2136. Tino Hemmann

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2136 - Tino Hemmann

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Educares erhoben werden, der einen Räudiger bedrohte!

      Der Kleine hatte ganz genau gehört, was Juli über ihn, Simo, den peinlichen Räudiger, vor allen Spunden der Rotte behauptet hatte. »17 ist unser wertvollster Spion. Du weißt es. Ich weiß es. Er war am längsten draußen. Eines Tages wirst du froh sein, dass er lebt, 01.«

      *

      Am Terminal rief 01-Spundgruppenführer-Elia im Takt der Schritte: »Und – jetzt – halt!« Alle blieben gleichzeitig stehen, keiner rührte sich, bis Elia rief: »Links – dreht – euch!« Bei »euch!« drehten sich alle um 45 Grad. Und dann brüllte er auch schon: »Zack, zack, ihr hinkenden Pisspimmel!«

      Sogleich rannte 02-Spundzweigboss-Alex los, ihm folgte die erste Reihe, dann die zweite. Am Terminal fingen die Jungen das Paket mit der Ausrüstung für den praktischen Unterricht auf, die ein elektronisch gesteuertes Lagerfach alle drei Sekunden ausspuckte, und bildeten auf der anderen Seite des Terminals, das in die große westliche Halle des Ausbildungsgeländes integriert worden war, wieder eine wohlgeordnete Jungenrotte.

      Alle Spunde wurden zum Spundschützen ausgebildet. Nur die aus dem dritten Zweig jeder Gruppe – einem solchen gehörte Simo an – wurden zum Spundspion entwickelt. Da jede der sechzig Gruppen der Pythonrotte einen Spionzweig besaß, konnten es letztendlich dreihundertsechzig Spione werden. Während die Schützen mit kleinen, automatischen Handfeuerwaffen übten, waren die Spione faktisch besser bewaffnet. Ihre eigentlichen Waffen waren Zirkler und Karte. Alle Spunde wurden zudem im Mannkampf ausgebildet, eine spezielle Kampfart, in der es ausschließlich darum ging, einen möglichen Gegner so schnell wie nur möglich zu schlachten. Kraft- und Ausdauertraining rundeten die Ausbildung ab.

      Im Tunnel ließ Elia die Gruppe stoppen und abknien. Jeder Spund rollte seinen Pelz aus, einen synthetischen Anzug, der zur täglichen Ausrüstung gehörte. Das fellartige, zum Teil metallische Gewebe war elastisch, schmiegte sich an den Körper an und die Jungen packten sich von den Füßen bis zum Kopf damit ein. Der Pelz – so wurden die Anzüge genannt – war bis zu einem gewissen Maße wasser- und hitzeabweisend, war mit verstärkten Sohlen versehen, ohne dass die Bewegung der Füße eingeschränkt war, und er besaß ein lichtdurchlässiges Visier aus elektronischem Papier (EPV), das sich aus dem Kunststoffhelm über die Augen abrollte. Meist erhielt ein Zweig eine gemeinsame Aufgabe, die es zu erfüllen galt.

      Linu, der Spundzweigboss, verließ sich oft auf Simos Intuition, denn Nummer 17 kam draußen wesentlich besser zurecht als die meisten Educares, die vor ihrer Rottenzeit keine natürliche Umgebung kennenlernen durften. Simo hingegen atmete auf, wenn seine Zeile den Tunnel durchschritten hatte und auf der Plattform im Gebirge stand.

      Während die Rottenführerin ihre Ansprache zur Tagesaufgabe hielt, die jeden Tag mit den Worten »… eifert also jenen Spunden nach, die für die demokratische Freiheit unserer Republik in den Tod gingen!« endete, woraufhin alle Jungen kniend Beifall schlugen, genoss Simo den Blick hinunter in das herrliche Tal der Apenninen, saugte die frische Luft ein und versuchte am Horizont des weit entfernten Tieflandes den Punkt zu erreichen, wo er einen Hort der Freiheit zu erkennen glaubte.

      »Yäh, 17, hast du das gehört?«

      Simo schreckte auf und blickte erstaunt zu 13-Spundzweigboss-Linu. »Was meinst?«

      »Du peinlicher Räudiger, hat’s dir wohl die Ohren verdichtet? Schau auf dein Display. Einzelaufgabe! Nun mach dich endlich los!«

      Während Simo sein EPV herunterrollte, wandte sich Linu ab. Noch während er die Zeichen entzifferte, lief Simo bereits, stolperte mit anderen Spunden einen Pfad hinunter, weiter und weiter ins Tal, schneller und schneller, bis kein einziger der Spunde seinem Spurt mehr folgen konnte.

