Kālī Kaula. Jan Fries
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Es gibt mehrere unterschiedliche Bewegungen unter den Śāktas, aber die meisten von ihnen erklären eine Göttin oder eine Gruppe von Göttinnen zum Tor zur Erfahrung des Brahman. Die extremeren Gruppen erklären sogar, dass Brahman ein Ausdruck von Śakti ist, und lehren, dass die Polarität von Śiva/Śakti in Wirklichkeit eine Einheit ist, welche Śakti ist. Man sollte meinen, dass solche Verehrer stets eine hohe Meinung von Frauen haben, aber das ist leider nicht immer der Fall. Es ist eine Sache, eine Göttin zu verehren, und eine andere, die kleine Hausfrau gut zu behandeln. Selbst das massivste Werk der Śākta-Ideologie, das DBh (1, 5), enthält eine böse kleine Episode, in der die Göttin Lakṣmī erklärt, dass die natürlichen Qualitäten der Frauen Falschheit, Unverschämtheit, Listigkeit, Dummheit, Ungeduld, übermäßige Gier, Unreinheit und Härte sind. Ganz im Gegensatz zu hunderten von Seiten, die die absolute Überlegenheit der Göttinnen feiern! Sexismus ist auch im allerletzten Kapitel des Werkes zu beobachten (DBh 12, 16), wo wir erfahren, dass zu Navarātrī (dem mehrtägigen Durgā-Fest) alle dieses Buch lesen können, egal welche Klasse oder welche Göttin man als persönliche Gottheit verehrt. Aber: Niemals soll eine Frau oder ein Śūdra dies selbst lesen, nicht einmal aus Unwissenheit, sondern sie sollen es aus dem Mund eines Brahmanen hören. Sehr bedenklich, vor allem, weil der Brahmane alles weglässt, was ihm nicht gefällt und für den Job bezahlt werden will. Ein Śākta zu sein, bedeutet also, dass eine Göttin verehrt wird, aber das impliziert nicht immer, dass Frauen wirklich Rechte haben. Die Existenz mächtiger Göttinnen sagt nichts über die Freiheit lebender Frauen. Denk nur an das antike Griechenland. Athena, die Göttin des Krieges, der Handwerke und der Weisheit (eine schwierige Mischung) wurde von vielen respektablen Männern verehrt. Die ganze Stadt Athen war ihr geweiht. Trotzdem hatten die Frauen von Athen kaum nennenswerte Rechte. Sie durften das Haus nicht ohne männliche Begleitung verlassen, sie mussten in der Öffentlichkeit dichte Schleier tragen, konnten kein Eigentum haben und wurden allgemein mit Geringschätzung behandelt. Die meisten von ihnen wuchsen ohne Bildung auf, und der einzige Respekt, den sie erhielten, war der für Fruchtbarkeit. Die einzigen Frauen, die in der klassischen griechischen Gesellschaft in Ehren gehalten wurden, waren die bessere Art von Prostituierten, die oft in den Künsten bewandert waren, gelehrt in Literatur und fähig zu gehobenen Gesprächen über Themen aller Art. Die respektable griechische Hausfrau hatte weniger Rechte als die meisten Frauen in der antiken Welt. Warum sind eigentlich so viele Menschen der Meinung, die Griechen hätten die Grundlagen der europäischen Kultur entwickelt? Germanische und keltische Frauen hatten es jedenfalls besser. Nur ein paar hundert Kilometer entfernt, im alten Rom dagegen, wo Athena als Minerva verehrt wurde, besaßen Frauen Eigentum, machten Geschäfte und übten Berufe aus, gingen, wohin sie wollten, verehrten jeden Gott ihrer Wahl, und konnten sich von ihren Männern scheiden lassen, wenn sie wollten. Manche reiche Frau machte sich einen Spaß daraus, jedes Jahr neu zu heiraten. Solche Gebräuche waren den frühen Christen zutiefst zuwider; ein Grund mehr, warum christliche Geschichtsschreiber die römische Gesellschaft als ‚dekadent‘ verdammten. Wenn wir also an die Śāktas denken, sollten wir im Sinne behalten, dass dies ein allgemeiner Begriff für einen großen Bereich von religiösen Ansichten ist, die im gesellschaftlichen Leben ausgesprochen unterschiedlich ausgelegt wurden. Einige von ihnen haben die Idee akzeptiert, dass Frauen eine Göttin verkörpern, und manche – ich hoffe viele – der Verehrer bemühen sich sicherlich darum, nach dieser Lehre zu leben. Eine Religion ist jedoch nicht dasselbe wie ein System der Selbstentwicklung. Viele Śāktas stellen sich einfach ihren Gott in weiblicher Form vor, ohne den Versuch zu machen, irgendetwas bezüglich der gesellschaftlichen Stellung der Frauen zu unternehmen. Aus Vater Gott wurde Mutter Gott, aber beide blieben meist distanzierte, überlegene Autoritätsfiguren.
Nur in den Bewegungen des linkshändigen Pfades, wie Kula, Kaula, Krama oder dem Yogīnī Kula sowie einigen kleineren Schulen des tantrischen Buddhismus versucht man etwas für die Rechte der Frauen zu tun. Einige wichtige Quellentexte bestehen ausdrücklich auf den Rechten der Frauen. Der KN erklärt, dass die Kaula-Anhänger niemals grob zu Mädchen oder Frauen reden sollen. Er rät auch dazu, Mädchen und Frauen so zu verehren, als seien sie Śakti. Dieselbe Einstellung ist in mehreren Kaula-Texten zu finden.
