100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 1. Erhard Heckmann
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Die Schiffe der BC Ferries und des Alaska Marine Highway Systems sind hier entlang einer Küstenlinie unterwegs, die man wahrscheinlich als die schönste der Welt bezeichnen kann. Auch wenn man weiß, dass sich die Postschiffe Norwegens ebenfalls in gigantischer Natur bewegen. Auf dem Neuen Kontinent ist jedoch alles eine Dimension gewaltiger. Hier wie dort kommen die Menschen aus aller Herren Länder und das Panorama erfüllt Tagesträume, ohne Internet und Fernsehen. Die Schiffe ziehen ihren Weg von den Regenwäldern des nördlichen British Columbias durch Südost-Alaska zu Gletschern und Fjorden des Prince William Sounds, und bis hin zu den Vulkanen der Aleuten. Sie sind durch stürmische, graue See unterwegs wie durch kristallklare, ruhige und geschützte Gewässer, in denen sich Wale und andere Meeressäuger tummeln. Und sie navigieren auch im Schritttempo durch schmale, gefährliche „Narrows“, die dem Kapitän und seiner Mannschaft alles abverlangen.
Das 1948 gegründete Alaska Marine Highway System, die „blauen Taxis Alaskas“, bedienen etwa 6.000 Kilometer etablierte Routen und erreichen dabei das südlichen Bellingham im Bundesstaat Washington, wie im äußersten Westen Dutch Harbor auf Unalaska. Die 1960 mit zwei Schiffen gestarteten BC Ferries steuern im 21 Jahrhundert mit etwa 40 Schiffen fast 50 Destinationen an und transportieren pro Jahr mehr als 21 Millionen Passagiere und 8,5 Millionen Fahrzeuge, wobei ihre größten Fähren 2.100 Reisende und 470 Fahrzeuge aufnehmen können. Und wie in Alaska, so schaffen auch kanadische Fähren nicht nur „Verbindungen“, sondern sind auch unterwegs um entlegene Orte zu versorgen, zu denen keine Straßen führen. Die Königsdisziplin ist aber auch hier das Zauberwort, das elektrisiert, die Inside Passage.
Unterwegs, gleich ob Luxusliner oder Fähre, werden verschiedene Häfen angelaufen und die Endstation heißt Skagway. An einigen Tagen im Monat weicht die M/V Kennicott jedoch vom Hauptkurs ab und kreuzt den Golf von Alaska, um Valdez und Seward anzusteuern, wo sich, wie zu Whittier, Eisenbahn und Straße anbieten. Andere Fähren verbinden auch Valdez, mit Cordova und Whittier. Auf der Kenai-Halbinsel, zu Homer und Seward, starten weitere nach Kodiak Island und von dort zu den Aleuten.
Das Konzept des Alaska-Fährsystem besteht aus drei Komponenten, die sich untereinander verbinden und ergänzen. Die Schiffe der Hauptroute verkehren zwischen dem amerikanischen Bellingham und Alaskas Skagway, wobei das von den Russen an der Westküste Alaskas gegründete Sitka nur an bestimmten Tagen einbezogen wird. Als Zubringer zu jener sind von Juni bis September die Fähren des Southeast- und Südzentral-Südwestsystem unterwegs. Ersteres steuert kleinere Ortschaften als auch die Hauptroutenhäfen Ketchigan, Wrangell, Petersburg und, über Kake, Sitka an, während die Südzentral-Südwest-Fähren im Prince Williams Sound und dem Golf von Alaska kreuzen und Seward, Whittier, Homer und Valdez bedienen. Auch von einigen Häfen an der Hauptroute gibt es Querverbindungen. Hollis (Prince of Wales Island) und Metlakata (Annette Island) sind ab Ketchigan erreichbar, und ab Juneau auch Pelican, Hoonah, Angoon, Kake oder Tenakee. Wie aber fast überall in Alaska bieten sich auch in dieser Gegend Wasserflugzeuge oder Charterboote an, um beispielsweise Admiralty Island (Bärenbeobachtungen) oder Gustavus und den Glacier Bay National Park zu erreichen. Straßenanschluss findet sich jedoch nur in zwei Alaska-Häfen, Haines und Skagway. Beide Straßen, der „Haines Cut-Off“ und der „Klondike“ führen auch zum berühmten Alaska Highway, und damit nicht nur in diesen amerikanischen Bundesstaat, sondern auch in den Yukon, die Northwest Territories, nach British Columbia und Alberta. Die Fähre gegen Asphalt tauschen lässt sich auch schon in Prince Ruppert, wo der Yellowhead Highway Richtung Rocky Mountains startet und der „Cassiar“ zum nördlichen Watson Lake am Alaska Highway zieht. Aber auch diejenigen Touristen, die diese Anschlüsse auf dem Festland gar nicht suchen sind hervorragend unterwegs, mit dem Schiff und all den vielen Urlaubszielen, die diese Fähren ansteuern. Auch für das BC Ferries System, das an den Küsten und zu vielen Inseln unterwegs ist, gilt als populärste Tour die auf der Inside Passage, von Port Hardy nach Prince Ruppert. Hier finden ihre Gäste den Anschluss an die Fähren nach Alaska, rollen von Bord oder wählen die Achtstundentour nach Skidegate auf den Queen Charlotte Islands, der Heimat der Haida-Indianer.
