100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 2. Erhard Heckmann

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100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 2 - Erhard Heckmann

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Weite auch in den eigenen Gedanken breit macht. Doch das scheint bei uns recht schnell zu gehen, denn wir fühlen uns schon jetzt so richtig wohl. Gegen Abend biegt David in ein kleines Wäldchen ein, dass am rechten Talhang unser nächtliches Quartier sein wird. Viele Fotos und Filmmeter bringen wir von diesem ersten Tag nicht mit, doch lag das nicht an den Motiven, sondern daran, dass der Weg das Ziel war, und man nicht überall anhalten kann.

      Im Wäldchen empfängt uns eine Lichtung, und dort verraten vier dicke, quadratisch um die Feuerstelle angeordnete Baumstämme das „Wohnzimmer“, in das auch gleich Leben einziehen wird. Vorerst sind aber die Pferde an der Reihe. Trensen abnehmen, an einem Baum anbinden und absatteln. Kontrolle und Pflege folgen später, wenn David und Paul die Packpferde entladen haben. Kisten und Packsäcke werden unter einem Baum abgestellt, Seile und Gurte kommen daneben auf einen Haufen, und die Sättel bekommen sofort ihren Extraplatz für die Nacht. Vorrang beim Abladen haben die grünen Küchenkisten und das Feuergestell, das sich Joyce auch sofort schnappt und aufbaut. Links und rechts stellt sie einen der beiden nach oben gegabelten, schweren Eisenständer auf, hängt an beiden jeweils das Ende einer Doppelkette ein, die einen großen rechteckigen Feuerrost als Kochstelle für Pfannen und Töpfe unter sich trägt. Eine waagerecht in die Gabelungen eingeklickte Eisenstange stabilisiert die Konstruktion und erlaubt den „Billys“, den großen Wasserkannen für Tee und Kaffee, ihren Platz direkt über dem Feuer einzunehmen. Und während unsere Gastgeberin zum nahen Bach eilt, das mitgebrachte Nass durch die tragbare Filteranlage schickt, drei oder vier Hände voll Kaffee in eine der Eisenkannen gibt – der Tee kommt in einem Leinensäckchen in eine zweite- ist David schon beim Feuermachen. Wir holen inzwischen unsere beiden „Duffel Bags“ und das Zelt vom großen Haufen und bringen auch die Satteltaschen, das Regenzeug und unsere Foto- und Filmausrüstung zum ausgesuchten Übernachtungsplatz, während die dicken Satteldecken als Sitzkissen auf den Baumstämmen um die Feuerstelle abgelegt werden. Danach, und vor dem Zeltaufbau, machen sich die meisten von uns nützlich, fällen kleinere, dürre Bäume, hacken Holz, holen frisches Wasser vom Bach, unterhalten das Feuer oder helfen Joyce bei der Einrichtung ihrer „Küche“. Mittelpunkt ist dort die Tischplatte, deren zwei breite, gehobelte Bretter mit ihren Enden in die Schienen einer Hängevorrichtung geschoben werden, deren Ketten links und rechts an einem Baum ihre Haken finden. Die Konstruktion, unter der sich noch ein Hängeregal befindet, passt durch seine variablen Ketten zwar zwischen die meisten Bäume, doch wird dieses Camp in den Schwarzen Bergen auch bei vielen Touren angesteuert und könnte die Mindestmaße geliefert haben. Wir werden hier sogar zwei Nächte verbringen, denn morgen reiten wir ohne Packpferde in die Regenbogenberge und kommen am Abend wieder zurück. Man kann sich also richtig häuslich einrichten.

      Rund vierzig Minuten nach unserer Ankunft sind die dringendsten Handgriffe erledigt, und am Feuer gibt’s jetzt erst eine kurze Verschnaufpause, mit Gebäck, Kaffee oder Tee, mit oder ohne Milch, Zucker, Kakaopulver oder Honig, oder, unsere Version, pur und schwarz. John versteht das gar nicht und meint: „Dann braucht ihr wenigstens hiervon“, grinst und gießt uns einen Schuss von seinem guten Kognak ins Gebräu. Seinen eigenen mixt er ähnlich, fügt aber noch Honig und Kakaopulver hinzu. Gelegentlich machen wir im Winter jetzt diese Mixtur zu Hause nach, und das Rezept behielt auch seinen Namen, „John-Kaffee“. Anschließend gibt es wieder Arbeit, denn neben dem Sortieren von Trensen, Sätteln, Traggeschirren, Seilen, Planen und dem Ordnen oder Auspacken der Kisten, müssen auch die Pferde versorgt werden, die noch angebunden und von allen Lasten befreit vor sich hindösen. Abbürsten, Fell, Beine, Hufe überprüfen, nach Druckstellen tasten, mit Bremsenöl einreiben, die „Ausreißer“ an den Vorderbeinen „koppeln“, damit sie nur kleinere Schritte machen und sich nicht zu weit entfernen können. Dann werden sie für die Nacht auf die Wiese entlassen, denn Futter und Wasser suchen sich die Tiere selbst. Mit all diesen Arbeiten haben wir Gäste offiziell nicht das Geringste zu tun, doch in unserer Truppe fasst jeder mit an und tut das, was er kann. Mit den Western- und Stocksätteln musste ich mich aber auch erst vertraut machen, denn ihre diversen Lederriemen, Schlaufen und Spezialknoten waren mir fremd wie die langen, wenig Bewegungsfreiheit bietenden Bügel, die bis auf das untere Drittel fest mit dem Sattel vernäht sind. Mit deren Gesamtlänge hatte ich anfangs ohnehin ein Gefühlsproblem, denn ich bin Rennpferde gewöhnt und fühle mich nur mit kürzeren Bügeln richtig sicher.

