Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz. Christiane Benedikte Naubert

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz - Christiane Benedikte Naubert страница 13

Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz - Christiane Benedikte Naubert

Скачать книгу

ewiger Gefängniß sey. – Seine Ursach, ihr und mir mit solcher Härte zu begegnen, mochte nun seyn welche sie wollte, so blieb so viel gewiß, daß keine von uns die Freyheit wieder geniessen durfte, um seine Grausamkeiten nachzusagen, oder ihrer Unglücksgefärthinn ebenfalls aus dem Kerker zu helfen.

      Erwegungen von dieser Art waren in diesen Augenblicken fern von mir, ich fühlte nichts als die Seligkeit des Wiedersehens, die ich hoffte. Ach Gott, es würde mir Trost gewesen seyn hier die gemeinste menschliche Seele zu finden, wenn ich sie nur zur Theilnehmerinn, zur Vertrauten meiner Leiden hätte machen können, aber auf Hedwigs Umarmungen hoffen zu können, wer kann mir sagen, wie vielfache Freuden für, mich in diesem einzigen Gedanken lagen!

      Leider war die Ausführung meines Wunsches nicht so leicht als ich wähnte. Die Gräfinn von Rappersweil ward so eingeschränkt gehalten als ich, und unser Aufseher blieb hartnäckig bey dem Entschlusse von der Instrucktion seines grausamen Herrn keinen Schritt abzuweichen. Mich dünkt, dieser Mann war nicht böse, es kränkte ihn vielleicht, uns hart behandeln zu müssen, aber es war ihm Gewissenssache nicht in dem kleinsten Punkte von dem abzugehen was er, wie er uns oft auf unsere Klagen antwortete, dem Grafen von Vatz hatte zuschwören müssen. Ihr seht, sagte er, ich bin in allen Stücken billig, wo ich es seyn kann, ich habe keinen besondern Befehl zu Einkerkerung des Kindes, das mir zugleich mit seiner Mutter übergeben ward, und ich laß es also all derer Vortheile geniessen, die ich ihr nicht gewähren darf. Auch ward mir nie verboten, der Gräfinn von Rappersweil alle Beschäftigung für ihren Geist und für ihre nimmer müssigen Hände zu geben, die sie wünschte, sie hat daher Bücher, sie hat ihre Spindel und die Weberspuhle, jetzt mag sie diese hinlegen und sich mit der Feder beschäftigen; eben dieser Vortheil soll euch zugestanden werden, und mich dünkt, es kann am Ende einerley seyn, ob ihr einander das, was ihr euch zu sagen habt, schriftlich oder mündlich mittheilt.

      Unser Aufseher eröffnete uns hier einen Weg zur angenehmsten Unterhaltung, der uns nicht eingefallen war, wir dankten ihm und vergassen nicht, uns desselben zu bedienen. Jeden Tag schrieben wir einander, und weil der treue Diener des Grafen von Vatz zu gewissenhaft war, unsere Briefe selbst zu bestellen, so ging alles durch die Hand des kleinen Rudolfs, der mich schnell liebgewann, gern meine enge Kammer besuchte, und außer den schriftlichen, allemal noch tausend mündliche Aufträge erhielt, die in seinem kindischen Munde oft so eine seltsame Gestalt gewannen, daß sie seiner Mutter und mir das herzlichste Lachen abnöthigten. Himmel wir lachten! Hätte unser Tyrann wohl denken können, daß seine Gefangenen Muse zum Lachen hätten?

      Hedwigs Briefe enthielten manche Aufklärung über mir bisher unbegreifliche Dinge, noch sind sie alle in meiner Gewalt, diese theuren Denkmale heiliger Freundschaft. Ihr, meine Töchter, für die ich schreibe, werdet sie nach meinem Tode als Beylage bey dieser Schrift finden. O was werdet ihr denken, wenn ihr aus denselben sehet, wie Walter nie derjenige war, für den wir Verblendete ihn hielten! wie er uns vom Anfang täuschte!

      Ja, er liebte mich einst, oder vielmehr die Güter, die ich zu hoffen hatte, er suchte, er hoffte und wünschte meine Verbindung, aber Betrachtungen, über die selbst Hedwig mir kein Licht zu geben vermochte, nöthigten ihn, sich nie wörtlich darüber zu erklären, und sich am Ende meine Hand von meinem Oheim fast aufdringen zu lassen. Seine Furcht, meine Aussichten auf Glück und Größe, und also auch die Seinigen möchten durch eine zweyte Vermählung meines Oheims verdunkelt werden, waren Ursach an Hedwigs Entführung. Er hatte die Zeit zu derselben künstlich gewählt. Ein geheimes Verständniß mit dem Abt von Sankt Gallen, dessen Feind er sich äußerlich nannte, brachte jenes mal den Grafen Venosta in seine Hände, lockte mich aus der Burg, überließ die Gräfinn von Rappersweil seiner Gewalt, gab ihm zugleich Gelegenheit, sich durch die Befreyung meines Oheims fest in seine Gunst zu setzen, und ihm das Geschenk, das er ihm mit meiner Hand machte, ungebeten abzunöthigen. Wer kann das ganze Gewebe unergründlicher Bosheit durchspähen, das unser Verfolger hier mit so viel List als Glück angelegt hatte? Er betrog den Abt von Sankt Gallen um seinen Gefangenen, den er ihm erst selbst in die Hände gespielt hatte; den Grafen Venosta um seine Güter, um seine Geliebte, und um mich; die Gräfinn von Rappersweil um ihre Freyheit, und mich um das ganze Glück meines Lebens.

