Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz. Christiane Benedikte Naubert
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Ich beantwortete Zirios warnende Rede mit Stillschweigen, und Selbstvorwürfe folgten hintennach, doch wußte ich kaum, was ich mir vorwerfen sollte: mein Herz war unschuldig, meine Absicht rein, nur die Folgen konnten mich belehren, daß ich in irgend etwas gefehlt hatte.
Walter von Vatz, er, der sich Jahre lang nirgend finden ließ, so sehr mein Oheim nach seiner Bekanntschaft strebte, er, der noch jetzt seine Gesellschaft nicht allzu eifrig suchte, kam von nun an mir, nur mir fast jeden Tag vor die Augen. Ging ich zur Kirche, so war sein Weg der nemliche, stand ich auf meinem Balkon, so ritt er vorüber, war ich bey einem der ländlichen Feste, zu denen es unsern Vasallen nie an Veranlassung fehlte, und bey welchen ich nie mangeln durfte; so bot er mir beym Tanze die Hand, ja das Schicksal wollte sogar, daß ich ihm in der Folge Dank schuldig werden mußte. Ein bunter Aufzug ländlicher Hochzeiter, welcher von wilder schwärmender Musik begleitet war, durchkreutzte einst meinen Weg des Abends im Zweylichten; die dicht vor den Augen meiner Pferde geschwungenen weißen Brautfahnen, und die schwirrenden Zimbeln, die man ihnen in die Ohren tönen ließ, machten sie scheu, sie gingen mit mir durch, und würden vielleicht mit mir den jähen Abhang hinunter gestürzt seyn, aber Graf Walter war bey der Hand, rettete mich, ehe ich noch fast Gefahr ahndete, und genoß dafür das Glück, wie er es nannte, mich nach Hause zu begleiten, und mir in einem seltsamen Tone von Liebe vorzureden, auch kam einst des Nachts in meinem Vorzimmer ein Feuer aus, welches schnell genug überhand nahm, um mich in Schrecken und Ohnmacht zu stürzen. Beym Erwachen fand ich mich in Walters Armen, welcher mir von Flucht vor der Gefahr vorredete, und bereit war, mich davon zu führen, aber da ich jetzt Besonnenheit genug hatte keine dringende Noth zu diesem Schritt zu sehen, so ging die Flucht nicht weiter, als in die Zimmer meines Oheims, in welche ich gebracht zu werden verlangte. Zirio dankte meinem Retter mit ziemlicher Kälte, und hängte seinem Dank die Frage an: welcher Zufall ihn so schnell und so zu gelegener Zeit herbeygebracht habe? Walter sprach von Geistern, welche für die Geliebten des Himmels wachen, und mein Oheim entließ mich, als sich Walter entfernt hatte, mit mancher ernsten Warnung. Die Begebenheit, welche jüngst meine Pferde scheu machte, und das Feuer, das mich in Walters Arme lieferte, konnte, wie er meynte, beydes von ihm selbst angelegtes Maschienenwerk seyn, ihn mir theuer zu machen; wenigstens war so viel gewiß, daß jener Brautzug nach angerichtetem Unglück wie verschwunden war, und dieses Feuer nichts weiter gethan, als einiges Tapetenwerk verzehrt hatte. Hat der Graf von Vatz Ursachen, deine Gewogenheit zu wünschen, fuhr Zirio fort, warum geht er nicht den geraden Weg? Warum bewirbt er sich nicht bey mir um dich? Es war eine Zeit, wo ich dich ihm nicht versagt haben würde, wo ich gemeynt hätte, durch seine Verbindung mit der künftigen Erbinn von Vatz und Sargans eine Handlung der Gerechtigkeit auszuüben.
Ich weiß nicht, welche Nachrichten oder Beobachtungen meinen Oheim, ihn, der von jedermann gut dachte, so schnell geneigt gemacht hatten, Graf Waltern von der schlimmern Seite zu betrachten; ich glaubte den größten Theil dessen, was er sagte, nur halb, und suchte Entschuldigungen für denjenigen, der, so oft ich ihn sah, einen tiefern Eindruck auf mich machte, und mich immer unfähiger ließ, Arges von ihm zu denken.
Walter von Vatz war unglücklich, war des größten Theils der Rechte seiner Geburt beraubt, schon dieses wär hinlänglich gewesen, mir ihn interessant zu machen; aber er brauchte die wenige Macht, die er besaß, noch dazu, andern Nothleidenden Schutz zu gewähren, und sich dadurch mächtige Feinde auf den Hals zu ziehen; konnte etwas edler und großmüthiger gedacht werden? und war es möglich, daß ein solcher Mann den geringsten Anschein von Verdacht verdiente?
