Gamer. Группа авторов

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Toldo schaute zu ihm herunter und schenkte dem Kleinen ein Lächeln. Pelzwürmer galten als Glücksbringer, wenn sie von sich aus die Nähe des Menschen suchten. Sollte heute sein Traum in Erfüllung gehen? Das Jahr war gut zu ihm gewesen.

      Ein Knacksen. Dann noch eins. Toldo schaute hoch. Ein Koljak verließ auf der gegenüberliegenden Seite den Wald. Das silberne Geweih war klein. Ein Jung-Koljak, vielleicht drei Jahre alt. Ein älteres Weibchen kam hinter ihm aus dem Dickicht, streckte den Kopf in die Höhe und prüfte die Luft. Toldo wagte keine Bewegung. Aber sein Versteck war gut gewählt. Die Koljaks witterten ihn nicht. Langsam trotteten sie auf die offene Fläche, näherten sich dem kühlen Nass. Wo blieb der Alpha? Toldo atmete so flach wie möglich, verschmolz mit dem Blätterwerk um ihn herum. Ein Schwarm Vögel flog über sie hinweg. Sie waren zu hoch, um sie zu erkennen, aber ihr vielstimmiger Singsang klang bis zu ihnen hinunter. Toldo hörte es und musste automatisch an Siras wunderschöne Stimme denken. Wenn sie lachte, war er mit ihr in einer eigenen Welt, nichts anderes existierte dann mehr.

      Plötzlich eine Erschütterung direkt hinter ihm. Toldo fuhr herum, glitt auf dem moosigen Untergrund aus und fiel aus dem Busch heraus, auf den Rücken. Ein Koljak. Nein, nicht irgendeiner. Der Koljak. Der Alpha! Die Sonnenstrahlen spiegelten sich im Silber seines Geweihs. Selbst die dunkelste Nacht war hell gegen das Schwarz seines Fells. Doch nichts davon war so imposant wie die strahlend grünen Augen. Die leider direkt auf Toldo gerichtet waren. Die Reflexe gewannen Oberhand, die Welt verblasste. Mit einem Sprung war Toldo auf den Füßen. Der Alpha folgte ihm mit seinem Blick. Selbst im Stehen kam ihm das Tier riesig vor, Toldos Kopf war kaum auf Brusthöhe.

      Mit einem einzigen Hieb der Hufe konnte ein ausgewachsener Koljak einen Mann schwer verletzen. Aber das hier war nicht irgendein Koljak. Es war der Koljak. Der Alpha. Er hatte Toldo bemerkt. Dieser ihn leider zu spät. Ein Kampf war unausweichlich. Tod oder Sira. Es gab nichts dazwischen. Toldo schaltete das bewusste Denken ab, wie er es gelernt hatte. Er sprang, ehe der Alpha ihn endgültig als Gefahr einordnen konnte. Toldo stieß den Speer im Sprung vorwärts. Doch dieser Koljak war alt. Älter als der weiseste Mann seines Stammes. Er hatte Zeiten kommen und gehen gesehen. Winter war auf Sommer gefolgt, ein nicht enden wollender Strom.

      Der Alpha machte nur eine einzige, kleine Bewegung zur Seite, doch sie ließ Toldos Speerangriff ins Leere stoßen, sein Sprung ging direkt an ihm vorbei. Der Jäger rollte ab, drehte sich wieder zum Tier, wollte gerade wieder angreifen, da übernahm der Koljak die Initiative. Der Alpha warf den Kopf in den Nacken, sein Röhren vibrierte in Toldos Brustkorb. Innerhalb eines Wimpernschlags hatte der Alpha seinen Platz in dieser Welt klargemacht. Er war immer hier gewesen. Und wollte es bleiben. Toldo kämpfte nicht gegen ein Tier. Er kämpfte gegen die Zeit an sich. Er hatte sich noch nie so lebendig gefühlt. Der Alpha senkte das Geweih, stürmte vorwärts. Toldo rammte seinen Fuß in die Erde, nahm alle Kraft zusammen, ließ die Muskeln explodieren und sprang vorwärts. Hölzerner Speer. Silbernes Geweih. Eines von beiden würde gleich Leben nehmen.

      Ruth rutschte auf ihrem Sitz hin und her. Emily müsste gleich dran sein. Der in der Schulaula-Atmosphäre beständig vor sich hin schwitzende Mann neben ihr hielt seine Kamera ein Stück höher, damit sie die Bühne besser erfasste. Die noch etwas dickere Frau neben ihm klopfte aufgeregt auf seine Schulter.

      »Da ist sie!«

      Offenbar war ein Kind gemeint, dass gerade als Erbse verkleidet am Rand der Schulaufführung seinen Part hatte. Die dazu passende Kindermusik kratzte aus altersschwachen Lautsprechern durch die stickige Luft.

      Ruth hätte dennoch an keinem anderen Ort der Erde sein wollen. Die Musik verklang, und Dutzende standen auf, spendeten ihren Kindern Beifall, die teilweise unbeholfen in ihren Gemüse-Kostümen die Bühne verließen.

      Der Direktor im schlecht sitzenden Anzug trat auf die Bühne, nahm das Mikrofon und kündigte als Abschluss dieses laut seinen Worten gelungenen Abends den Auftritt des Schulorchesters an.

