war bereits zu lesen. Erwähnt sei noch, dass der Name von der Telegraphenstation kam, die vor dem 1. Weltkrieg hier etabliert worden war, und deren Kabel sich entlang der rauen Küstenlinie von Baum zu Baum schwangen. Danach kam Alfred Wastell. Zusammen mit japanischen Investoren errichtete er eine „Chum-Salmon Saltery“ und ein Sägewerk, um die haltbar gemachten Lachse auch verschicken zu können. Dann baute er Post, Schule und weitere Gebäude, von denen einige, restauriert, in unsere Tage überlebten, während Killerwhale Cafe und Old Saltery Pub neuere Errungenschaften sind und dem Tourismus dienen. Für diesen sorgen Wale, Grizzlys und die Firmen Stubs Island Whale Watching und Howard-Tide Rip Tours. Während etwa 16 Schulen mit über 2.000 Orcas, die nach dem Mythos der Indianer die Seelen der Ahnen durch die Unterwelt tragen und somit größte Hochachtung genießen, ab Ende Juni Stubs beschäftigen, hat sich das andere Unternehmen mit Zwanzigmeter-Booten auf die Bären im Knight Inlet auf der Festlandseite spezialisiert. Und sofern man nicht mit dem Wasserflugzeug ab Vancouver oder Campbell River einen Direktflug zur Knight Inlet Lodge bevorzugt, die 60 Kilometer von der Bucht entfernt zu „Glendale Cove“ im Inneren liegt, und eine Bootstour wählt, sind durchaus auch Wale und Seeadler inbegriffen. Die Lodge selbst, die am 25.9.2012 abbrannte und im Frühjahr 2013 neu eröffnet wurde, bietet ihrerseits auch Wal-, Regenwald- und See-Kajaktouren an. Und was die Bären angeht: Im Umkreis von rund fünf Meilen leben etwa fünfzig Bären, denen mehr als drei Kilometer Laichgewässer zur Verfügung stehen. Im Mai und Juni ist die Zeit der „Cubs“, die ihr erstes Frühjahr an der Seite ihrer Mütter erleben, die Hochsaison ist der Herbst, denn dann kommen die Lachse. Zwischendurch ziehen sich die Grizzlys verstärkt in den Wald zurück. Der Zug der Fische ist vom Vollmond abhängig, doch zieht der „Pink“ in der Regel am 5. oder 15., seltener am 28. August in die Bucht ein. Anfang Oktober sind die meisten Touristen längst wieder zu Hause, aber die „Bärenzeit“ hält noch immer an. Im letzten Drittel des Monats, wenn das Wetter wieder schlechter wird, sollte man aber wieder auf dem Heimweg sein. Auf eigenen Rädern lässt sich das Night Inlet nicht erreichen, und der Klinaklini River, der sich kurz vor seiner Einmündung ins Inlet von den Kunaklini und Franklin Gletschern in drei bis viertausend Meter Höhe flankiert sieht, wäre nur für routinierte „Kajaker“ eine Möglichkeit. Die mit Abstand beste Adresse für Bären heißt aber Homer, und das liegt etwa fünf Autostunden südlich von Anchorage in Alaska.

      Unser Bus hat zwischenzeitlich auch in Port McNeill noch ein paar Passagiere aufgenommen, dessen Grundstein 1937 die Pioneer Timberland Company legte, den Namen jedoch Käpt’n William McNeill spendierte, der 1825 an diese Küste gekommen war und zehn Jahre später das Hudson’s Bay Company-Schiff „Beaver“ kommandierte. Wenig später sind wir am Ziel, die „Nummer 19“ ist zu Ende und Port Hardy erreicht. Unser aus Holz gebautes Hotel „North Shore Inn“ liegt in Meeresnähe, hat Gasthofcharakter und ist innen um einige Klassen besser als von außen. Die Formalitäten beschränken sich auf ein „Welcome“ und kurz später stiefeln wir los, um den 5.000-Einwohner-Ort zu erkunden. Die Beschreibung im Reiseführer ist zwar nicht aufregend, aber abmarschieren muss man ihn schon.

      Das Wichtigste ist hier ohnehin das B.C.-Ferries-Terminal, das nicht nur für die neuere Discovery Passage verantwortlich ist, sondern ganz besonders für die großen und komfortablen Autofähren der Inside Passage. Das ist ein weltberühmter Seeweg durch das Labyrinth von Fjorden und Inseln entlang der vergletscherten Pazifikküste von British Columbia bis hinauf nach Prince Ruppert, wo die Provinzgrenze endet, Anschluss zu den Queen Charlotte Islands besteht und die Seeroute vom Alaska Marine Highway System übernommen wird, um sie bis nach Skagway fortzuführen. Benannt ist der Fischerort nach dem Vice-Admiral Sir Thomas Masterman Hardy, der einst als Kapitän der H.M.S. Victory den sterbenden Lord Nelson beim Kampf um Trafalgar in seinen Armen hielt. Dennoch begrüßt hier keine Seemannsstatue die Besucher, sondern eine Holzplastik mit Bär und Fisch. Historisch gewachsen sind hier „Fishing, Logging und Mining“, und die Neuzeit hat moderne Hotels, Geschäfte, Krankenhaus, Flug- und Golfplatz, als auch die Fähren hinzugefügt.

