Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz. Christiane Benedikte Naubert

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Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz - Christiane Benedikte Naubert

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als in diesem Augenblicke. Fräulein! schrie er, wache oder träume ich? Eine Verbindung, die euch um alle eure Hoffnungen betrügt? die eine Fremde in alle Rechte, welche euch zukommen, einsetzt? – und diese Verbindung euer Werk? –

      Kann Graf Walter den geringsten Gedanken von Eigennutz in meiner Seele ahnden? fragte ich mit einem Erstaunen, welches dem seinigen wenigstens gleich kam. Sollte es möglich seyn, daß ähnliche Gesinnungen in seinem Busen Platz finden? Oder ist vielleicht das Ganze ein Versuch, seine Freundinn auf die Probe zu stellen?

      Er biß sich auf die Lippen und schwieg. Meine Augen waren fest auf ihn gerichtet und er erholte sich erst spät, um die Miene zu verändern, und mir zu erweisen, wie er bey einer Sache, welche weiter gar keine Beziehung auf ihn haben könne, blos um mich sorge, und wie das edelste, uneigennützigste Herz, bey Freundesangelegenheiten, wohl Betrachtungen stattgeben könne, die bey eigenen aus dem Sinn geschlagen würden.

      Ich glaubte alles, was Walter mir sagte, und also auch dieses, und er war im Gegentheil so gefällig, auch meine Vorstellungen gelten zu lassen, und mir am Ende einzuräumen, daß eine Verbindung zwischen dem Grafen Venosta und Graf Rudolfs Wittwe allerdings eine höchst annehmliche und selbst für mich vortheilhafte Sache seyn müsse, auch versprach er mir, so bald die nächste Unternehmung wider den Abt von Sankt Gallen geglückt seyn würde, auf meine Seite zu treten und das Glück meiner Lieben durch Bitten und Überredungen beschleunigen zu helfen.

      Der Heerzug gegen den gemeinschaftlichen Feind betraf die Einnahme einer der Burgen, welche er dem rechtmäßigen Erben vorenthielt, und man machte sich des andern Tages früh vor Aufgang der Sonne auf, durch List und Waffen den Sieg zu erstreiten, den man schon fast in den Händen zu haben glaubte.

      Meine Freundinn und ich hatten unsere Helden schon zu oft von ihren Unternehmungen glücklich zurückkehren gesehen, als daß wir ihnen Seufzer oder ängstliche Wünsche hätten nachschicken sollen; wir hatten die Zeit ihrer Rückkunft genau ausgerechnet, und den Anschlag gemacht, sie mit den zurück gebliebenen Kriegsleuten wie im Siegsgepränge einzuholen, dem fröhlichen Zuge voraus sollte eine mit Denksprüchen und Sinnbildern gezierte Fahne wehen, welche noch unter unserer Nadel war, und die wir uns mit der größten Emsigkeit zur bestimmten Zeit zu fertigen mühten. Unserer Gespräche bey dieser lieblichen bald vollendeten Arbeit waren mancherley, ich nannte die reizende Hedwig scherzend meine Tante, und diese lohnte mir damit, daß sie meinen Namen mit dem Namen Graf Walters verschlungen in ein leeres Wappenfeld setzte. Unsere Unterhaltung ward ernsthafter. Sie bezeugte mir über das, was mich vorlängst befremdete und bekümmerte, über Walters schweigende Liebe ihre Verwunderung, und betheuerte eben, daß sie nur darum Gräfinn Venosta zu werden wünschte, um den blöden11 Ritter, so nannte sie Waltern, zum Sprechen zu bringen, und sein und mein Glück mit Nachdruck zu befördern, als ein Geräusch im Schloßhof unser Gespräch und unsere Arbeit unterbrach; wir sprangen auf, der Hufschlag von Pferden würde uns die Wiederkunft unserer Geliebten haben ahnden lassen, wenn eine so schleunige Endigung des Streites möglich gewesen wär. Wir schickten unsere Dirnen hinaus, um Erkundigung einzuholen, und flogen selbst an die Fenster, um uns durch eigne Augen zu belehren.

      Die Gräfinn stürzte mit einem lauten Geschrey zurück, und mich versetzte der Anblick eines einigen blutenden Reuters, mit etlichen leeren Handpferden fast in den nemlichen Zustand. Ists Friede? rief ich mit halb erstorbener Stimme vom Altan herab. Ach Gott, Fräulein, erwiederte der Bote mit stammelnder Zunge, meine Herren! – Der Hinterhalt dort im Gebürge! – Beyde, Beyde gefangen! – O schleunige, schleunige Hülfe! –

      Schon waren unsere Leute beschäftigt, dem tödlich Verwundeten, der sich kaum mehr aufrecht erhalten konnte, beyzustehen, und mich machte das Entsetzen, anstatt mich in die Vernichtung wie meine Freundinn zu stürzen, stark genug, hinaus zu eilen, um Anstalt zur Rettung zu treffen. Ueberall war ich selbst gegenwärtig, und ehe eine Stunde verging, stand alles, was dieses Schloß von Mannschaft in sich hatte, in Waffen, und ich selbst in einer leichten Rüstung meines Oheims eilte zu der kranken Gräfinn von Rappersweil, die ich unter den Händen ihrer Frauen verlassen hatte, um mich mit ihr zu letzen12, und sie mit der Hoffnung glücklicher Wiederkunft zu trösten.

