Der Schatz der Kürassiere. Herbert Schoenenborn

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Der Schatz der Kürassiere - Herbert Schoenenborn

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      „Sie ist wahrscheinlich in deutsche Hände gefallen“, antwortete Grau betreten.

      „Das vermute ich auch. Als ich von Antoine erfuhr, dass meine Leute bei ihrer Ankunft keine Kiste bei sich hatten, musste ich unverzüglich Monsieur Grau und Monsieur Muller darüber informieren. Ich habe sie gebeten nach hier zu kommen, um zu beratschlagen, was nun zu tun ist und habe dies gleichzeitig mit einer Einladung zum Abendessen verbunden. Wir sollten jetzt das Essen nicht kalt werden lassen, deshalb schlage ich vor, uns zum Diner zu begeben. Ich bin einmal gespannt, was uns Denise zubereitet hat.“ Richard Fréchencourt öffnete eine Flügeltüre und bat seine Gäste einzutreten.

      Das so genannte kleine Esszimmer war perfekt für das Diner hergerichtet. Den ovalen Tisch bedeckte ein schneeweißes Damasttischtuch. Darauf waren kostbares Porzellan, geschliffene Gläser und silbernes Besteck für sechs Personen geschmackvoll angeordnet. Kleine Blumenbouquets und zwei silberne dreiarmige Kerzenleuchter rundeten die Tischdekoration ab. Auf einem Büffet aus Nussbaumwurzel standen Karaffen mit erlesenen französischen Weinen. Die Kerzen der Tisch- und Wandleuchter tauchten den Raum in ein dezentes Licht.

      Philippe reichte den Aperitif. Richard Fréchencourt erklärte den Anwesenden, warum anders als sonst üblich, an diesem Abend keine Bediensteten anwesend waren.

      „Was hier gesprochen wird, muss unter uns bleiben. Wir haben Denise, unsere Köchin, gebeten, ausnahmsweise auch zu servieren.“ An Muller und Grau gewandt ergänzte er:

      „Denise ist seit fast zwanzig Jahren bei uns und gehört zur Familie. Im Übrigen werden sie und Philippe in Kürze heiraten.“

      Nachdem alle einen mehr oder weniger großen Schluck des Orangenweins zu sich genommen hatten, bat Richard Fréchencourt, Platz zu nehmen. Er selbst setzte sich als Gastgeber ans obere Tischende, rechts von ihm hatten Grau, Muller und Philippe Platz genommen, ihnen gegenüber saßen Madame Fréchencourt und Ouvrard.

      Kurz nachdem alle ihre Plätze eingenommen hatten, erschien Denise in der Verbindungstür zwischen Esszimmer und Küche und begrüßte die Anwesenden mit einem bezaubernden Lächeln.

      „Kann ich jetzt servieren?“ Der Gastgeber nickte.

      „Ja, bitte Denise, ich kann den Essensduft aus der Küche kaum noch ertragen!“ Denise war es tatsächlich gelungen, mit Hilfe von Marie in der kurzen Zeit ein Sechsgänge-Menü zu bereiten.

      Zum Entrée gab es Crudités variés, das waren für jeden sechs kleine Schüsseln mit unterschiedlichen Gemüsesorten und Salbeisalzgebäck. Dann das Hors d’oeuvre. Es bestand aus gemischtem grünen Salat mit Roquefort und Walnüssen. Als dritten Gang servierte Denise eine Lauchcremesuppe mit Räucherlachs. Die Krönung des Abendessens war das Hauptgericht, bestehend aus Rinderfilet in Estragonsauce, Buttererbsen, zarten grünen Bohnen und Karottengratin. Als Dessert verzauberte ein Fondant au chocolat die Gaumen, und die obligatorische Käseplatte rundete das Diner ab.

      „Liebe Denise, was Sie uns zubereitet haben, war wieder einmal ausgesprochen köstlich“, ließ sich Richard Fréchencourt zufrieden vernehmen und löste damit allgemeine Zustimmung aus, insbesondere bei Grau und Muller.

      Denise, die um ihre außergewöhnlichen Kochkünste wusste, hatte, selbstbewusst wie sie war, eigentlich nichts anderes als Lob erwartet. Dennoch freute sie sich, dass es allen geschmeckt hatte.

      Nachdem der Tisch, bis auf Wein und Käse, abgeräumt war, bat Madame Fréchencourt Denise, sich zu ihnen zu setzen, um sich die Geschehnisse der letzten Wochen und Tage schildern zu lassen.

      Den Anfang machte Grau. Er begann seine Schilderung mit dem Eingang von Gerard Fréchencourts Brief im Kriegsministerium, von der daraus resultierenden Hektik und seiner und Mullers Odyssee von Paris nach Metz.

