Kālī Kaula. Jan Fries

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Kālī Kaula - Jan Fries

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wiederbegegnen. Wichtig hierbei ist, dass es sich um einen Prozess handelt, der immer weiter geht, und niemals ein Ende erreicht. Auf dieser Ebene hat die Parāśakti nichts mit Weiblichkeit zu tun; im Gegenteil, sowohl Śiva und Śakti, egal in welcher Form Du an sie denkst und wie Du sie erlebst, werden irgendwann transzendiert. Auf der wesentlich einfacheren Ebene der ‚heldenhaften‘ Verehrung haben wir es beim Thema Vereinigung oft mit Sex und/oder Besessenheit zu tun. Bei der Vorbereitung für das rituelle Liebesspiel kann die menschliche Partnerin mit der Paraśakti identifiziert werden; diese visionäre Identifikation wird in etlichen Tantras angedeutet, oder, wie im YT, auch detailliert beschrieben. Die Partnerin wird dabei als höchste Gottheit verehrt; das Bild der Gottheit überlagert den Körper der Partnerin und verschmilzt damit. Auch die Partnerin imaginiert sich in die Form und Bewusstheit der Parāśakti hinein: ganz offensichtlich wird für diese Transformation einiges an spiritueller Kompetenz, Hingabe und Übung vorausgesetzt. Für Anfänger sind solche Riten jedenfalls nicht gedacht. Wenn die höchste Śakti und die Partnerin zu einem werden, kommt es zu Besessenheit. Die andere Bedeutung von ‘Parā’ ist ‘des anderen’. Nach dieser Lesart ist die Parāśakti die Śakti (hier: Gattin, Partnerin oder Frau) eines anderen (Mannes). Ein Text, der erklärt, dass die Anhänger sich mit der höchsten Śakti vereinigen sollen, kann als ehebrecherische Vereinigung mit der Frau eines anderen Mannes gedeutet oder missverstanden werden. Die erste Interpretation wird oft von Adepten vertreten, die zweite ist in antitantrischer Propaganda üblich. Und jetzt wird es schwierig zu verallgemeinern. Es gibt Tāntriker, die alles symbolisch verstehen, während andere darauf bestehen, alles wörtlich zu nehmen. Daher kam es im Laufe der tantrischen Geschichte immer wieder dazu, dass Tantriker ganz gezielt nach Möglichkeiten zum rituellen Ehebruch suchten. Hierbei lag der Grund nicht darin, dass Frauen, die mit anderen verheiratet wären, besondere Vorzüge hätten. Es ging vielmehr um den Wunsch, soziale Gebote zu brechen. Einige etwas zwanghafte Kaula-Lehrer empfanden die Überschreitung jeglicher gesellschaftlichen Normen und Prinzipien als ein heiliges Gebot. Diese Leute waren einfach deshalb für Ehebruch, weil Zwangshochzeiten und unfreiwillige Treue eine überflüssige gesellschaftliche Norm darstellen, aber auch sie identifizierten die Partnerin mit der höchsten Śakti. Aber Ehebruch konnte auch andere Gründe haben. Schließlich sollten wir bedenken, dass viele Tantriker eine asketische Lebensweise ausübten, weite Reisen machten, und einen Teil ihres Lebens auf der Straße verbrachten. Manche von ihnen heirateten andere Asketen, aber andere waren arm, lebten hauptsächlich allein und hatten sehr wenig Gelegenheit, mit jemandem Liebe zu machen, außer mit verheirateten Frauen und Prostituierten. Einer der Gründe dafür, dass etliche Tantras Friseusen, Waschfrauen, Straßenreinigerinnen, Metzgerinnen, Fischhändlerinnen, Gerberinnen und Prostituierte lobpreisen, besteht darin, dass diese Unterklasse-Frauen leichter zu haben waren als Frauen der gehobenen Klassen.

      In den Lehren des linkshändigen Pfades sind Geschlechtsunterschiede nicht immer von Bedeutung. Um Vimalānanda zu zitieren (Kommentare zum Karpūrādi Stotra, 1837 in Woodroffe 2001):

      Er, der Śiva ist, ist auch Śakti, und Sie, die Śakti ist, ist auch Śiva. Vaterschaft und Mutterschaft sind nur dem Namen nach Unterschiede. In Wirklichkeit stehen sie für ein und dasselbe. Das Tantra Śāstra wiederum sagt, dass Śakti, Maheśvara, Brahman alle dasselbe bezeichnen. Männlich, weiblich, sächlich sind verbale und keine wirklichen Unterschiede … Wir können über Mahādevī als männlich oder weiblich meditieren, denn diese Begriffe können für jeden groben Körper angewendet werden.

      Eine ähnliche Einstellung kommt im DBh 9, 1 zum Ausdruck:

      … jene, die die bedeutendsten und höchsten der Yogīs sind, erkennen keinen Unterschied zwischen einem Mann und einer Frau. Alles ist Brahman.