Man soll Ehrerbietung zeigen, wenn man eine junge Frau einer Kaula-Familie sieht. Man soll sich vor jeder Frau verbeugen, sei sie ein junges Mädchen oder von Jugend erfüllt oder sei sie alt, sei sie schön oder hässlich, gut oder boshaft. Man soll sie niemals gering schätzen, schlecht über sie reden oder einer Frau Schlechtes antun und man soll sie niemals schlagen. All solche Taten verhindern die Erlangung von Siddhi (magischer Kraft).
(Kaulāvali Tantra)
Der Mantra Mahodhadhiḥ besagt:
Der Anhänger von Kālī soll es unterlassen, Frauen zu töten oder zu schlagen oder sich ihnen gegenüber schlecht zu benehmen oder sich in unerfreuliche Dialoge mit ihnen einzulassen, wenn er sein Wohl begehrt.
Ebenso enthält das Mahānirvāṇa Tantra mehrere Kapitel, in denen Śiva die Könige über Gesetzesangelegenheiten berät. Diese juristischen Kapitel, die voll von dumpfster Mittelklasse-Moral sind, enthalten allerdings auch ganz klare Anweisungen über den Schutz der Frauen. Männer, die Inzest begehen oder eine Brahmanenfrau verführen, sind zu kastrieren, und ein Mann, der eine Frau vergewaltigt, selbst wenn sie die Frau eines Caṇḍāla (= tiefste soziale Klasse) ist, soll mit dem Tode bestraft und niemals begnadigt werden.
Śivas Gesetze über Ehebruch sind sehr streng und bestrafen den Mann generell härter als die Frau. Das mag daran liegen, dass im alten Indien eine Frau, die ihren Ruf verloren hatte, auch ihren Mann, ihr Zuhause, ihren Status, ihre Kinder und oft ihr Leben verlor. Was für ein Preis für ein bisschen Spaß! Unter den Kaulas war es ein großes Vergehen, eine Frau zu verletzen, und aus diesem Grund favorisieren manche Kaula Tantras eine monogame Lebensweise und verlangen, dass ihre Anhänger ausschließlich mit ihren Ehepartnern praktizieren sollen. Seitensprünge konnten einfach zu schlimme Folgen haben. Ich sollte hinzufügen, dass es im alten Indien mehrere Formen und Arten der Hochzeit gab, die vom sehr seriösen und traditionellen Ritual, an dem beide Familienclans teilnahmen, bis hin zu formellen Riten reichten, die von Verliebten durchgeführt wurden, die von ihren Familien weggelaufen waren (und wer könnte ihnen daraus einen Vorwurf machen?). Unter manchen Tantrikern gab es auch temporäre Hochzeiten, die solange gültig waren, bis die Partner sich trennen wollten, die Frau ihre Tage gehabt hat und sicher war, dass kein Kind unterwegs war.
Manche Vaiṣṇava-Tantriker stimmen mit dieser Ansicht nicht überein. Da ihre Lieblingsinkarnation von Viṣṇu, der schwarze, Flöte spielende Gott Kṛṣṇa, seiner Gefährtin Rādhā nicht besonders treu ist und viel Zeit damit verbringt, mit den Rinderhirtinnen auf dem Land zu flirten und sie zu lieben, betrachten die Anhänger mancher Vaiṣṇava-Kulte Ehebruch als eine Form von Verehrung und versuchen ihre Gottheit zu imitieren, indem sie dasselbe taten. Auch die blendend schöne Rādhā hatte ihren Teil an diesem Spiel: immerhin ist sie eine Kuhhirtin, die ihren ungeliebten Ehemann täuschen musste, um sich am Waldrand mit Kṛṣṇa zu treffen. Unser göttliches Paar repräsentiert also eine Liebesbeziehung, die sich gegen die gesellschaftlichen Gebote wendet. Das ist eine für Vaiṣṇavas ausgesprochen unübliche Einstellung und wirft erstaunliche Fragen auf. Doch wie dem auch sei, die meisten Vaiṣṇava-Tantriker wandten sich ritualisiertem Ehebruch mit Entsetzen ab.
Das Thema des Ehebruchs ist eins der rätselhaftesten in der tantrischen Literatur. Viele Tantras erklären, dass der Verehrer Verkehr mit der Parāśakti haben soll. Nun hat ‘Parā’ zwei Bedeutungen. Es kann das Höchste, Extremste oder Ultimative bedeuten, wobei in diesem Fall die Parāśakti die absolute Göttin ist, die höchste Wirklichkeit, die Śiva (Bewusstsein) und Śakti (Form/Energie) sowie alles andere erzeugt. Diese höchste Śakti ist kein menschliches Wesen, auch wenn sie sich natürlich in uns und absolut allem manifestiert. Zunächst einmal kann die Vereinigung mit der Parāśakti eine komplett mentale, meditative Angelegenheit sein, bei der der Adept oder die Adeptin für sich allein weilt, das Denken und die Wahrnehmung nach Innen lenkt und dabei nach