Kālī Kaula. Jan Fries

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Kālī Kaula - Jan Fries

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geschrieben, doch es sollte reichen zu sagen, dass der Paśu in einer dualistischen Realität lebt, in der er/sie von den Göttern getrennt ist, die Götter voneinander getrennt sind, die Gesellschaft feste Unterschiede hat und die Kulturen, Religionen und Länder über klare Grenzen verfügen. Der Paśu führt ein weltliches Leben und mag es. Er/ sie ist in einem gewissen Maße religiös, in der Praxis oder im Prinzip, aber es klafft oft eine große Kluft zwischen dem, was im Allgemeinen geglaubt und im Einzelnen getan wird. Die religiöse Praxis der Paśus hat ihre Zeit und ihren Ort, sie erstreckt sich üblicherweise nicht auf das tägliche Leben oder hält den Paśu auch nicht von einem guten Essen ab. Was die Gottheiten angeht, neigen Paśus oft dazu, sie in Elternrollen zu erleben. ‘Hey Vati, diese Jungs waren böse zu mir! Geh und bestraf sie! Hey Mami, bekomme ich Süßigkeiten?’ Wer so betet, ist im Land der Fesseln und der Ignoranz zuhause. In diesem Sinne entscheiden sich viele Anhänger, sich auf dem Schoß von Mutter Kālī zusammenzurollen; nicht weil Kālīs Mythologie besonders mütterlich wäre, sondern in der Hoffnung, dass sie nett zu ihrem kindlichen Anhänger sein wird. Was das tantrische Ritual angeht, ist es normalerweise Paśus nicht erlaubt, nächtliche Rituale durchzuführen; dies schließt sie von der persönlichen Kālī-Verehrung aus. Sie machen üblicherweise keinen Gebrauch von Yantra-Diagrammen noch praktizieren sie nächtliches Japa oder rezitieren spezielle Mantren. Stattdessen folgt die Art ihrer Verehrung oft vedischen Linien, einschließlich externer Opferungen, vielen rituellen Bädern und der Enthaltung vom Verzehr von Fleisch oder Fisch oder vom Geschlechtsverkehr, außer zum Zwecke der Fortpflanzung. Wenn ein Paśu die Pañcamakāras (Fünf M-Prinzipien) durchführen will, sind Fleisch, Wein, Fisch, trockenes Getreide und rituelles Liebesspiel verboten. Stattdessen wird eine Reihe symbolischer Alternativen genutzt. Es sollte hinzugefügt werden, dass ein Paśu wegen des Mangels an spiritueller Kompetenz ein solcher ist. Es gibt Rituale, die für Paśus verboten sind, weil diese sie einfach nicht begreifen können, geschweige denn an ihnen teilnehmen. Ein Paśu, der sich an den fünf Sakramenten in ihrer vīratischen (heldenhaften) Form zu erfreuen versucht, wird nicht viel Verehrung aufbringen können, weil er zu aufgeregt und unreif ist.

      Bild 20

      Fleckenkantschil.

      Diese Hauer kennst Du!

      Vīra. Ein Vīra ist wörtlich ein Held. Hier dominiert und agiert Rajas (Leidenschaft) in Sattva (Himmlische). Der Vīra zeigt ein ‘heroisches Temperament’. Sie/er neigt zu Aktivität (wenn nicht Überaktivität), Ambitionen, Zieldenken und ist selten mit einer Leistung zufrieden. Vīras sind erregbar, unruhig, unzufrieden und haben oft einen Sinn fürs Dramatische. Vīratische Verehrung kann Rituale bedeuten, bei denen Schädel, Knochen und sogar Leichen verwendet werden, sie können in Schlafzimmern, Dschungeln, Wüsten, auf nächtlichen Kreuzungen oder Verbrennungsstätten durchgeführt werden. Bei der Begegnung mit Göttinnen und Göttern steht ein/e Vīra aufrecht und integriert heroisch alle Ängste und Sehnsüchte. Vīratische Meditationen beziehen üblicherweise grimmige, schreckliche und widerwärtige Gottheiten mit ein. Für manche Vīras ist Religion so etwas wie eine permanente Mutprobe. Wenn es um die Vereinigung mit gefährlichen Göttern, Geistern, Dämonen oder ganz einfach den inneren Ängsten und Hemmungen geht, transzendiert der Vīra die Grenzen der menschlichen Persönlichkeit. Nicht viel anders ist es mit den Begierden: echte Vīras stehen zu ihren Lüsten und Trieben und suchen sie zu auszuleben, um sie zu transzendieren. Wenn ihr Temperament eher sattvisch ist, wählen sie den Pfad der Befreiung, aber wenn ihr Temperament starke tamasische Einflüsse zeigt, bevorzugt ein Vīra die Kultivierung der Siddhis (magische Kräfte, Fertigkeiten, Fähigkeiten, Erfolge), um etwas in der Welt zu erreichen. Es gibt auch Vīras, die ganz pragmatisch denken, dass Befreiung ja gut und schön sein mag, ein paar magische Fähigkeiten die Dinge aber leichter machen. Der klassische Ritus der Pañcamakāra wird in vīratischen Begriffen ausgedrückt. Das größte Problem der Vīras besteht darin, dass sie oft schneller handeln als sie denken, und wenig Abstand zu den Dingen haben. Da sie auf Drama, Krise und Aufregung aus sind, erzeugen sie von Natur aus jede Menge davon. In die Welt verstrickt und mit so viel Energie agierend, neigen sie dazu, eine Menge Fehler zu machen und darunter zu leiden. Ihre Umwelt und ihr Bekanntenkreis haben es auch nicht gerade leicht mit ihnen. Die indische Literatur assoziiert Traurigkeit und Sorge mit den Vīras, weil sie so oft auf die Nase fallen oder eine drauf bekommen.

