Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz. Christiane Benedikte Naubert

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz - Christiane Benedikte Naubert страница 6

Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz - Christiane Benedikte Naubert

Скачать книгу

das Joch der Schwelgerey und des Übermuths zu zerbrechen. Ritter und Geistliche, die bisherigen Beherrscher dieser Gegenden, fröhnten lange Zeit sorglos den Wollüsten, bis sie die Schuldner ihrer Knechte wurden, welche indessen durch Fleiß und Nüchternheit in Sitten emporgewachsen waren, und denen die Stirne bieten konnten, deren Vasallen sie ehemals waren. Die verarmten Schwelger konnten hiezu nichts thun als sauer sehen und sich das, was sie Fügung des Glücks nannten, gefallen lassen.

      Aber mein Oheim Zirio war nicht unter diesen herabgekommenen Großen; sein Wohlstand wuchs mit jedem Tage, seine Ländereyen vermehrten sich durch den Ankauf dessen, was seine Nachbaren ihren Schulden aufopfern mußten, auch seufzte das Land nicht unter seiner Macht; er gönnte seinen Vasallen gern eine Art von Unabhängigkeit, welche sie nach keiner mehrern Freiheit lüstern werden ließ. Er gab seinen Dienstleuten eigene Ländereyen ein, und überließ ihnen beynahe den Vollgenuß ihres Ertrags, auch behielt er viele von den fremden Gästen, den Wallisern im Lande, und ersetzte ihnen durch Anweisung manches fruchtbaren, bisher ungebrauchten Stück Landes, was sie in ihrem damals so unruhigen Vaterlande verliessen. O Kinder, es ist ein Geschäft, das uns der Gottheit ähnlich macht, gleichsam aus dem Nichts blühende Gegenden emporsteigen zu lassen, und ihnen glückliche Menschen zu Bewohnern zu geben. Ich bin Zeuge solcher Verwandlungen gewesen, die den Fürsten dieser Erde so leicht seyn würden, wenn sie wollten. Sie vermöchten dadurch die Allgewalt und Milde des Schöpfers zu kopiren, aber sie ahmen lieber seiner strafenden Gerechtigkeit nach, verwandeln die Wohnungen der Menschen in Steinhaufen, und lassen fruchtbare Thäler in Blut schwimmen.

      Unter den Großen des Landes, deren Besitzungen jetzt den Grafen von Venosta Herr nannten, waren die Grafen von Vatz die vornehmsten. Graf Walter der letzte, so viel wir wußten, Abkömmling dieses Hauses, hatte von seinem Vater nicht den zehnten Theil von demjenigen geerbt, was seine Vorfahren ehemals ihr Eigenthum nannten. Gram und Mißmuth drückten den jungen Mann nieder, er suchte sein Glück in fremden Kriegsdiensten, fand es nicht, und kam traurend zurück, die verfallnen Schlösser, welche noch sein waren, zu stützen, und die Trümmern seiner gesunkenen Größe zusammen zu suchen. Er litt unverschuldet, und doch färbte die Erwegung seines Zustands seine Wangen mit einer Schaamröthe, die er besonders vor denen zu verbergen suchte, welche auf den Ruinen der Vatzischen Hoheit ihr Glück erbaut hatten. Er vermied den Umgang meines Oheims absichtlich; bey keiner Gelegenheit, wo sonst Ritter und Edle zusammen kommen, ließ er sich finden, wenn dieser gegenwärtig war, und so geflissen auch Zirio die Gelegenheit suchte, den jungen Ritter kennen zu lernen, der ihn auf mehr als eine Art interessirte, so würde doch wahrscheinlich sein Bestreben immer fruchtlos, geblieben seyn, wenn sich nicht eine Begebenheit zugetragen hätte, welche die Gegenwart beyder erforderte, und dadurch ein Band knüpfte, welches – soll ich sagen, besser ungeknüpft geblieben wäre? – Doch die Fügungen der ewigen Weisheit sind untadelhaft, ich lege den Finger auf den Mund und schweige.

      Im Schlosse eines friedlichen Thals, am Ufer des Rheins, erhoben sich die Mauern eines Klosters, das bey den großen dazugehörigen Ländereyen nur den Besitzungen der Züricher großen Frau, und den Mönchen zu Sankt Nosus8 in Solothurn, an Macht und Reichthum weichen muß. Seit undenklichen Zeiten waren die Herren von Vatz Eigenthümer dieser Distrikte, und sie kannten den Werth derselben so gut, daß sie fast das einige waren, was sie nur Pfandsweise aus der Hand gelassen hatten. Schon lange hatte mein Oheim mit Graf Werner, Walters Vater, hierüber Unterhandlungen gepflogen, und nach dessen Tode seinen Sohn eben so entschieden gefunden, sich von dem Kleinod des Landes (so pflegte man das Kloster am Walde zu nennen) nicht ganz zu trennen. Tausend Mittel waren meinem Oheim, selbst von den Klosterherren, an die Hand gegeben worden, die Hartnäckigkeit des alten Eigenthümers zu besiegen, aber Zirios zartes Gewissen fand sie widerrechtlich, und alles blieb wie es war. Laßt dem jungen Manne die Hoffnung, sagte er oft, wenn von Graf Waltern die Rede war, durch die Ansprüche an dieses reizende Stück Landes in seinem ehemaligen Erbteil festen Fuß zu behalten, ich will es nicht seyn, der ihn aus demselben verdrängt, will eher ihm die Hand zu Erfüllung seiner Wünsche bieten, wenn er ganz derjenige ist, für den ich ihn halte. Er weide sich an den Sagen von hier vergrabenen Schätzen, und an all den Chimären, mit welchen man auch mich mehrmahls zu täuschen und anzutreiben suchte, mit gewaffneter Hand das zu suchen, wozu mir nur Walters freye Einwilligung ein entscheidendes Recht geben kann.

