Streben nach der Erkenntnis. Klaus Eulenberger

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Streben nach der Erkenntnis - Klaus Eulenberger

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sehr ärgerlich. Manchmal fluchte er sogar laut und verließ erst einmal das Zimmer, um Zeit zu gewinnen. Häufig ging er dann zu seiner Schwester Frida und – das dauuuueeeerte und dauuuueeeerte, bis er zurückkam. Immerhin war es eine verdammt weite Strecke bis zu Frida, und der Schnellste war Opa nun wirklich nicht mehr. Um die Sache zu Ende zu erzählen – der Herbert kam nicht in einer Stunde, da er auf dem Feld arbeitete und nicht abkömmlich war. Also ging die fürchterliche Streiterei zwischen Alfred und Martha weiter. Opa blieb nichts weiter übrig, als wenigstens einen Eimer Wasser zu holen. Mir tat er immer leid, wie er prustete, schnaufte und Mühe hatte, mit seiner Last die nächste Stufe zu erklimmen. War er oben auf der Etage angekommen, hatte er ja immerhin noch eine ziemliche Strecke bis in ihre neue Wohnung zu laufen. Häufig war ich bei Opa oben, um mit ihm zu schwatzen oder, was zwar selten vorkam, aber immerhin, Mensch ärgere dich nicht zu spielen. Wiederholt passierte es, dass ich, schon bei Annäherung an die Wohnung, dunkle Stimmen, mal laut, mal leise, hörte. Lief mir jetzt Oma, die auf der anderen Seite kampierte, über den Weg, hörte ich von ihr verächtlich: „Der redet schon wieder – mit irgendwelchen Leuten. Einfach furchtbar, der Kerl!“ Vorsichtig und leise öffnete ich die Tür zur Stube. Nun konnte ich Opa deutlich hören, denn die Küchentür stand offen. „Jaawollllll, Herr General, ich werde mit meiner Kompanie den Feind rechts umgehen, indem wir, verdeckt vom Wald, lang marschieren und ihn dann von hinten angreifen. Wieso haben Sie Bedenken? Die erste Reihe kniet nieder und schießt – die anderen schießen im Stehen und ich halte mir auch eine Reserve! Nur Mut, Herr General!“ Leise trat ich in die Stube und hörte zu. „OOOpa, mit wem redest du denn da? War das nicht gerade ein General, von dem du Befehle erhieltest? Wer war denn das?“ Opa war keineswegs über mein Kommen erschrocken. Er drehte sich langsam zu mir herum. „Ach, duuu, Klaus, schöööön.“ Opa Alfred freute sich immer sehr, wenn ich auf der Bildfläche erschien. Er hatte eine sehr dicke schwarze Filzjacke an, welche vorn sieben Knöpfe hatte. Entweder er trug sie offen oder es war mal hier und mal da ein Knopf geschlossen. Nie sah ich eine ordnungsgemäß zugeknöpfte Jacke. Die langen Hosen waren auch aus so einer Art braunem Filz. Sie wurden mit einem dicken, schwarzen Lederriemen in der Hüfte gehalten – aber wie? Er machte den Riemen nie ganz straff und das Ende kam nicht in die dafür vorgesehenen Schlaufen, nein, es hing einfach äußerst leger, na ja, eigentlich sehr liederlich, herab. Auch in der Wohnung trug er stets eine flache Schildmütze aus dickem Stoff, die ich schon von seiner Arbeit im Haus und auf dem Feld kannte. Sonst, bei der Arbeit, trug Opa ständig schwarze Stiefel, welche nie eine Bürste, geschweige denn Schuhcreme, gesehen hatten. Er onkelte ziemlich stark, was mich immer sehr verwunderte, denn ich kannte dies nur von kleinen Kindern und war immer der Meinung, dass dies bei Erwachsenen niemals vorkommt. Hier in der Wohnung hatte er natürlich keine Stiefel, sondern Filzpantoffeln an den Füßen. Seine Sachen waren alle fürchterlich veräuft. Irgendwelche grauen Schmierflecke waren an den Hosenbeinen und vor allem an der Jacke. Daneben hatte er aber noch viele braune und schwarze Schmierflecke, welche allesamt mit seiner Pfeiferei zusammenhingen. Oft schaute ich ihm zu, wenn er die Pfeife reinigte. Da kam ja richtiger braunschwarzer Teer aus den Bohrungen seiner Schmaucheinrichtung heraus. Aber wohin denn damit? Ein Teil floss in einen Glasaschenbecher, ein Teil auf den Tisch und viel war auch an seinen Händen hängen geblieben. Letzteres war ja für Opa kein Problem – er schmierte es einfach an die Jacke oder die Hose. Über den Teer auf dem Tisch und dem Aschenbecher gab es prompt am nächsten Tag fürchterlichen Ärger mit Oma Martha. Demgemäß sahen auch seine Hände aus. Diese riesigen Pranken trugen unheimliche Vertiefungen und Schwielen, in denen sich natürlich der Dreck der Zeit angesammelt hatte. Die Hände sahen immer gelb und leicht schwarz aus. Das Schlimmste aber, was sich in letzter Zeit als übelstes Ärgernis herausgestellt hatte, war, dass sich Opa in der kalten Jahreszeit auf den eisernen Ofen setzte, um etwas mehr Wärme in seinen Körper zu bekommen. Die Hosen waren, um die Hüfte herum, vor allem natürlich am Allerwertesten, ziemlich stark angesengt. Ihn störte das natürlich üüüüüberhaupt nicht. Sein Schnauzbart, von Menjoubärtchen konnte man weiß Gott nicht reden, war ungepflegt. Die Haare wurden selten gestutzt und reichten schon weit über die Oberlippe nach unten. Außerdem waren sie stark gelblich gefärbt – das Rauchen, was ihm unheimlich starke Freude bereitete, brachte eben auch so seine Nachteile mit sich. Das Schönste an Opa waren aber – trotz allem – seine sonnige Ruhe, seine Verträglichkeit und seine stahlblauen Augen, die verständnisvoll auf den Betrachter schauten. Wenn ihm aber doch einmal etwas zu viel wurde und etwas generell gegen seinen Strich ging, zum Beispiel, wenn Oma ihn immer wieder bissig attackierte, wurden die blauen Augen grau und es sprühten dunkelrote Funken daraus hervor. Außerdem nahm er zu einem solchen Anlass seine Hände, die er meist tief in den Hosentaschen vergraben hielt, heraus und donnerte zur Erhöhung der Wirksamkeit seiner Sätze mehrfach mit seinen Riesenfäusten auf den Tisch. Eines steht fest und daran ist nicht zu rütteln – Lothar und ich liebten Opa abgöttisch. Wir wurden aber auch immer mehr Zeuge, wie er verstärkt in die Kritik geriet. Aus diesem Grund versuchten wir, Opa zu helfen und ihn zu beeinflussen „Opa, du musst dir mehr deine Hände waschen – so richtig mit viel Seife und mit Bürste und kräftig schrubben. Und dann darfst du deinen Saft von der Pfeife nicht auf deine Jacke und die Hosen schmieren – niemals, bitte, bitte, bitte! Sich auf den Ofen zu setzen ist auch nicht sinnvoll. Du brennst noch einmal an und wir haben keinen Opa mehr!“ Lothar ergänzte plötzlich noch etwas deftig: „Außerdem darfst du deinen Rotz aus der Nase oder sonst woher, ebenfalls nicht an deine Jacke oder Hose schmieren.“ Da Opa traurig zu Lothar schaute, ergänzte dieser: „Wir wollen dir doch nur helfen, Opa. Das musst du doch auch einsehen und vor allem bekommst du immer mehr Ärger mit der Oma und den anderen. Davor möchten wir dich gerne bewahren.“ Wir gingen so weit, dass wir sogar mit Oma Martha über Opa redeten. „Oma, du musst auch etwas Verständnis für Opa haben. Er raucht nun mal gerne und da schmiert er eben dieses schwarze Dreckszeug überall herum. Sei doch so gut und hilf ihm einfach! Gib ihm ein Tuch und sage und zeige ihm, dass er damit alles abwischen soll, auch, dass er diesen Pfeifenreiniger nicht überall herumliegen lassen kann, denn außen an dem Ding ist ja dieses schwarze Teergelumpe dran.“ Generalfeldmarschall Martha wollte uns immer unterbrechen und redete in unsere Argumentation hinein. Sie konnte einfach nicht zuhören und andere Meinungen akzeptieren. Da Lothar und ich dies aber wussten (wir hatten uns schon vor dem Gespräch eingehend unterhalten und etwas Strategie gemacht), sprachen wir einfach weiter mit der Bemerkung: „OOOOma, bitte, lass uns doch auuuuuch mal reden. Wir haben uns das genau überlegt und höööööre uns mal bitte genauuuu zu.“ Das wirkte, wenn sie auch immer wieder versuchte, in unser Gespräch hinein zu kommen. Als wir dann zu Ende deklamiert hatten, kam aber ihre große Rede. „Ihr Kinder macht es euch verdammt einfach. Was denkt ihr denn, wie schwer ich es habe, den Alfred zum Waschen zu bewegen.