Hedwig, Gräfinn von Rappersweil, mußte vor ihrem Feinde, dem herrschsüchtigen Abte von Sankt Gallen, fliehen. Sie war Wittwe, und der Argwohn war nicht klein, daß ein Gifttrunk aus dem Keller des geistlichen Herrn sie in diesen Stand gesetzt hatte. Gern hätte seine Bosheit auch die verlassene Dame aufgeopfert, die seinen Hoffnungen um desto furchtbarer war, da das Land einen Erben von ihr erwartete, welcher in die Rechte seines Vaters treten konnte. Hedwig mußte fliehen, sie war dem Augenblick ihrer Niederkunft nahe, die Feinde waren dicht hinter ihr, sie konnte ihr Schicksal errathen, wenn sie in ihre Hände fiel. Sie ermannte sich in der namlosen Angst, welche sie von allen Seiten bestürmte, und faßte unter der schützenden Hülle der Nacht den einigen Entschluß, der sie retten konnte. Sie verließ den Wagen, dessen keuchende Rosse dem fernen Zufluchtsort, den sie gewählt hatte, vergebens entgegen eilten, ohne eine andere Begleiterin mit sich zu nehmen, als ihre unmündige Tochter Elisabeth. Sie gebot ihren Leuten, den Weg, so gut sie könnten, fortzusetzen, und dadurch ihre Verfolger irre zu leiten. Sie dachte sich in den dichten Gebüschen zu verstecken, oder irgend ein ruhiges Bauerhaus zu finden, wo sie sich von ihrer Angst erholen und einem unglücklichen vaterlosen Kinde das Leben geben könne, sicher, von den treuherzigen Bewohnern dieser Gebürge, den Feinden der Unterdrücker, ihrem Tyrannen nicht verrathen zu werden.
Die Gegend rund umher war öde, ein einsamer Reuter kam den Abhang herauf und begegnete der beklagenswürdigen Dame, welche, von der schwachen Hand der jungen Elisabeth unterstützt, sich kaum mehr aufrecht erhalten konnte. Es war Graf Walter, der von der Jagd kam, und seine Leute bereits vorausgeschickt. Die Gräfinn von Rappersweil brauchte sich ihm weder als eine Hülfsbedürftige zu melden, noch ihren Namen zu nennen, er war ungefordert zur Hülfe bereit. Sein schallendes Horn versammelte sein ganzes Gefolg um ihn her. Schnell ward ein leichter Jagdwagen herbeygeschafft, und ehe eine Stunde verging, befanden sich die Verfolgten in den friedlichen Mauern eines Schlosses, welches vor des Feindes Ueberfall, wär ein solcher zu befürchten gewesen, hinlänglich gesichert war.
Der Graf Venosta war diesen Tag ebenfalls auf die Jagd geritten, es war weit nach Mitternacht, und ich sah ihm beym Spinnrocken mit meinen Dirnen ängstlich harrend entgegen. Allerley Gedanken durchkreutzten sich in meinem Gehirn, an welchen, wie gewöhnlich, Graf Walter auch seinen Antheil hatte. Da öffneten sich schnell die Flügelthüren meines Zimmers, und der, an welchen ich dachte, stand fast außer Athem vor mir.
Fräulein, rief er, ich bitte euch um eine Gnade. Mir ist ein Gast gekommen, und keine Dame ist in meinem Hause, ihn zu bewirthen; vor dem Schloßthor wartet ein Wagen, laßt euch gefallen einzusteigen und mich nach meiner Burg zu begleiten.
Graf! welche Bitte!
Die kühnste, unverzeihlichste, welche sich denken läßt! aber schließt aus der Unvorsichtigkeit, mit welcher ich sie euch vortrage, auf die Eil, mit welcher ich sie erfüllt zu sehen wünsche.
Walter hatte nicht die günstigste Zeit gewählt, irgend eine Gnade, besonders eine von so seltsamer Art von mir zu bitten. Ich hatte in der Einsamkeit an die Warnungen meines Oheims gedacht. Die gescheuchten Pferde und die Feuersbrunst waren mir in den Sinn, gekommen, und der Unmuth, in welchem ich mich diesen Abend befand, hatte mich nicht geneigt gemacht, diese Dinge mit dem mir gewöhnlichen Vorurtheil zu betrachten. Ich sahe mit Graf Venostas Augen, und man kann also leicht schliessen, daß der gegenwärtige Antrag mir als die plumpeste List, mich in meines Liebhabers Gewalt zu bringen, vorkam, die sich denken läßt.
Ihr zürnt? rief Walter, der den Unwillen auf meiner Stirne sah. Gut, ich muß mich um einen Vorsprecher bemühen. – Er eilte mit diesen Worten ins Vorzimmer und kam mit einem kleinen reizenden Mädchen zurück, welches durch die Miene der Angst und des Kummers und durch ihr holdes mit Thränen überschwemmtes Gesicht den Eindruck vermehrte, den ihre plötzliche Erscheinung auf mich machen mußte.
Gutes,