Leben aus dem Sein. Radhe Shyam
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Vrindaban ist die Stadt, in der Krishna - er verkörperte das Göttliche als Vishnu und ist die Hauptfigur des indischen Epos "Mahabharatha" - als Kind in einem Hirtenstamm aufwuchs. Schriftliche Überlieferungen datieren die Zeitepoche, in der Krishna gelebt hat, auf ungefähr 6700 Jahre zurück, doch vermuten viele Historiker, dass sie näher an Christi Geburt liegt. Kürzliche archäologische Funde bestätigen das ältere Datum. Vrindaban als alte Stadt mit seinen engen, verwinkelten Gassen und übervölkerten Straßen gibt den vielen suchenden Pilgern und Touristen einen geeigneteren Rahmen als die aufdringlichen, geschäftigen indischen Handelsstädte. Noch heute ist Vrindaban berühmt für seine Milch und Milchprodukte. An den Straßen stehen viele Stände und Buden, in denen herrliche heiße Milch oder Milchtees, Chai genannt, feilgeboten werden. Dort kauften wir auch Süßigkeiten aus Milch und Zucker für Babaji. Um die vielen Tempel herum boten Straßenhändler Blumengirlanden für etwa eine Rupie das Stück an; diese werden dann den Gottheiten während der Abendandacht dargebracht. Auf den Straßen herrschte rege Geschäftigkeit - Käufer, Verkäufer, Bummler, Rikschas, Fahrräder, Pferdewagen, Ochsenkarren, einige Autos, unzählige Kühe, Schweine und Ferkel - alles war einträchtig in den Gassen zu finden. Als der Nachmittag zu Ende ging, hörten wir die Glocken aus Vrindabans tausend Tempeln ertönen, es wurden Gongs geschlagen und der süße Duft von Räucherwerk zu Ehren Gottes stieg in den Himmel.
Auch Babajis Ashram füllte sich, und wieder warteten lange Menschenschlangen, um seine Füße in Ehrfurcht zu berühren und ihm während des melodischen Om-namah-Shivay12 Gesanges ihre Gaben und sich selbst darzubringen. Als ich an diesem Abend eine Blumengirlande auf Babajis Knie legte und vor ihm niederkniete, nahm er sie und legte sie mir um den Hals. Auf dem Weg zu meinem Platz zurück hielt ich kurz in einer dämmrigen Ecke an, um mit einem Inder zu sprechen. Zufällig drehte ich mich im Gespräch zu Babaji hin und bemerkte, dass er mich genau in diesem Augenblick über die linke Schulter hinweg ansah, und noch bevor ich ihm zulächeln konnte, flog eine Orange an einer Säule vorbei, über die ausgestreckten Hände von drei oder vier Menschen hinweg - es war ein linkshändig, seitwärts ausgeführter Wurf - und prallte mitten auf meine Brust, wie um zu sagen: "Wer außer Gott kann so zielen?" Babaji lachte dabei und wandte sich schließlich seinen Schülern zu.
Zwei Tage lang waren Margaret und ich von der Freude und Aufregung getragen, mit Babaji zusammen zu sein. Wir standen um halb vier morgens auf, badeten und waren, noch bevor die ersten Tagesaktivitäten begannen, vor 5 Uhr auf dem Wege zum Tempel. Wir verbrachten singend im Tempel die Stunden, badeten in den Wellen der Liebe, des Friedens und der Freude, die von Babaji und den Anwesenden ausgingen. Wir unterhielten uns mit Schülern aus allen Teilen Indiens, Europas und Nordamerikas und lauschten ihren Erzählungen über Shri Babaji.
Nach zwei Tagen kehrten Margaret und ich nach Delhi zurück, um uns um meine Geschäftsangelegenheit beim Außenministerium zu kümmern. Sobald alles geregelt war, fuhren wir nach Vrindaban zurück. Erst spät am Abend erreichten wir den Ashram, der Gottesdienst war beendet, der Tempel fast menschenleer und nur noch spärlich erleuchtet. Hatten wir Shri Babaji verfehlt? Wir wussten, dass er nach Bombay aufbrechen wollte. Doch dann erblickten wir ihn, als er aus der Dunkelheit des Tempel hervortrat. Shri Babaji wies Margaret und mich durch einen Dolmetscher an, noch am selben Abend zusammen mit Swamiji und einer Gruppe meist westlicher Schüler zum Haidakhan Ashram zu reisen.
Mit der Schmalspurbahn ging es durch die Nacht bis Haldwani, zum Rande der Ebene, wo sie sich in das Himalajagebirge auftürmt. Paarweise trugen uns Fahrradrikschas mit dem hinten aufgeladenen Gepäck durch die geschäftigen Einkaufsstraßen zu dem bescheidenen Laden von Trilok Singh, einem Getreide- und Gemüsehändler und einem großen Schüler von Babaji. Von hier aus starteten die meisten Besucher ihre letzte Reiseetappe nach Haidakhan. Bei unserer Ankunft stand ein Jeep bereit, um Swamiji und andere aus der Gruppe das Tal hoch bis zum Ende der Straße zu fahren, zu einem Ort, der als "Dam site" bekannt ist.