      Mit einem geschlagenen Haken und zwei kurzen Schritten verschwand Simo hinter einem Baum, kletterte auf einen Fels, weiter hinauf, kroch über den Rand und folgte einem Bergpfad, der dicht an einem Abgrund vorbeiführte.

      Schließlich erreichte er eine schmale Hängebrücke, hielt sich an den Seilen fest und lief mit großen Schritten mindestens zweihundert Meter über dem Abgrund zum anderen Ende der schwankenden Brücke.

      Dort versteckte er sich im hohen Gras und nahm kauernd Zirkler und Karte zur Hand. Das EPV zeigte ein Strichmännlein, das hieß so viel wie »Einzelaufgabe«, was im Training nicht oft vorkam. Daneben standen Koordinaten, eine völlig neue Methode, welche der Morgenlandarmee angeblich unbekannt war, eine Kombination aus zehn Zeichen. Am rechten seitlichen Rand gab es drei verschiedene Zahlen, am unteren Rand zwei. Die Zahl unten links bedeutete den metrischen Abstand zum Zielpunkt. 4.719. Das war ein langer Weg im Gebirge und Simo vermutete, dass er damit fast die Randzone des Rottengebietes erreichen würde. Die Zahl unten rechts zeigte seine momentane Güte an, wobei er mit 64 über seinem persönlichen Schnitt lag. Nun nahm Simo den Zirkler zur Hand, einen durchsichtigen, aufklappbaren Fächer, auf der gesamten Fläche mit unzähligen Zeichen und winzigen geschwungenen Linien beschriftet. Er legte den Zirkler auf die Karte, suchte das erste Zeichen und legte das gleiche Zeichen auf dem Zirkler genau darüber. Nun drehte er den Zirkler so lange, bis alle vorgegebenen Zeichen übereinander lagen. Er las die drei Zahlen am rechten Rand des EPV und suchte sie auf dem Zirkler. Von jeder der Zahlen ging eine geschwungene Linie ab. Dort, wo sich die drei Linien kreuzten, befand sich der Zielpunkt seiner heutigen Aufgabe.

      Simo prägte sich diesen Punkt genau ein, wusste auch, wo er im Moment war, und suchte auf der Karte einen geeigneten Weg. Der Punkt war unmittelbar neben der roten Linie der Rottengrenze, die er niemals überqueren durfte. Täte er es doch, würde Praescius, das Computersystem der Europäisch Demokratischen Republik, ihn augenblicklich glätten.

      Simo lauschte. Es war sehr still, Tiere gab es hier nur wenige. Er hörte ein leises Rascheln ganz in seiner Nähe und duckte sich. Mitunter dachten sich die Führer Spiele aus, bei denen die Spione als Ziele für die Schützen herhalten mussten. Wurde ein Spion von der Übungsmunition des Ausbildungsgewehrs getroffen, dann blieb er – gesteuert über den Chip – sechzig Minuten ohnmächtig und konnte während dieser Zeit nicht die eigene Aufgabe erfüllen, was schließlich zu einer Verschlechterung der Güte führen würde.

      »Simo?«, flüsterte eine Stimme in der Nähe. »Simo, bist du hier? Ich weiß, dass du hier bist. Ich muss mit dir sprechen!«

      Simo hob den Kopf, verriet jedoch nicht seinen Standort. »Was fragst, Juli? Hab Monoauftrag. Kann nicht quasseln.« Juli hatte ihm das Leben gerettet und Thom das Leben genommen. Trotzdem war er immer noch ein Educares. »Was andres wirst nie sein«, sagte Simo und verriet damit die Gedanken.

      »Simo, red mit mir. Was andres soll ich nie sein?«, fragte Juli und seine Stimme kam deutlich näher. »Was meinst du damit?«

      »Kein Räudiger wirst sein«, antwortete Simo, der Juli durch das hohe Gras nicht entdecken konnte.

      »Vielleicht bin ich aber einer und das System irrt?«

      »System irrt? Verflachst mich wohl? System nie irrt. Stromer dich, muss Aufgabe tun, Juli.«

      Juli sprach Simo mit dem Vierletter an, also tat es Simo auch. Zahlen waren eben nur Zahlen.

      »Kein einziger Educares hätte dich ins Leben zurückgeholt. Kein einziger!« Und nach einer kurzen Pause rief Juli: »He, Simo, nimm das, dann weißt du, dass ich dir nichts tun werde!«

      Ein Gegenstand kam zu Simo geflogen und landete unmittelbar vor seinen Knien. Es war Julis Waffe! Simo staunte nicht schlecht, ergriff das Übungsgewehr und erhob sich. Juli war nun unbewaffnet, es bestand keine Gefahr. Juli, der beste Schütze – wehrlos!

      »Bleib unten!« Juli kam durchs Gras gekrochen,

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