Leben aus dem Sein. Radhe Shyam
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Einfach und bedacht zu leben heißt nicht, stumpf oder verarmt zu sein. Im Gegenteil, in einem einfachen Leben hat man mehr Zeit für Vergnügungen und individuelle Kreativität. Es gab eine Zeit, in der die Stadtbewohner große Verehrung hegten für die Bauern, die unsere Nahrung herstellten und naturnah lebten, und in der sie Ehrfurcht vor der Natur hatten. Nun haben wir die Bauern gelehrt, ja sogar gezwungen, die größten Verbraucher von Chemikalien und Verschmutzer von Land und Wasser zu werden und unsere Erde als ein Objekt zu betrachten, das man nach seinem Willen ausbeuten und unterwerfen kann. Das einfache Leben in Harmonie und Einheit mit dem Göttlichen und seiner gesamten Schöpfung beinhaltet eine Ausgewogenheit und einen Sinn, die in unserer modernen täglichen Jagd nach Vergnügen und Bereicherung fehlen. Niemals hat es Menschen davon abgehalten, ein bequemes Leben zu führen oder gar Reichtümer und Macht zu erwerben. Ein Leben in Harmonie und Einheit mit dem Göttlichen geführt, bringt alles mit sich, was nötig ist, um die gesteckten Ziele im Leben zu erreichen.
Obgleich Babaji in einem sogenannten "Hindu" Ashram und Hindu Umfeld lebte, bestand er auf keinem bestimmten Glauben oder Religiosität. Er war überkonfessionell und riet allen, "der Religion ihres Herzens" zu folgen. Jede Religion ist gleich gut und führt zum selben göttlichen Ziel. Wieder und wieder sagte er, dass "Menschlichkeit" die einzige Religion sei. Er machte keinen Versuch, die Religion Indiens in den Rest der Welt zu exportieren, sondern er trat für eine Lebensart ein, die die menschlichen Lebensgewohnheiten und -bedingungen verbessert und erhöht und es der ganzen Schöpfung erlaubt, in beständiger Harmonie und Einheit mit dem Göttlichen zu leben, aus dem alle Lebensformen, alle Energie entspringen.
Im Haidakhan Ashram zeigte Babaji, wie dieses Leben aussehen kann. Er sagte: "Die neue Welt beginnt hier!" und hier liegt meines Erachtens die Hauptbedeutung von Haidakhan. Er ließ alle, die ihn aufsuchten, wissen: "Lerne die Regeln und folge der Disziplin, während du hier weilst. Dann, wenn du heimgehst, lehre die anderen in der gleichen Disziplin zu leben." Disziplin bedeutete, zu lernen, in Harmonie mit anderen Wesen und der ganzen Natur zu leben, wachsam und aufmerksam diese Lehren,- die Herausforderungen und Möglichkeiten des täglichen Lebens,- zu verwirklichen und anderen zu dienen als Ausdruck der Hingabe und Verehrung des Göttlichen - als höchstem Gottesdienst. Als wir in seiner Gegenwart lernten, ihn immer mehr und tiefer zu lieben, führte uns Babaji zu dem Wissen, dass, wenn man Gott zugetan ist, man alles Geschaffene liebt. Aus diesem Gefühl heraus behandelt man alle Menschen, die Erde, die wilden Tiere, die Vögel, die Blumen, das Wasser - alles - mit der gleichen Liebe und Ehrerbietung wie das Göttliche.
Diese Einstellung zu erlangen ist ein vernünftiges Ziel, das innerlich und äußerlich Glück bringt. Dieses Ziel, diese Lebensart kann im Weltlichen erreicht werden, aber es ist eine große Hilfe, an das Göttliche zu glauben. Es ist schwer diesen Lebensstil in der profanen Welt, die gewinnorientiert ist und nach neuen Vergnügungen und Spannungen strebt, auszuüben. Hilfreich sind Besuche in Ashrams, Klöstern und ähnlichen Einrichtungen, um sich "zurückzuziehen". Dort kann eine andere Lebenseinstellung gewonnen, können Erfahrungen gesammelt werden, die auf neuen Erkenntnissen und Mustern beruhen und sich im wachsenden Maße vom hektischen Leben und seinen Versuchungen befreien. Mann kann eine beträchtliche Verringerung von Furcht und Misstrauen erringen und sogar Eifer nach Lernerfahrungen und erweiterten Gelegenheiten im Leben entwickeln. Einher mit diesem gehen eine wachsende Ausgeglichenheit und Stabilität, die einem aufrecht und stark alle Stürme des Lebens ertragen lassen. Diese Lebensart beseitigt alle Abhängigkeit im Streben nach Glück oder Erfolg und erlaubt Liebesbeweise ohne Bindung oder Fesseln.
In der alten Kultur Indiens unterteilte und unterteilt man weise das Leben eines Menschen in verschiedene Lebensabschnitte. Die ersten zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre wurden im Zölibat verbracht (Brahmachari) hier wuchs man auf und erlernte die Handfertigkeiten für den späteren Lebensunterhalt innerhalb der Familie und der Kultur der Kommune. In uralter Zeit wurden die Kinder oft zu gelehrten Meistern und Weisen geschickt, mit denen sie viele Jahre lebten und lernten. Sie wurden von ihnen auf allen Gebieten der Erziehung innerhalb eines spirituellen und religiösen Familienverbandes - in Ashrams - unterrichtet.