Der Jeep fuhr langsam an den Hügelketten des Flusses entlang, und ich war wie bezaubert von der Schönheit dieser Gegend. Die meisten Berge waren mit Pinien bewachsen, und hier und da hatten Familien über Jahre hinweg Hügelterrassen angelegt, die zu dieser Jahreszeit dunkelgrün vom Getreide oder Gemüse leuchteten. Am Rande der Felder standen Steinhäuser mit roten Blechdächern und Schuppen, vor denen Ochsen und Büffel herumlagen. Über unsere Köpfe flogen Adler hinweg, eine Affenfamilie floh durch die Bäume, als der Jeep sich näherte. Unten, im breiten steinigen Tal, floss ein zahmer Fluss träge in einem oder zeitweise sich verzweigenden Armen in einem fast ausgetrockneten Flussbett talwärts dahin. Von Juli bis September jedoch verwandelt sich der Strom nach dem Monsun in einen rasenden Dämon, dann ist auch der Zugang zum Tal von Haidakhan versperrt.
In den Siebziger Jahren beschloss die indische Regierung, einen Damm am Taleingang zu "Babajis" Gautama Ganga, dem Fluss, der durch den Ashram fließt, zu erbauen, um die Wasserversorgung der Städte und Dörfer in der Ebene zu gewährleisten. Damals wurde eine Straße zum "Dam Site" gebaut, die den Bauern des Tales sehr zugute kam. Aber trotz der alljährlich anrückenden Arbeitstruppe an der "Site" und einer Einweihungsrede der Premierministerin Indira Gandhi wurde der Bau nie in Angriff genommen. Es scheint auch, als würde nichts weiter geschehen, seitdem Ingenieure die Bröckeligkeit des Felsgesteins bemerkten. Es würde abrutschen und einen Damm nicht tragen können. Außerdem würde die monsunbedingte Erosion das Wasserreservoir binnen zehn oder fünfzehn Jahren mit Schlamm füllen. Doch das Projekt brachte dringend benötigte Arbeitsplätze und Buslinien ins Tal und es entstanden kleine Teebuden, wo Reisende von und nach Haldwani und nach anderen Städten sitzen können, während sie auf die wenigen Busse warten.
Unser Jeep hielt am "Dam site", und wir legten die fehlenden drei oder vier Meilen nach Haidakhan zu Fuß zurück. Leute aus den Dörfern trugen unser Gepäck für zehn Rupies, etwa 3 DM, - ein Preis, der damals von Shri Babaji festgesetzt wurde und auf dem er bestand, um den Dorfleuten ein angemessenes Einkommen zu verschaffen und sie davon abzuhalten, an naive Reisende, die jeden Preis gezahlt hätten, überhöhte Forderungen zu stellen. Auf unserer Wanderung durch das Flusstal zählte ich einundzwanzig Flussüberquerungen, manche knöchel- andere knietief. Während unseres Marsches trafen wir Talbewohner auf dem Weg zur Busstation, Hunde bellten uns an, und sobald wir uns den Häusern näherten, kamen Kinder herausgelaufen und riefen uns "Bhole Baba ki Jai!" zu, "Heil dem einfachen Vater!". Das Gefühl, nach Hause zu kommen, war stark, trotz der Fremdheit der ganzen Szenerie und Kultur.
In Sichtweite des Ashrams, ungefähr eine Viertelmeile flussabwärts, befindet sich eine Insel im Flussbett, auf der ein Baum wächst. Die Legende erzählt, dass Gott Shiva seine Gefährtin Sati zu dem Berg brachte, der hinter der Insel ansteigt und der in der Umgebung als Berg Kailash bekannt ist. Sati pflegte sich bei dieser Insel zu baden. Der Gipfel des Kailash und die Höhle an seinem Fuß werden mit Shivas tausendjähriger Buße (Meditation und andere spirituelle Praktiken) zugunsten der Menschheit in Verbindung gebracht. Jetzt steht dort auf der Insel ein orangefarbener Hanuman - ein Gott13 in Affenform, der zur Erde kam, um Rama und seiner Gefährtin zu dienen - der Pilger und Reisende segnet und willkommen heißt.
Ich war verwirrt von der Anzahl der indischen Götter und Heiligen, mit der mich die hinduistische Kultur bekannt gemacht hatte, und fragte mich, was ich mit Hanuman anfangen sollte. Ich erfuhr dann, und später immer wieder, dass trotz Hunderten von identifizierbaren, geschichtlichen Göttern, Göttinnen und Dämonen in der indischen Kultur und Religion die Heiligen Schriften und die gelehrten Hindus fest behaupten, dass "Gott eins ist, Nichts kommt ihm gleich."14 Die Vielfältigkeit der Göttinnen und Götter hat ihren Grund in der Bemühung, die vielen Aspekte des einen formlosen Gottes aufzuzeigen und ihnen eine Gestalt zu geben sowie die Gesetze, denen das Universum unterliegt, wie Schöpfung, Erhaltung