      Auch du, auch du eilst von mir? schrie Hedwig – Gott, was wird aus mir werden! Nimm mich mit dir, oder töde mich! Unglücksahndnng beklemmt mein Herz! nicht genug an alle dem Schrecklichen, was wir bereits erfahren haben, mich dünkt auch, wir werden uns nicht wiedersehen.

      Ich drückte meine schwache Freundinn an mein Herz, empfahl sie ihren Leuten und flog dahin, wo mich weit weniger Muth und Entschlossenheit, als Verzweiflung und dringende Noth riefen. Wir jagten mit verhängtem Zügel die Ebene hindurch und stiessen in den ersten Krümmungen des Gebürgs auf die Stelle, wo Tapferkeit hinterlistiger Bosheit unterlag. Ein schrecklicher Anblick! Eine im Blute schwimmende Wahlstatt13! Tausend Gegenstände, bey welchen das Mitleiden gern verweilt hatte, um noch vielleicht einige zu retten, aber wichtigere Betrachtungen hiessen uns die Ohren vor dem Gewimmer der leidenden Menschheit verschliessen, und den Weg ungesäumt fortsetzen. Doch schickte ich einige von meinen Leuten zurück, um das zu verrichten, was ich lieber selbst gethan hatte, und gebot dem einen von ihnen, wenn irgend aus dem Munde eines noch lebenden Nachrichten von Wichtigkeit zu erforschen wären, mir sie eilig nachzubringen.

      Durch dieses Mittel erfuhr ich den Weg, den die dreymal grössere Mannschaft des Abts von Sankt Gallen mit den gefangenen Helden genommen hatte, und langte noch vor Abends bey der Veste an, welche man mir als den Kerker meiner Freunde bezeichnet hatte.

      Wir rüsteten uns zum Sturm. Ich hatte erfahrne Krieger unter meinen Leuten, welche meiner Unwissenheit in Dingen dieser Art zu Hülfe kamen, und die dagegen durch meinen Muth, den Muth eines Weibes, doppelte Stärke erhielten. Nicht lange, so sahen wir von der Burg die weisse Fahne wehen, und mit gehöriger Vorsicht für die Sicherheit seiner theuren Person, kam auf der Zinne der Räuber meiner Lieben, der Unterdrücker der Unschuldigen, der abscheuliche Abt von Sankt Gallen zum Vorschein.

      Ich hatte meinen Helm abgesetzt, um mein glühendes Gesicht zu kühlen, und meine Locken, noch mit jungfräulichem Blumenschmuck geziert, den ich in der Eile abzulegen vergessen hatte, flatterten im Winde. Willkommen schönes Fräulein, rief der hämisch lächelnde Mönch, der mich kannte, zu mir herab. Die Freunde, welche ihr sucht, sind nicht mehr in diesen Mauren, darum höret auf, wider die Unschuldigen zu wüthen. Legt die schwere Rüstung ab, welche eurem Geschlecht so wenig ziemt, und kommt herein, ein friedliches Abendmahl mit mir zu theilen.

      Schon rüstete ich mich zu einer Antwort, wie sie der frechen Anrede gebührte, aber die Worte erstarben auf meinen Lippen. In meinen Ohren tönte aus hundert Kehlen das Wort: Verrätherey! ich sah zurück, und sah rund umher Feindes Schwerdter blinken, sah meine Leute zurückweichen und fallen, sah den Weg zu mir eröffnet, und das Kriegsvolk des heimtückischen Abts, das hinter uns in großem Haufen aus einem alten Gemäuer hervor stürzte, von weiten zu mir einstürmen. Mir vergingen die Sinne, und ich weis nicht, was aus mir geworden wäre, wenn nicht meine getreue Dirne, Mechtild, die mir unerschrocken in den Streit gefolgt war, mich aufrecht erhalten hätte. Mein unbehelmtes Haupt und das bleiche jungfräuliche Gesicht machte mich kenntlich, sie deckte es mit der Sturmhaube eines feindlichen Kriegsknechts, der nicht weit von uns gefallen war, hüllte mich in seinen Wappenmantel und zog mich aus dem Gedränge auf eine Seite, von welcher sich jetzt der Streit hinweg wandte.

      Die Nacht begünstigte unsere Flucht. Mechtild bewieß mir, indem wir unsern Pferden zueilten, daß meine Gegenwart hier, da es meinen Leuten nicht an Anführern fehlte, unnöthig, und meine Gefangenschaft bey dem kleinsten Zögern gewiß sey, auch war ich durch die letzte schreckliche Ueberraschung, und die heftige Anstrengung würklich zu sehr geschwächt, um etwas anders, als das beste Rettungsmittel des Weibes, die Flucht, übrig zu haben.

      Mehr tod als lebendig brachte mich meine Retterinn durch die öde nächtliche Gegend nach dem Schlosse zurücke, das ich, unbekannt mit meinen Kräften und der Stärke und Hinterlist meiner Feinde mit so großen Hoffnungen

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