Das nächste Stadium im Leben war das Verheiratetsein - oder das des Kriegers, Herrschenden oder Priesters. Dies war die Zeit für Heirat, das Aufziehen von Nachkommen, der Vergnügungen, der Eifer für das Entdecken und die Freude an Fähigkeiten, Künsten und anderen in der Jugend erlernten grundsätzlichen Prinzipien. Durch den Kontakt zu anderen Menschen und Kulturen, durch eifrige Tätigkeit und durch das Lehren ihrer Kinder durch Wort und Tat vertieften die verheirateten Menschen ihr Lebensexperiment und das des Göttlichen.
Wenn dann die Kinder vermählt wurden und ihr eigenes Geschäft eröffneten oder ihren Beruf ergriffen, waren die Eltern bereit, in den dritten Lebensabschnitt hineinzuwachsen, in dem sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Göttliche richteten und sich von ihren Familien, dem Geschäft, Reichtum oder Ruhm lösten. Oft bedeutete dies ein Leben in einem Ashram oder einer anderen spirituellen Gemeinschaft, wo sie sich auf geistige Dinge und Dienst am Nächsten konzentrieren konnten.
Es gab einen vierten Lebensabschnitt für diejenigen, die den geistigen Mut, Kraft und Einsicht dafür aufbrachten. Diese Menschen gaben sogar die Bindung und den Unterhalt der Gemeinschaft auf, in die sie sich zurückgezogen hatten. Sie gingen als Wanderer hinaus in die Welt, um mit anderen das Wissen und die Erfahrung, die sie in ihrem Leben erlangt hatten, zu teilen, und lebten von der Barmherzigkeit derer, mit denen sie ihr Wissen, ihre Arbeit und Liebe teilten.
Es gibt Anzeichen, dass sogar die westlichen Gesellschaften sich von den Auswüchsen der letzten dreißig oder vierzig Jahre abkehren. Die Jagd nach Reichtum hat kein Glück, keinen Frieden oder Sicherheit gebracht, weder dem Einzelnen noch der Gesellschaft. Die sexuelle Revolution hat sicherlich das Viktorianische Schweigen, Zurückhaltung und doppelte Moral gebrochen, den Sex aus den Schlafzimmern hinaus gebracht auf den Bildschirm und in Kinos. Dabei ist er verherrlicht, vermarktet und entmenschlicht worden. Dieses verführte Frauen dazu, Milliarden von Dollar für Kosmetik, kosmetische Operationen und Kleidung, die mehr enthüllen als bedecken, auszugeben, und sie wundern sich darüber, warum die Männer sie - noch nach zwanzig und mehr Jahren Kampf um ihre Rechte - als Sexobjekte behandeln. Weit praktizierte sexuelle Erfahrungen und Gebrauch von Drogen haben die einstmals fast ausgerottete Gonorrhoe und Syphilis auf einen epidemieartigen Stand gebracht, und Aids droht im 21. Jahrhundert die "schwarze Pest" zu werden. Durch die individuelle Jagd nach Vergnügen und Lebenslust haben wir den Sinn für ein Ziel in unserem Leben und in der Gesellschaft verloren. Unsere Kinder, die das Abgleiten der Älteren sehen, suchen weitaus größere Sensationen in ihrem Leben, um der Langeweile und Leere zu entrinnen. Die Menschen versuchen heute wieder bewusst, das Fernsehen und die Bücherläden von Schmutz und Gewalt zu befreien und kämpfen für die Wiederherstellung einer drogenfreien Gesellschaft.
Das individuelle und öffentliche Anliegen beschäftigt sich in erhöhtem Maße mit Ethik, Moral, sozialem Bewusstsein und bedachter Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft gegenüber anderen. Wir haben angefangen, von unseren politischen Führern moralische und ethische Grundsätze zu verlangen, die mehr im Einklang mit unseren höchsten Idealen stehen als die der korrupten Geschäftspolitik der Kauf-und-Verkaufsgesellschaft. Wir sollten darauf bestehen, dass das "Big Business" mehr auf einem erhöhten Bewusstsein beruht, dass dem Bedürfnis nach Wahrheit und Harmonie in der Arbeitnehmerbeziehung, den Verbrauchern und der Erde, die sie unterstützen, Rechnung getragen wird. Viele kleine Firmen vergrößern sich bereits auf der Grundlage von Wahrheit, Ehrlichkeit und echtem Kundendienst, und es gibt bereits eine Vereinigung von Investoren, sogenannte "soziale Investment Firmen", die ihr Stammkapital dazu benutzen möchten, auf öffentliche Körperschaften - tätig in Umwelt und Ökonomie - Druck auszuüben. Der Umweltschutzverein Greenpeace und ähnliche Organisationen sind weltweit tätig und werden von Menschen auf der ganzen Welt