      Graf Walter fühlte nie redliche Liebe gegen mich, der Hauptgegenstand seiner Wünsche waren meine Güter; nachdem er sich in den Besitz derselben festgesetzt hatte, nachdem ihm der Anblick meiner Schönheit gewöhnlich, der Umgang einer tugendhaften Gattinn lästig ward, so ergriff er die erste Gelegenheit sich von mir zu trennen, und vergaß nicht, meinem guten Namen einen Schandflecken anzuhängen, der mich jeder Hülfe, selbst der Hülfe meines gütigen Oheims, unwürdig darstellen mußte.

      Die Gräfinn von Rappersweil hatte den größten Theil der vorgemeldeten Dinge, die sie mir in ihren Briefen mittheilte, aus dem Munde der kürzlich verstorbenen Kastellaninn dieses Schlosses, einer gutherzigen Frau, welche durch ihren Sohn, der in Graf Walters Diensten stand, genaue Nachrichten von jedem seiner Schritte hatte. Ihr Umgang erleichterte der Gräfinn ihre lange Gefangenschaft, auch fehlte es dieser Frau nicht an Mitteln die Gewissenhaftigkeit ihres Mannes zu hintergehen, und der edeln Gefangnen manche kleine Erleichterung ihrer Leiden zu gewähren, welche jetzt nach ihrem Tode wegfiel. O hätte sie bey meiner Ankunft zu Uspunnen noch gelebt, was hätte sich von ihrer Hülfe hoffen lassen! was wäre drey einverstandenen Frauen, von denen die eine einige Macht, die andere Verstand und die dritte einen guten Theil von Muth besaß, was wär ihnen unmöglich gewesen! Selbst unsere Freyheit zu bewürken, würde uns leicht geworden seyn, wenigstens würde man mir das Glück, meine Hedwig zu umarmen, nicht so lang versagt haben.

      Wir trauerten oft in unsern schriftlichen Unterhaltungen über das, was wir an ihr verloren hatten; die Gräfinn tröstete sich denn mit dem Vergnügen, mich in ihrer Nähe, mich an einem Orte zu wissen, wo sie mich sicherer und glücklicher hielt, als in den Armen meines bösen Gemahls, und ich – hoffte auf bessere Zeiten.

      Und bessere Zeiten erschienen. Längst hatten wir Muthmassungen gehabt, daß wir nicht die einigen Gefangenen zu Uspunnen wären, und jetzt erhielten wir hievon Gewißheit, ohne jedoch unsere Neugier ganz befriediget zu sehen.

      In einer stürmischen Nacht, deren es hier, auf einer der höchsten Felsenklippen, welche allen Winden des Himmels zum Ziel diente, nicht wenig gab, kam in einem entfernten Flügel des Schlosses Feuer aus, der Wind trieb die Flammen bis nach unserer Wohnung, ihre Spitzen leckten an unsere eisernen Gitter, die Gefahr nahm überhand, und doch schienen wir ganz vergessen zu seyn. Niemand dachte darauf unsere Kerker zu öffnen, niemand die kleinste Anstalt zu unserer Rettung zu machen, alle Hülfe zog sich nach der östlichen Seite der Burg, welche in vollen Flammen stand. Unsere Angst war unbeschreiblich! doch wahrscheinlich verglich sich die meinige nicht mit Hedwigs Empfindungen, welche nicht nur für ihr eignes Leben, nein für etwas zu sorgen hatte, welches ihr unendlich theurer war, für das Leben ihres Sohnes.

      Sie wagte das Aeußerste; sie sah, daß sein Untergang unvermeidlich mit dem ihrigen verbunden war, und dachte nur ihn zu retten. Durch eine Oeffnung der Hintermauer, die nur eben weit genug war, seiner kleinen Gestalt den Ausweg zu verstatten, ließ sie ihn, an ihre Betttücher gebunden, hinab, und gebot ihm, sobald er den Boden erreicht haben würde, sich loszumachen und zu fliehen oder sich zu verstecken, bis die Gefahr vorüber sey. Welch ein Entschluß, den nur die äußerste Verzweiflung rechtfertigen konnte!

      Hedwigs Besorgnisse für das zarte Leben ihres Sohnes waren nicht vergeblich gewesen. Die zunehmende Hitze, (denn jetzt fingen endlich die Balken am benachbarten Gebäude Feuer), und der eindringende Rauch stürzten sie bald, nachdem sie ihren liebsten Schatz geborgen hatte, ohnmächtig zu Boden. Mir ging es in meiner Zelle nicht anders, und waren wir beide bey dem Hinsterben aller Kräfte noch eines Gedankens fähig, so war es sicher kein anderer, als der, an ein frohes Erwachen in einer bessern Welt; ein Gedanke, dessen Erfüllung wir zu glauben geneigt waren, als wir uns, da wir jetzt die Augen wieder aufschlugen, an einem hellen geräumigen Ort in freyer Luft, und die Freundinn, die wir liebten, nach der wir uns so lang vergeblich gesehnt hatten, an unserer Seite erblickten. O Hedwig! o Noria! riefen wir beyde aus einem Munde, indem wir einander in die Arme sanken!

Скачать книгу