      Dasselbe kommt im tantrischen Buddhismus gelegentlich vor. Einer der bedeutendsten Gründungsväter des tibetischen Buddhismus, Padmasaṁbhava, soll gesagt haben:

      Die Grundbedingung für die Erleuchtung ist der menschliche Körper. Männlich oder weiblich macht keinen großen Unterschied. Aber wenn der Geist sich der Erleuchtung zuwendet, ist ein weiblicher Körper besser.

      Es ist kein Zufall, dass Padmasaṁbhava von initiierten Frauen lernte (Shaw, 1994 : 193), viele Schülerinnen hatte, mit seiner berühmteste Schülerin, der Prinzessin Tsogyal zusammenlebte und praktizierte, und sich zu meditativen Zwecken gerne in die Göttin Siṁhamukha (Löwenkopf) verwandelte. Letztere ist eine Verwandte von Kālī, die sowohl im hinduistischen wie buddhistischen Tantra populär ist.

      Oder nimm diese höchst revolutionäre Erklärung, die der Göttin Tārā zugeschrieben wird:

      Da es so etwas wie einen Mann oder eine Frau nicht gibt, ist die Bindung an ‘männlich’ oder ‘weiblich’ hohl. (Trimondi 1999 : 381, 373)

      Wenn es um erstaunliches göttliches Verhalten geht, begegnen wir Göttern, die imstande sind, ihr Geschlecht nach Belieben zu wechseln. Jede männliche Gottheit hat eine weibliche Form, und auch für viele Göttinnen ist eine Transformation in einen männlichen Körper möglich. Meditationen, in denen sich Deine Lieblingsgottheiten ins andere Geschlecht verwandeln, sind ausgesprochen nützlich, denn sie zerstören konventionelles, vorurteilsbehaftetes Denken und befreien uns davor, die Welt und das Göttliche in primitiven Geschlechtsrollen einzusperren. Im tantrischen Hinduismus ist die Śakti-Form die aktive und kraftvolle, während die männliche normalerweise als passiv und friedvoll erfahren wird. Im tantrischen Buddhismus ist es genau umgekehrt: hier sind die Götter aktiv tätig, während die Göttinnen als passive Weisheitsgefährtinnen dabei sind. Wenn Śiva also weiblich wird, wird aus ihm Śaivī. Sie sieht ihm ziemlich ähnlich, ist nackt, ascheverschmiert, schlangengeschmückt und hält einen Dreizack, wenn auch möglicherweise in etwas graziöserer Weise. In einem gewissen Sinne ist Śaivī die Śakti von Śiva, also sein Ausdruck als Śakti, aber wir begegnen auch einer Anzahl von Göttinnen wie Durgā, Kālī, Gaurī oder Pārvatī, die als unabhängige Wesenheiten auftreten, als Śivas Śakti. Das hat historische Gründe: die Anhänger verschiedener Kulte und Gegenden wollten ihre Lieblingsgöttin mit einem der wichtigsten Hochgötter vermählen. Wenn also Śiva viele Frauen hat, bedeutet dass nicht, dass er einen Harem unterhält. Wir sollten diese Göttinnen auch nicht einfach als Aspekte von einander oder von einer bestimmten Göttin wegerklären, denn immerhin hat jede ihren eigenen religiösen und ethnischen Hintergrund. Bei solchen Göttinnen ist es nicht der Fall, dass sie Śiva in weiblicher Form darstellen. Erinnern wir uns:

      In den indischen Religionen sind Götter keine klar definierten voneinander getrennten Wesen, sondern neigen dazu, ihre Erscheinung zu verändern und ineinander überzugehen, wenn ihnen (oder ihren Anhängern) danach ist. In der Mythologie sind Fälle von Geschlechtswechsel nicht selten. Im Cidambara Māhātyma gehen die Götter Śiva und Viṣṇu in den Kiefernwald, um die Asketen in Versuchung zu führen. Śiva nimmt die Form eines ungewöhnlich gutaussehenden jungen Bettlers an, während Viṣṇu als seine schöne Frau erscheint. Sie verführen erfolgreich alle jungen Asketen und deren Frauen, scheitern aber an einigen älteren Weisen, die sie mit magischen Waffen zu vernichten versuchen, die aus dem Opferfeuer hervorgehen. Aus den lodernden Flammen erscheinen Tiger, Reh, Axt, Mantra und Zwerg und greifen die Gottheiten an. Śiva unterwirft sie und nimmt sie als seine Attribute an. Dann tanzt er zum ersten Mal den weltzerstörenden, befreienden Tāṇḍava-Tanz.

      Śiva erscheint auch in weiblicher Form. Mookerjee (1988) gibt eine Episode aus den Purāṇas (keine genaue Quellenangabe, sorry) wieder:

      … König Īla kam bei der Jagd zu einem Hain, in dem Śiva Sex mit Pārvatī hatte und die Form einer Frau angenommen hatte, um ihr zu gefallen. Alles in den Wäldern, selbst die Bäume, waren weiblich geworden, und als er sich näherte, wurde König Īla in eine Frau verwandelt. Śiva lachte und sagte ihm, er könne ‘um jeden Segen bitten außer Männlichkeit.’

      Es ist nicht anzunehmen, dass die Erfindung solcher Śaktis lediglich ein philosophisches Mittel war, um eine weibliche Form eines normalerweise

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