Kreta Reiseführer Michael Müller Verlag. Eberhard Fohrer

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Kreta Reiseführer Michael Müller Verlag - Eberhard Fohrer MM-Reiseführer

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Archäologen al­les pein­lichst ge­nau im Originalzu­stand be­lassen hät­ten, zog Evans Zwi­schen­de­cken ein, ver­vollstän­dig­te ab­ge­brö­ckelte Mauern mit Beton, stell­te neue Säulen auf die Stümp­fe, mal­te die Räu­me mit knal­ligen Far­ben aus. Kurz, er tat alles, um we­nigs­tens Tei­le des Palas­tes so wie­der­her­zu­stel­len, wie sie ge­wesen sein könn­ten. An­de­rer­seits ließ er Mau­ern, die nicht in sein Bild vom Palast pass­ten, ri­goros ver­schwin­den, ja kartogra­fier­te sie nicht ein­mal. Vor allem dies wird ihm heu­te schwer an­gekrei­det. Was Evans an stren­ger Wiss­en­schaft­lich­keit zu we­nig hatte, hatte er zu viel an Intui­tion und Spe­ku­lation. So schloss er aus dem Vor­handensein ei­ner schlich­ten Ton­wan­ne gleich auf die Funktion des Rau­mes - na­tür­lich ein Badezim­mer. Der feh­len­de Abfluss stör­te ihn da­bei nicht. Ein ein­ge­stürztes Oberge­schoss (Piano No­bile) richtete er wie­der völ­lig her - ob es wirk­lich je­mals so aus­sah, wissen die (minoi­schen) Göt­ter ... Jedoch muss man fai­rer­weise be­rück­sichtigen, dass die ar­chäologi­sche Wis­sen­schaft damals noch in den Kin­der­schu­hen steckte. So dachte Evans, er kön­ne die kost­ba­ren Reste der Ori­gi­nal­räume mit Stahl­beton­decken vor hef­ti­ger Son­nen­ein­strah­lung und Re­gen­fäl­len schützen. Eben dieser schwe­re Beton ge­fährdet aber heu­te die ur­al­ten Grund­mau­ern durch sein Ge­wicht auf be­denk­li­che Weise.

      Wie dem auch sei, Evans’ gewagte und originelle Rekonstruktionen ha­ben je­den­falls dazu beigetragen, Knossós „attraktiv“ zu machen. Sie sind bis heute nahezu un­verändert, obwohl die Wissenschaft mittlerweile vieles an­ders sieht - und die meisten Besucher freu­en sich daran, auch wenn Knossós die zweitteuerste ar­chäo­lo­gische Stätte Griechenlands ist (nach der Akropolis in Athen).

      Der Palasthügel von Knossós war schon während der Jungsteinzeit besiedelt - un­ter dem Zentralhof hat man Reste von Wohnhütten gefunden. Nach 2000 v. Chr. ent­stand dann der erste Palast, gleichzeitig mit den Palästen von Festós und Mália. Be­reits damals muss um den Hügel herum eine größere Sied­lung exi­stiert haben.

      Um 1700 v. Chr. wurden Knossós und die anderen Paläste wahrschein­lich durch ein Erdbeben zerstört, bereits um 1600 aber wiederauf­gebaut - noch schöner und we­sentlich grö­ßer als vorher. Die Blütezeit der minoischen Kul­tur fällt in diese Zeit. Knossós war der Mittelpunkt der In­sel, mit sei­nen beiden Hä­fen und weit über 100.000 Einwohnern hatte die Stadt um den Palast wohl annäh­ernd so viele Ein­wohner wie das heutige Iráklion! Von Knossós aus sollen der sagen­hafte König Mí­nos und seine Nachfolger die ganze Insel und das östliche Mittel­meer be­herrscht ha­ben.

      Das Labyrinth des Minotauros

      Laut Arthur Evans war Knossós der Schauplatz des grausigen Mythos um den Minotauros (→ Ge­schichte). Imponierend in seiner Größe und Viel­fältigkeit wirkt der Pa­last auch heute noch. Aber wie mögen ihn erst die Fest­landsgriechen emp­fun­den haben, als sie ihn nach der rätselhaften Brand­katastrophe von 1450 v. Chr. durchstöberten? Eingestürzte Licht­schäch­te und Mau­ern, lange rät­sel­hafte Gänge, verschüttete Etagen, Trep­pen ins Dun­kel ... Evans vermutete, dass sie ihn damals nach den zahllo­sen Dop­peläx­ten (= labrys), die überall in die Wände und Pfeiler ge­ritzt wa­ren, „La­byrinthos“ nann­ten. Allmählich wur­de dieses Wort gleich­bedeutend mit Chaos und Irrgarten, in dem sich kein ge­wöhn­licher Sterblicher mehr zu­rechtfindet - das Wort Labyrinth war ent­standen. So weit die Theorie von Evans, aller­dings gibt es dagegen gewich­tige Einwände und die Vermutung, dass sich das Labyrinth von Kreta ganz woanders befand (→ Link).