An nächsten Morgen steht der Shuttle Bus kurz nach 5 Uhr vor der Hoteltür. Fünfzehn Minuten später checken wir ein, und nach weiteren sechzig lichtet die Fähre ihren Anker. Die ersten fünfzehn Stunden der Inside Passage liegen nun endlich vor uns. Und was schrieb Sabine dazu in ihr Tagebuch?
„Noch immer hatten wir unsere zwei schweren Koffer, und jeder eine große Umhängetasche im Schlepptau. Wer im Auto auf die Fähre fuhr, hatte es natürlich bequemer. Wir schleppten und zogen dagegen alles hinter uns her. Erhard wuchtete die Lasten über enge Treppen nach oben bis ins Kabinendeck. Dann wurde ich in einer Ecke mit all der Bagage abgestellt, denn Erhard musste die Kofferschließfächer finden und von wenigstens zwei die Schlüssel abziehen, damit wir heute lastenfrei wurden. Er hatte darüber gelesen und wusste vom Prospekt, dass sie direkt am Treppenaufgang von den Autos kommend auf Deck fünf zu finden waren. 24 Stunden pro Fach für einen Dollar. Das war doch eine preiswerte Lösung. Kabinen gibt es natürlich auch, aber tagsüber wäre das überflüssig. Zehn Minuten später war er wieder da. Die großen Hartschalenkoffer passten haarscharf, und somit war es gut, dass er von allen drei noch freien Fächern die Schlüssel abgezogen hatte, um auch die schweren Taschen unterzubringen. In Prince Ruppert wiederholte sich die Prozedur. Nur, dort ging es um die Kabinenschlüssel. Wer am schnellsten ist, hat seine Bleibe zu erst. Auf alle Fälle gehörten wir auch dort zur Abteilung „Attacke“, denn irgendwie steckt das in uns. Und nach einem schnellen Check – Betten, WC, Dusche und Strom OK, Bullauge wasserdicht – ging die Erkundung sofort weiter. Bar (wichtig), Sicherheitsboote – wo und reichen sie aus –, Notausgänge, wie zu öffnen, und welche Pfeife pfeift wie viele Pfeiftöne, ehe man springen muss? So etwas weiß ich in kürzester Zeit, egal wo ich bin. Ein Auge und ein Ohr sind immer nach hinten gerichtet. Erst danach kommt alles andere. Jedenfalls wurde es eine gigantische Dreitagesfahrt in einer Landschaft aus Wald, Bergen mit Schneegipfeln, Gletschern und Inseln. Mit Sonne und Regen. Rechts und links Blicke der Superlative. Ein stilles Wasser, Wale. Ruhe und Frieden. Wir haben gefilmt, fotografiert, gestaunt und genossen. Allerdings rückte auch der Norden näher und die Kälte wurde spürbar. Eisschollen zogen vorüber, und beim Filmen froren mir am eiskalten Metall die Hände ein. Der Fahrtwind schnitt eisig, und ich dachte an Afrikas Sonne. Ab und an gab es einen heißen Tee. Auch alle Eitelkeiten flogen über Bord. Ich zog zwei Pullover unter die Windjacke, denn drinnen sitzen in der warmen Ecke ist bei dieser Landschaft keinesfalls eine Lösung. Man muss draußen stehen, um nichts zu verpassen. Und so sammelte ich auch erste Eindrücke von Alaskas Kälte und mochte derzeit an die vor mir liegenden Wochen nur mit Gänsehaut denken …“
Nun, es war zwar hin und wieder kalt. Direkt an den Gletschern auch saukalt. Regen gab es auch, und nicht nur entlang dieser Küstengebirge. Insgesamt war es aber einfach nur großartig. Am ersten Tag strahlte sogar die Sonne, und später hatten wir unser Wohnmobil, dessen Heizung morgendliche Frische auch an den kühlsten Tagen nichts anhaben konnte. Momentan aber ist Alaska noch weit und somit Zeit, nach der Ausfahrt von Port Hardy und dem Frühstück das Schiff zu erkunden. Danach stehen wir an der Reling und sind gespannt, was wir alles sehen werden. Ich hatte zwar auch gelesen, dass diese Fahrt nicht selten von Nebel und Regen beherrscht wird, doch heute ist es ein strahlender Samstagmorgen der hielt, was er versprach. Und vielleicht