      Menschen betraten diese Gegend schon vor 9.000 Jahren, während man bereits das Jahr 1849 schrieb, als die ersten Weißen ihren Fuß in diese natürliche Isolierung setzten und später hier siedelten. Zu diesen Unerschrockenen zählten auch Alec und Sarah Lyon. Sie eröffneten zwar schon 1904 an der Ostseite der Hardy Bay einen Laden mit Poststelle, doch zählte man zehn Jahre später, neben Sägewerk, Kirche, Schule und Hotel, erst ganze 12 Familien, die sich zu ihnen gesellt hatten. Und es sollte zwei weitere dauern, bis ein 15 Kilometer langer Pfad durch die Wildnis geschlagen, und die Verbindung nach Coal Harbour hergestellt war.

      An diese harten und vergangenen Zeiten erinnert inzwischen nur noch wenig, aber auf unserem Rundgang steht es dennoch: „Fort Ruppert“ und das, was vom Kwakiutl-Dorf Tsaxis übrig blieb. Der 1849 am Beaver Harbour auf dem Territorium dieser Indianer errichtete Pelzhandelsposten der Hudsons Bay Company ist nur noch durch den Schornstein präsent, während vom Dorf, das sich einst zu beiden Seiten des Forts ausbreitete, das Big House, der alte Friedhof und die Kirche die Hauptakteure sind. Historisch gesehen geht das „Village“ auf die Kwakiutl-Indianer zurück, doch verwendeten die Weißen diesen Begriff damals für alle Stämme, die Kwakwaka sprachen und die sich in ihrer Gesamtheit als Kwakwaka’wakw bezeichnen. Heute gilt Kwakiutl nur noch für die Indianer, die im Dorf von Fort Ruppert lebten, während alle anderen dieser Sprachgemeinschaft eigene Namen und Dörfer haben. Im Big House begeistern sehr schöne Schnitzereien, und „Girl and Fire“ und die Raven-Maske, die zusätzlich mit der geschnitzten Hand des Künstlers verziert ist, haben mir am besten gefallen. In der alten Kirche sind es die mit Engel verzierten Fenster, und am Grabe einer Jägerfamilie die großen Burial Totems, die nachdenklich stimmen. Vieles ist auf dem Friedhof aber längst von Bäumen verdeckt, so auch ein altes Eagle Burrial Totem, das ich zwischen ihnen entdeckte.

      Mit diesem Besuch in der Vergangenheit neigt sich auch unser Stadtbummel seinem Ende entgegen. Ein paar Minuten widmen wir noch einem Seeadler-Paar, das sich auf einer gewaltigen Fichte eingerichtet hat, und schauen noch kurz einem Schnitzer zu, wie unter dessen Händen ein eleganter Orca Fortschritte macht. Danach geht es am Meer entlang „heimwärts“ und direkt in unser Hotel-Restaurant, das sich völlig unerwartet als Volltreffer entpuppte. Im Mittelpunkt der 50 Dollar-Angelegenheit standen zwei Riesenportionen gegrillter köstlicher Hummergrabbenschwänze, die Sabine dazu veranlassten, den Küchenchef nach „seinem Geheimnis“ zu fragen. Der Mann, adrett gekleidet, schmunzelt über die Anerkennung und meint: „Es gibt keins, die Qualität besteht in der absoluten Frische und dem Fangort“. Wir füllen die Gläser noch einmal nach, laden den „Boss“ dazu ein und stoßen auf ihn und darauf an, dass morgen ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gehen wird, die „Inside Passage“.

      Zehn Jahre später waren wir wieder in Port Hardy, und von der Regenfahrt, die in Bella Coola begann, habe ich schon erzählt. Vom anderen Ende, das wir erstmals 2002 und danach noch zwei weitere Male erlebten, von David, Joyce und Patrick, Richard, Escort, Georgia, Mary, Peggy, Luke, Joe und Willy, von „meinem“ Pass, dem Sulfor Canyon und all den vielen anderen Dingen, die uns noch begegnen sollten, wird später noch die Rede sein, wie auch von der verrücktesten Idee, die an einem Morgen beim Frühstück geboren und sofort umgesetzt wurde. Doch jetzt schreiben wir erst das Jahr 2000 …

      Die Pazifikküste von British Columbia wird von stark vergletscherten Küstengebirgen beherrscht, die vor 30 Millionen Jahren durch Kontinentalverschiebungen aufgetürmt wurden. Mit dieser, überwiegend aus Granit bestehenden Bergkette, wurden auch all die Fjorde, Inseln und Buchten erschaffen, deren gesamte Küstenlänge – müsste man sie zwischen Vancouver und Prince Ruppert ausfahren – sich auf etwa 20.000 Kilometer und damit auf das 25-fache der Luftlinie summieren würde. In dieses Gewirr mit Bergen und dichten Urwälder führt auch keine Straße, aber eine weltberühmte Schiffsroute. Und genau diese ist es, auf die ich mich unglaublich freue, als ich nach einem schönen, aber anstrengendem Tag in Port Hardy mein Reiseroutenbuch aus der Hand lege und mir die Bettdecke im North Shore Inn über den Kopf ziehe.

      Die Inside Passage

      Vor

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