      Er mault herum, sagt, der Max (sein Bruder) habe es auch nicht so mit dieser blöden Seife und den Handtüchern gehabt und habe trotzdem das Gut ordentlich geführt und sei 76 Jahre alt geworden. Ich kann ihn maximal dazu überreden, sich die Hände zu waschen – selbst das tut er nur im Eilgang und mit äußerster Schnoddrigkeit. Er schmiert alles an seine Sachen, ohne Belehrung anzunehmen. Das, mit dem auf den Ofensetzen, ist die Krönung.“ All das hatte Oma, zwar mit Erregung, aber doch einigermaßen ruhig ausgesprochen. Plötzlich wurde sie aber wieder hysterisch. „Ich muss euch aber sagen, Jungs, so geht das einfach nicht mehr weiter! Hier muss eine Änderung her! Der Alfred gehört in ein Heim und unter Beobachtung! Am Ende brennt er uns noch einmal das gesamte Haus ab. Ich habe schon mit Selma gesprochen und ihr erzählt, was sich hier so abspielt. Übrigens – sie hat die gleiche Meinung wie ich.“ Lothar und ich waren entsetzt. „Das kann nun aber nicht wahr sein, Oma. Ihr wollt den guten Opa abschieben. Das empört uns. Am besten ist, Lutt, wenn wir das Opa einmal selbst erzählen!“ Nun wurde Oma aber ganz verdreht. Sie stand auf. „Wenn ihr das tut, Kinder, dann bin ich längstens eure Oma gewesen. Alfred darf davon nichts erfahren – er ändert sich nicht, und da hat er die Quittung nun eben am Hals!“, bellte sie uns an und marschierte aufgeregt im Zimmer auf und ab. Sie war rot im Gesicht, fuchtelte aufgeregt mit den Armen. Wir versuchten sie zu beruhigen, was nicht gelang. Also verständigten wir uns mit Zeichen hinter ihrem Rücken, dass wir einfach gehen, denn es hatte ja offensichtlich keinen Sinn, uns länger das Gekreische anzuhören. Wir gingen grußlos hinaus und wollten noch einmal über den Gang hinweg zu Opa. Da öffnete sich hinter uns die Tür wieder und wir hörten Omas geifernde Stimme: „Traut euch, zum Alfred zu gehen! Das ist

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