      Bild 21

      Musikantin (Trommlerin).

      Surya-Tempel, Konarak, Orissa, 13. Jahrhundert. Sich selbst durch Musizieren zu erfreuen, wie das KCT nach der morgendlichen Reinigung und vor Beginn der Verehrung empfiehlt, ist der heutzutage der am meisten vernachlässigte Teil der tantrischen Praxis. Dies ist Deine Chance für etwas Neues.

      Besorge Dir ein Instrument und verschaffe Dir gute Gefühle!

      Divya. Hier begegnen wir denen, die oft als die ‘höchste Klasse der Anbeter’ betrachtet werden, d.h. als jene, in denen die göttliche Qualität am stärksten ist und die sattvische Natur dominiert. Diese Art von Personen ist genauso schwer zu beschreiben wie die göttliche Qualität im Menschen oder in der Welt insgesamt, da beide dazu neigen, paradox zu erscheinen. Das Divya als solches bedeutet unter anderem Himmel, das Himmlische und Göttliche. Es kann sich auch auf einen heiligen Eid oder ein Gottesurteil beziehen. Manche Texte haben die Divyas zu definieren versucht. Das Kubjīkā Tantra, zitiert von Sir John Woodroffe in seiner Einführung in das MNT, liefert eine solche Beschreibung. Um nur ein paar Punkte zu nennen: Wir erfahren, dass unser Divya den größten Teil des Tages mit Anbetung verbringt (mindestens dreimal täglich) und den größten Teil der Nacht Japa oder den Mantra praktiziert, sauber ist, belesen, gebildet, tolerant gegenüber Andersgläubigen, wohltätig, keinen Unterschied zwischen Freunden und Feinden macht, nur Nahrung isst, die vom Guru gesegnet ist, immer die Wahrheit sagt, gottlose Gesellschaft und Gespräche meidet, sich bis zu den Füßen vor Frauen verneigt (die er als seinen Guru betrachtet), alle Gottheiten verehrt, alles der höchsten Göttin darbietet, Śiva in allen Menschen wahrnimmt usw. Das klingt wie Heiligkeit, und wie Heiligkeit kann es auch missverstanden und vorgetäuscht werden. Eine Menge Leute gehen in die Irre, wenn sie den Divya zu spielen versuchen. Imitation von äußerer Heiligkeit kann Narren beeindrucken, aber nicht die Götter, und ganz sicher nicht das All-Bewusstsein. Wenn das Divyatum Anstrengung erfordert, dann ist es offenkundig nicht natürlich. Echte Divyas transzendieren die Rolle des Heiligen, und wenn sie Rituale durchführen, dann scheinen diese oft ganz normale Handlungen des täglichen Lebens zu sein oder finden komplett im Geist statt. Das große Problem der Divyas besteht darin, dass die Leute ringsum nicht ganz so heilig sind. Divyas neigen dazu, die Gottheit in jedem zu sehen. Sie vergessen, dass Menschen von ihrem Ego, ihren Ängsten und Begierden getrieben werden und dass eine potentielle Gottheit in jemandem nicht dasselbe ist wie eine manifestierte. Kurz gesagt, sie nehmen oft das Beste an, vertrauen in das Höchste und erleben regelmäßig Enttäuschungen. Divyas haben auch Probleme, mit der ganzen verdammten Alltagsrealität zurechtzukommen, mit Machtpolitik, Hierarchien und dem Bereich der typischen Menschenspiele.

      Wir haben es bei den drei Temperamenten mit zwei Möglichkeiten zu tun. Manche religiösen Lehren bleiben innerhalb des Modells. Hier ist der Paśu ein fauler, träger und ignoranter Anfänger, der am liebsten auf dem Sofa sitzt und das Leben vertrödelt. Wenn er oder sie tatsächlich endlich den Hintern hochbekommt, wird sie/er zum Vīra, und fängt an, durch schiere Hektik, Begierde, Lust und Zorn die Welt zu erobern. In diesem Stadium sind die Kräfte der Trägheit und des Himmlischen noch gleichermaßen stark, und unsere heldenhaften Verehrer werden von den Stürmen des Universums hin und her geworfen. Woran sie meistens selber schuld sind. Erst wenn Held oder Heldin sich weniger wichtig nehmen und das Göttlich in Allem erkennen, was direkt zu Liebe und Mitgefühl führt, tritt Frieden ein, und wir erleben die Divya-Stufe. Und die ist in diesem Modell das Endziel. Soweit ist das Ganze ziemlich simpel. Doch in manchen Tantras sieht die Welt ganz

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