      1450 v. Chr. bricht eine bis heute rätselhafte Katastrophe über Kreta her­ein, nach äl­te­ren Theorien verur­sacht durch einen gewaltigen Vulkan­aus­bruch auf der Insel San­toríni, der eine un­ge­heure Flut­wel­le erzeugt, die wenig später die kretische Nord­küste er­reicht und furchtbare Ver­wüstungen anrich­tet. Neuere Unter­su­chun­gen stel­len den Zu­sam­menhang zwi­schen Vulkanaus­bruch und Zerstörung der Paläste jedoch entschieden in Frage (→ Ge­schich­te). Was auch immer die Ursa­che gewesen sein mag, der Pa­last brennt jedenfalls bis auf die Grund­mau­ern nie­der. Brandspuren sind noch heu­te an der Westfront zu er­kennen. An­ders als die übrigen Paläste wird Knossós aber zum zwei­ten Mal wieder­auf­ge­baut, wahr­schein­lich von den My­kenern, die da­mals Kre­ta eroberten. Aus die­ser Zeit stam­men auch die be­rühm­ten Linear-B-Schrift­tä­fel­chen, die man auf Kreta nur hier ge­funden hat - wahr­scheinlich die älte­ste Form des mykeni­schen Grie­chisch. In den 1950er Jahren konnte ein Brite die Schrift entzif­fern (→ all­ge­meiner Teil/Geschichte).

      Um 1400 folgt dann die endgültige Zerstörung des Palastes, vielleicht durch wieder neue Ero­be­rer. Die Sied­lung Knossós bleibt jedoch bestehen, ebenso wie ihre Häfen. Die Do­rer bewoh­nen fortan die noch immer mäch­tige Stadt. Sie überdauert so­gar die Be­set­zung durch Römer und Byzan­tiner, bis sie im 9. Jh. n. Chr. von den Sara­zenen zer­stört und geplündert wird. 1271 wird sie erstmals urkund­lich er­wähnt und ist mit Unterbrechungen bis heute bewohnt.

      Das Vorhandensein einer mächtigen Stadt Knossós war schon lange be­kannt. Ho­mer hatte in seiner Odyssee von ihr als Hauptstadt Kretas und Sitz des sagen­haften Kö­nigs Mínos berich­tet. Aber den uralten Mythen hatte jahr­hun­dertelang nie­mand Glau­ben geschenkt - bis der deutsche Hobby­archäo­loge Heinrich Schlie­mann Ende des 19. Jh. auf Grund seiner Homer-Studien Troja fand und mit seinen Aus­gra­bung­en in Mykéne und Tíryns das Vorhanden­sein einer glänzenden Kul­tur lan­ge vor der Zeit des „Klassischen“ Hellas bewies.

      Schliemann war es schließlich auch, der dem Palast von Knossós auf der Spur war. Auf dem Hügel von Kephála, nahe bei Irák­lion, sollte Knossós auf Grund der Über­lie­fe­rung liegen. Hier waren auch schon eine Men­ge Funde gemacht worden - der Be­sit­zer des Ge­län­des, der kretische Kauf­mann Minos Kalokairinos, hatte schon seit 1878 Pro­begrabungen vorgenommen und da­bei mächtige Tonpithoi und Steine mit Stein­metz­zeic­hen entdeckt. Aber die da­ma­li­gen tür­ki­schen Behör­den unter­banden die Aus­gra­bungen. 1886 kam Schliemann nach Iráklion und wollte das ganze Gelände kau­fen. Der gefor­derte Kaufpreis er­schien ihm jedoch zu hoch, zumal er skep­tisch war, was den Fund­ort anging. Da er au­ßer­dem alle Funde den grie­chi­schen Be­hör­den hätte ab­liefern müs­sen, reiste er ab - und beging damit den größten Fehler sei­ner Lauf­bahn!

      1894 kam Arthur Evans nach Knos­sós. Er war der Sohn eines ver­mö­gen­den Al­ter­tums­liebhabers, finanziell un­ab­hängig und ein be­geisterter Hobby-Ar­chäo­lo­ge. Sein besonderes Interesse galt eigenartigen Siegel­stei­nen mit merk­wür­digen, nie ge­se­henen Schrift­zei­chen, die er bei ei­nem Anti­qui­täten­händler in Athen ent­deckt hatte. Auf die Frage, woher er die­se Stei­ne habe, ant­wortete ihm der Händ­ler: „Aus Kreta.“ Auf Kreta an­ge­langt, ent­deckte Evans die rätselhaften Schrift­zei­chen auf den ver­schie­densten Zu­falls­funden auf der ganzen Insel. Vor al­lem aber be­merkte er, dass viele Frau­en in länd­lichen Gegenden diese ur­al­ten, durch­lochten Sie­gel­stei­ne um den Hals tru­gen. Jetzt war sein Inte­resse gänz­lich ge­weckt. Als er sah, was auf dem Hügel Kephá­la gefunden wor­den war, witterte er seine Chance. Er er­warb einen Teil des Geländes und si­cherte sich damit das Recht, ein Veto ge­gen jegliche Aus­gra­bungen von an­de­rer Seite ein­zu­le­gen. Vier Jahre später ver­ließen die Tür­ken Kreta und er konn­te das ge­sam­te Ge­lände kaufen.

      Im März 1900 begannen die Aus­gra­bun­gen. Noch im selben Monat wurde ihm klar, dass ein ganzes System von Ge­bäuden unter der Hügelkuppe ru­hen muss­te. In sei­nem Tagebuch no­tier­te er: „Nichts Griechisches, nichts Rö­mi­sches

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