      Nach der kurzen Pause und den helfenden Handgriffen muss noch das von David gemietete Zelt aufgebaut und das Nachtlager hergerichtet werden. Und das ist mein Job, während Sabine bereits mit der Videokamera unterwegs ist. Als sie das Camp verließ, war sofort Willie unaufgefordert an ihrer Seite. David hat sie so erzogen, denn im Bärenland bedarf es dieses Schutzes. Loben muss man auch die „Hausfrau Joyce“, gebürtige Engländerin, exzellent im Sattel und ein regelrechtes Organisationstalent. Was sie auf dieser Tour in kurzer Zeit in ihrer „Feldküche“ gekocht, gebraten und gebacken hat, war enorm. Nie hat es an etwas gefehlt, nichts gab es zweimal, die Auswahl war reichlich, und der heiße, schwarze Kaffee aus der rußigen Cowboykanne, die über der Feuerstelle hing, war morgens auch schon fertig, wenn der Erste danach Ausschau hielt. Mit Johns Kognak „gestreckt“ wurde er bei der abendlichen Ankunftspause dann fast zum Kult.

      Nachdem die Zelte alle stehen, findet sich einer nach dem anderen am Lagerfeuer ein, wo die Steaks noch ein paar Minuten brauchen. Es sind Riesendinger, und jedem sind zwei davon zugedacht. In unserem Fall wird das sicher nicht gehen, zumal auf dem zweiten Rost auch noch Würste grillen und als Beilagen gemischter Salat und geröstetes Knoblauchbrot oder Baguette zur Verfügung stehen. Und wie alles in Kanada, so war auch der Wein nicht in kleinen Gebinden, sondern im Tetrapack, fünf Liter Rot, die gleiche Menge Weiß. Leer werden diese Kartons heute aber nicht mehr, denn die Müdigkeit greift schnell um sich, und auf dem Weg zum Zelt muss ich daran denken, dass es noch keine zehn Monate her ist, als wir ebenfalls unter ein paar Bäumen in ein kleines Zelt krochen. Das war auch nach dem Essen am Lagerfeuer und ohne jede Abzäunung zur Umgebung, allerdings in Afrika, im Moremi Nationalpark in Botswana! Dort hatten wir, weil unser Auto für das feuchte Gebiet im Okavango Delta nicht geeignet war, vor Ort einen Fünftagetrip mit Guide, Militärjeep und Zelt gebucht und unausgesprochen angenommen, dass der „Campingplatz“ nachts mit einem mitgebrachten Elektrozaun geschützt wird. Dem war aber nicht so. Wir waren auch keine Neulinge auf afrikanischem Boden, sondern dort schon sehr oft auf eigene Faust in mehreren Ländern unterwegs gewesen, aber ein Zelt ist eben kein schützendes Rondavell, und erst recht keine Lodge. Und auch die Erklärungen unseres Guides, dass Elefanten nicht auf Zelte treten, Hyänen nur neugierig, aber feige seien, Löwen um geschlossene Zelte einen Bogen machen überzeugte nicht so recht. Und der Guide schob auch sofort nach, das die beiden Engländer, die hier vor einigen Wochen von Löwen aus dem Zelt geholt worden sind, wegen der Temperaturen im offenen Zelt geschlafen hatten. Auf die Nilpferde, die nachts aus dem nahen See zum Grasen kommen, kam es dann auch nicht mehr an. Da blieb uns nur noch der Trost, dass wir auch drei Engländer dabei hatten …

      In jener ersten Nacht haben wir uns nicht nur einmal gefragt, worauf wir uns eigentlich eingelassen hatten, und saßen sehr lange mit einem dicken Knüppel in der Hand im kleinen Zelt. Die ersten Besucher waren tatsächlich die Hyänen, in deren Augen sich unser Taschenlampenlicht spiegelte. Danach grunzten die Hippos durchs Camp, während die Löwen mehr in der Ferne zu vernehmen waren. Irgendwann hatte uns der Schlaf dann doch übermannt, und die weiteren Stimmen jener Nacht vor uns verborgen. Am nächsten Morgen waren wir damals aber heilfroh, dass die Sonne wieder schien und wir alle gemeinsam am Frühstückstisch saßen, auch die Engländer. Dennoch hatten uns die Elefanten die Botschaft hinterlassen, dass sie, wie von unserem Guide angekündigt, zwischen den Zelten sehr sorgsam durchgezogen waren, denn direkt vor unserer Haustür lag die „Post“ der Dickhäuter, ein ziemlich großer Haufen. Wahrscheinlich passierten sie uns am ganz zeitigen Morgen, denn gehört hatten wir sie nicht. In den folgenden Nächten haben wir die Stimmen Afrikas zwar voll genossen, doch ist es schon sehr beruhigend, dass es diese Raubtiere hier in Kanada nicht gibt. Und weil für die Bären Willie und Rio zuständig sind, können wir die warmen Schlafsäcke auch bis über die Ohren hochziehen und dem neuen Tag entgegenträumen.

      Dieser beginnt am eiskalten Bach, und wer zum Zähne putzen heißes Wasser braucht, macht einen Umweg zum Lagerfeuer. Um diese Zeit ist es zwar noch ziemlich frisch, doch entschädigt

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