      Ruth lächelte.

      Das Orchester betrat die Bühne, stellte Notenständer auf, trug Instrumente herein. Die drei Sänger stellten sich vor die Musiker. Ruth hatte nur Augen für das blonde Mädchen in der Mitte. In ihrem weißen Kleid wirkte Emily ein paar Zentimeter größer, fast schon wie elf und nicht mehr »nur« zehn Jahre alt, wie sie nicht müde wurde zu betonen.

      Ruths Herz machte einen Sprung, und sie musste eine Träne unterdrücken, als die Musik begann. Mehr schlecht als recht fügten sich die einzelnen Instrumente zu einem Lied zusammen. Doch es war ihr völlig egal, ihr Blick war allein auf das kleine Mädchen gerichtet. Auch die beiden Jungs neben ihr, die Emily um gut einen Kopf überragten und auf ihre Gesangseinlage warteten, ignorierte sie.

      Das Lied hatte die Einleitung hinter sich gelassen, die Sänger stimmten ein. Irgendetwas Patriotisches rund um ihr Fleckchen Erde, was Ruth kaum gleichgültiger hätte sein können. Seitdem die Ärzte ihr vor einem Jahr gesagt hatten, dass sie noch rund achtzehn Monate leben würde, galt alle Kraft ihrer Enkelin. Ihrer einzigen Enkelin. Die letzten elf Monate hatte sie so intensiv er- und gelebt, wie nie zuvor. Sie sog jeden Moment auf, presste ihn in ihre Seele, sodass sie sich selbst in der Unendlichkeit daran erinnern konnte.

      Emilys Solo! Die beiden Jungs verstummten, und Emilys helle Kinderstimme erfüllte den Saal. Der Gesang war gut, die meisten Töne traf sie. Ruth konnte nicht mehr. Tränen liefen ihr die Wange hinunter, und sie schämte sich nicht dafür. Die letzten Wochen hatten sie jeden Tag für diesen Abend geübt. Es war eine wundervolle Zeit gewesen. Die Ouvertüre ihres Endes. Ein altes Leben ging glückserfüllt zu Ende. Und ein junges machte sich gerade erst daran, die nächsten Schritte zu gehen.

      Das Lied war vorbei. Ruth stand auf, applaudierte so fest, dass ihre Hände schmerzten. Sie jubelte, rief Emilys Namen. Ihre Enkelin sah sie und winkte zurück. Der Abend hätte besser nicht sein können. Wie so viele in den letzten Monaten. Dieser Moment war der lebendigste seit der Diagnose. Im nunmehr fast verstrichenen Jahr hatte sie mehr Glück erfahren dürfen, als sie zu träumen gewagt hätte.

      Mark gab der vor ihm aufstöhnenden Rothaarigen einen Klaps auf den nackten Arsch. Sie drehte sich um und warf ihm einen Blick zu, der ihn noch fester zustoßen ließ. Die Frau zuckte lustvoll und ging in seinem Rhythmus mit. Schneller, immer schneller. Schweiß tropfte von seiner Stirn auf den wunderschönen Rücken der Endzwanzigerin. Die Frau kreischte genau in dem Moment im Höhepunkt auf, als auch er kam. Sekunden dehnten sich zu einer Ewigkeit der Lust, dann sanken sie auf das zerwühlte Bett in der Luxuskabine des Kreuzfahrtschiffs. Die Rothaarige – Melissa? Melinda? Irgendwie so was – gab ihm einen Kuss auf die Wange und lächelte ihn anerkennend an, bevor sie aufstand und ins unanständig große Bad hüpfte. Durch die Glasscheibe konnte er sehen, wie sie unter die Dusche ging. Das Wasser floss über ihren makellosen Körper. Mark schaute an sich herunter. Man mochte ihn kaum für Anfang vierzig halten, dem Geld sei Dank.

      Sein Blick schweifte durch die Kabine. Er hörte das Meer durch die geöffnete Schiebetür seines Außenbalkons, roch die salzige Luft, unterlegt mit dem Duft nach Sex. Mark streckte sich im Bett aus, wodurch eine leere Champagnerflasche von der Matratze rollte. Was ein Lottogewinn so alles verändern konnte. Vor ein paar Monaten war er noch dabei abzustürzen. Job weg. Freundin ebenfalls. Die Wohnung würde bald folgen. Dann kam das große Glück. Ein nebenher ausgefüllter Lottoschein an einer Tankstelle war der Schlüssel gewesen. Seitdem ähnelte sein Leben einem einzigen Traum. Dank Personal Trainer und ein paar Operationen hätte ihn keiner seiner alten Freunde mehr wiedererkannt – falls er den Kontakt gehalten hätte. Aber dazu hatte er gar keine Lust gehabt. Mit dem Geld kamen neue Menschen in sein Leben. Dass sie es größtenteils nur darauf abgesehen hatten, war ihm egal. Das machte es ihm leichter, sie im schnellen Rhythmus wieder auszutauschen. Mark stand auf, nahm eine Champagnerflasche aus einem Kühler, legte sie an den Mund und nahm einen Schluck. Das teure Nass kribbelte in der Nase. Eigentlich machte er sich nichts aus dem Zeug. Aber es passte einfach so gut zu seinem neuen Leben!

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