      Nur gar zu wahr war es, daß man es an nichts ermangeln ließ, den Grafen Venosta gegen Waltern aufzubringen, der an seiner Seite ähnlichen Einhauchen hinterlistiger Verräther ein geneigtes Ohr liehe. Die Fehde wär erklärt gewesen, und die Wohnungen der Ruhe hätten längst in Blut geschwommen, wenn Zirio nicht immer großmüthig nachgegeben hätte. – Das Verlangen über diese und ähnliche Dinge, einmal, nur einmal mit Waltern selbst zu sprechen, war der Grund, warum mein Oheim ihn überall aufsuchte, und die Ursach, warum jener jede nähere Erklärung floh, konnte eben so wohl in stolzer Schaam vor dem großen Grafen Venosta, oder in Verhetzung böser Leute, als in irgend einem schlimmen Zuge seines Charakters liegen. Mein Oheim und ich hatten es uns zur Regel gemacht, gut von Graf Waltern zu denken – Zwar hatten wir beyde lang am Hofe, dem Geburtsort des argwöhnischen Mißtrauens, gelebt, aber er sowohl, als ich, liessen beym ersten Eintritt in das treuherzige Helvetien diesen Feind der ländlichen Ruhe zurück, und waren entschlossen ganz das zu seyn, was der Charakter unsers neuen Vaterlands von uns heischte.

      Die Begebenheit, welche meinen Oheim und Graf Waltern endlich zusammen brachte, war eine Streitigkeit zwischen den Mönchen von Churwalde und ihrem Abte, die nach und nach so überhand nahm, daß sich der Lehnsherr darein mischen mußte. Und wer war dieser Lehnsherr? Zirio, der Innhaber dieser Gegenden? oder Walter, welcher sich das volle Recht auf dieselben noch immer vorbehielt? – Die Mönche appellirten lange von einem an den andern, und es war schlechterdings eine Zusammenkunft beyder nöthig, die Sache ins Gleiche zu bringen.

      Nie verstattete mir Zirio, mich in Dinge zu mischen, welche außer der Sphäre des Weibes liegen, aber wie hätte er mir wehren können, hier eine Parthie zu nehmen, da es auf die Ehre und das Wohl einiger Personen ankam, die ich nach meinem Oheim am meisten schätzte.

      Der verfolgte Abt von Churwalde, Konrad, der erste dieses Namens, war mein Beichtiger, der Prior Lüttger, der den unverschuldeten Haß der Mönche mit ihm theilte, mein Lehrer in der Kräuterkunde, die auf den Rhätischen Gebürgen mein Lieblingsstudium war, ich kannte die Redlichkeit beyder, und wandte alle Kräfte der Ueberredung an, welche in weiblichen Bitten und Thränen liegen, den Grafen Venosta immer auf der Seite meiner Freunde zu erhalten. Auch war es mir unmöglich, meinen Oheim allein nach dem Orte reisen zu lassen, welcher zur Zusammenkunft zwischen ihm und Graf Waltern bestimmt war. Auch diesen, von welchem man sagte, daß er sich gewaltig auf die Seite der Verfolger der Unschuld lenkte, wolle ich von der wahren Lage der Sache zu unterrichten suchen, und ich glaubte nichts weiter nöthig zu haben, als dieses, um alles für die Bedrängten zu erhalten; ich wußte noch nicht, daß es möglich sey, gegen die klarste Ueberzeugung zu handeln.

      Man sagt, bittende Schönheit, welche sich selbst vergißt, um nur für andre thätig zu seyn, sey unwiderstehlich. Der Vortrag meines Oheims an Waltern war zu Ende, und mir ward erlaubt, einige Worte hinzu zu thun. Ihrer waren wenig, aber sie waren voll Nachdruck, und ich glaubte in Walters Augen zu lesen, daß sie ihres Endzwecks nicht verfehlten. Er antwortete nichts, aber sein Blick ruhte mit einem Ausdruck auf meinem Gesicht, welcher machte, daß ich bestürzt zur Erde sahe, meinen Schleyer fallen ließ und mich zurück zog. Graf Venosta, sagte Walter, Eure Hand! Thut in der Sache, was Euch gefällt! Ein so schönes und tugendliches Fräulein kann nicht die Seite der Verbrecher halten. Unsere streitsüchtigen Mönche behalten ihren Abt, und dieser hat nichts zu thun, als seine mächtige Vorsprecherinn auch zu ihnen mit dem ihr eignen Ton der Ueberredung sprechen zu lassen, um sich ihrer Unterthänigteit auf ewig zu versichern. Mich dünkt, der Mann könne auf diese Art Herr der ganzen Welt werden, und sich, wär er auch der größte Sünder, durch den Mund seiner Heiligen selbst in den Himmel stehlen.

      Ich fand diese Reden so kühn als schmeichelhaft; ein Wink meines Oheims sagte mir, daß auch er etwas anstößiges in denselben fand, und ich verließ das Zimmer voll Verlegenheit und Beschämung.

      Ich

Скачать книгу