      Danach übernahm Richard Fréchencourt das Wort. Er erzählte, wie er zusammen mit Philippe die Kiste aus dem Tresor genommen, deren Inhalt inspiziert und sie auf den Weg nach Paris gebracht hatte. Dann bat er Philippe weiter zu erzählen.

      Philippe begann seine Erzählung mit der Ankunft Graus und Mullers in der Rue des Jardins und berichtete über ihre Erlebnisse im Fort Plappeville. Als er erstmals den Ballon erwähnte, schauten Madame Fréchencourt und Antoine Ouvrard ungläubig in die Runde. Philippe beendete seinen Bericht mit dem Start des Ballons im Fort Plappeville.

      „Wer kann besser über eine Ballonfahrt berichten, als der Ballonführer selbst“, sagte er und übergab das Wort an Muller.

      „Da ich annehme, dass außer uns vier keiner von Ihnen mit einem Ballon gefahren ist, und Ihnen daher einiges unbekannt sein dürfte, werde ich bei meiner Schilderung anfangs ein wenig ins Detail gehen und auch einige Besonderheiten nicht unerwähnt lassen, wobei es mir selbstverständlich fern liegt, Sie belehren zu wollen.“ Muller räusperte sich und begann mit seiner Schilderung:

      „Leider ist ein Ballon nicht steuerbar, denn die Fahrtrichtung und die Geschwindigkeit bestimmt einzig und allein der Wind. Wir hatten Glück, denn dieser wehte aus nord-östlicher Richtung und damit von Metz aus in die ungefähre Richtung Paris. Im Schutze der Dunkelheit und der tiefhängenden Wolkendecke hatten wir schnell eine sichere Höhe von fast dreitausend Fuß erreicht, das sind ungefähr eintausend Höhenmeter, und damit die kritischste Phase unseres Flugs hinter uns gebracht. Gott sei Dank war unser Start von den Deutschen nicht bemerkt worden. Obwohl die Windgeschwindigkeit achtundzwanzig Knoten betrug, das sind ungefähr fünfzig Kilometer die Stunde, war es im Korb absolut windstill, denn ein Ballon fährt mit dem Wind, das heißt, er wird vom Wind geschoben und ist daher nicht schneller oder langsamer als die ihn umgebende Luft. Würde man zum Beispiel im Ballon während der Fahrt ein Zündholz anzünden, so würde die Flamme vollkommen ruhig niederbrennen.

      Alors, seit dem Start beobachtete ich konzentriert den Höhenmesser, als mir irgendwann auffiel, dass sich die Nadel, die normalerweise immer ein wenig nach rechts und links ausschlägt, nicht mehr bewegte. Sie hing fest. Alles Schütteln des Höhenmessers und Klopfen auf seine Glasscheibe halfen nichts. Meine Beschäftigung mit dem Höhenmesser hätte unserer Reise fast ein jähes Ende bereitet.

      ‚Da unten sind Feuer!’, unterbrach Richard die Stille. Ich schreckte hoch und was ich sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Es war das Flackern hunderter Wachfeuer. Plötzlich und unerwartet und von mir nicht bemerkt, befanden wir uns in einer Wolkenlücke. Und wie wir unschwer erkennen konnten, hatten wir außerdem auch noch erheblich an Höhe verloren. Unser Höhenmesser hatte uns in der kritischsten Phase unserer Fahrt einfach im Stich gelassen. Er zeigte nach wie vor eine Höhe von dreitausend Fuß an. Ausgerechnet über den deutschen Linien trafen mehrere unglückliche Umstände zusammen. Wir mussten uns für die Deutschen wie eine überdimensionale Zielscheibe gegen den Himmel abgehoben haben und das Schlimmste – wir waren in Schussweite.

      Es dauerte auch nicht lange, da wurden wir von den deutschen Wachposten bemerkt. Sofort wurde das Feuer auf uns eröffnet. Die Kugeln verfehlten uns Gott sei Dank, einige nur um Haaresbreite, bis auf diese eine hier!" Muller lehnte sich zurück und kramte ein Schächtelchen aus seiner Jackentasche.

      „Die hier steckte im Ballonkorb.“ Muller hielt ein Geschoss zwischen Daumen und Zeigefinger. „Mein Glücksbringer“, ergänzte er. Übertrieben sorgfältig steckte er die Kugel wieder ein. „Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Pierre hatte schon reagiert und Ballast abgeworfen, so dass wir wieder merklich an Höhe gewannen. Aber die Deutschen hatten noch nicht aufgegeben. Wir sahen, wie sich einige Soldaten auf ihre Pferde schwangen und versuchten uns zu verfolgen. Und plötzlich, wie von Gott gesandt, war sie wieder da, die undurchdringliche Wolkendecke. Wir waren wieder mittendrin und damit gerettet. Und paradoxerweise funktionierte der Höhenmesser wieder.“

      „Ja,

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