Die Toten von Rottweil. Herbert Noack
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»Das war mein Auto«, antwortete der Wachmann mit unverschämtem Grinsen.
Zeller grinste zurück und belehrte den Witzbold. Er könne jetzt gehen, vorerst seien sie fertig. Er solle seine Adresse bei den uniformierten Kollegen hinterlassen und sich verfügbar halten. Zeller störte Seidels freche Art. So obercool aufzutreten angesichts einer wenige Stunden zurückliegenden grausamen Bluttat, warf kein gutes Licht auf ihn. Wenn er annahm, damit durchzukommen, hatte er sich gewaltig geirrt. Da war noch recht viel unbeantwortet geblieben, was dringend geklärt werden musste. Doch die nächste Befragung würde nicht hier im Turm stattfinden. Dafür war das Polizeirevier besser geeignet.
Kapitel 5
»Haben Sie die Namen aller Teilnehmer? War die gestrige Veranstaltung gut besucht?«, fragte Zeller seine neue Kollegin, kaum hatte er sie im Foyer des Turms wieder angetroffen.
»Es gibt keine Liste der anwesenden Zuhörer. Die Karten wurden nicht online angeboten, sondern von den Veranstaltern ausgegeben. Es war eine Gemeinschaftsveranstaltung des Rotary und des Lions Clubs. Einmal im Jahr findet ein Abend zu einem bestimmten Thema mit einem geladenen Referenten statt. Als Ansprechpartner fungierte der Präsident des Rotary Clubs, ein gewisser Herr Stranger. Über ihn lief alles zusammen. Der Club buchte den Referenten und übernahm die Kosten. Was der Richter für den Vortrag ausgezahlt bekam, weiß ich nicht. Meistens spenden die Referenten den Betrag an eines der Hilfsprojekte ihrer jeweiligen Organisation. Es ist nicht billig, das große Konferenzzimmer im Turm zu mieten. Da legen Sie für vier Stunden schon ein paar Tausend Euro hin. Dazu noch Getränke, Fingerfood und ein kleiner Snack als Bewirtung – man hat sich nicht lumpen lassen. Gleichfalls gab es einen Spendenaufruf an die Gäste für ein Projekt in Südamerika. Das ist bei derartigen Veranstaltungen gang und gäbe. Rotary unterstützt soziale Hilfsprojekte in der ganzen Welt, da wird immer Geld benötigt.«
Zeller hegte schon die Befürchtung, dass Jones mit ihrem Monolog nie zum Ende kommen würde. Als sie eine kurze Pause einlegte, um Luft zu holen, nutzte er den Moment und sagte: »Haben Sie den Präsidenten vom Rotary kontaktiert? Ich kenne ihn persönlich. Er ist ein guter Mann.«
Elli schüttelte den Kopf. »Leider habe ich ihn nicht erreicht. Dafür den vom Lions Club, einen Herrn Brauer. Aus seinem Verein sind insgesamt 35 Leute gekommen. 40 waren ursprünglich angemeldet, also konnten noch fünf Personen aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis mitgebracht werden. Die Beschaffung dieser Namen wird etwas Zeit in Anspruch nehmen. Brauer hat versprochen, sich darum zu kümmern.«
»Gut gemacht, Jones. Danke.«
Die junge Kollegin reagierte verlegen auf das unerwartete Lob. Ein Hauch von Röte überzog ihr Gesicht.
Zeller sah ihrer beider Anwesenheit im Turm vorerst als nicht mehr notwendig an. Sie könnten nun verschwinden, beschied er Elli und strebte gemeinsam mit ihr dem Haupteingang zu.
Beim Verlassen des Gebäudes sahen sie sich einer größeren Menschenmenge gegenüber. Die Anzahl überraschte selbst Zeller. Waren Sie alle hierher nach Rottweil gekommen, um von der höchsten Besucherplattform Deutschlands in über 200 Metern einen wunderbaren Blick auf die Alb und das Umland zu riskieren? Dass sie aus Sensationslust wegen des Mordes an den beiden Frauen erschienen waren, bezweifelte er. So rasend schnell konnte sich das kaum in der Stadt herumgesprochen haben. Dafür hätte schon das Schwarze Tor einstürzen müssen. Wahrscheinlich hatte man seitens des Turmbetreibers noch nichts unternommen, potenzielle Besucher über die zeitweise Schließung zu informieren. Jetzt standen sie vor dem Gebäude und warteten. Sicherlich fragten sie sich, was der Rettungswagen bedeutete und warum die Einsatzwagen der Polizei vor dem Eingang standen. Die Leute brauchten eine Erklärung.
Zeller spürte die wachsende Unruhe. Er kehrte zurück in den Turm und ließ die Turmmanagerin rufen. »Sie müssen schleunigst den Leuten da draußen Bescheid geben«, forderte er sie auf. »Die stehen da und warten auf Einlass. Hier kommt an diesem Wochenende aber niemand mehr rein. Das wird Ihnen hoffentlich klar sein.« Frau Schatz würde auf der Stelle handeln müssen. Das war schließlich ihr Job. »Haben Sie etwas auf Ihrer Homepage vermerkt?«, setzte er nach. »Noch nicht? Dann machen Sie es bitte rasch. Wenn das so weitergeht, stehen da draußen in ein paar Stunden einige Hundert Menschen. Da kann es zu Problemen kommen. Geben Sie auch eine Mitteilung ans örtliche Radio, damit erreichen Sie ebenfalls viele Leute. Kommendes Wochenende sieht es wieder anders aus. Da bin ich mir sicher.«
Frau Schatz wandte sich gerade zum Gehen, als Zeller sie nach einem weniger belagerten Ausgang fragte. Sie führte die beiden zum seitlichen Mitarbeitereingang und ließ sie hinaus.
»Hier soll das Auto vom Richter gestanden haben. Ganz schön clever. Da denkt man doch, es gehört einem, der hier arbeitet«, meinte der Hauptkommissar zu seiner Kollegin.
Sie kamen ohne große Schwierigkeiten an ihren Dienstwagen und fuhren zurück in die Stadt. Zeller rief im Büro an und fragte nach der privaten Adresse von Schuhmacher. Sie war nicht weit weg von hier, zentral gelegen, unterhalb der Königsstraße. Als sie dort eintrafen, sahen sie bereits zwei Autos der K8 vor dem Haus parken. Die sind wirklich auf Zack, dachte sich Zeller, da wird nichts auf die lange Bank geschoben. Ulli Brenner hatte ihre Truppe gut im Griff.
Kaum waren sie an der Wohnungstür angelangt, flogen ihnen zwei weiße Overalls entgegen. Zum dritten Mal an diesem Tag quälten sie sich hinein.
»Ich fasse es nicht, Paul. Schon wieder du. Anscheinend verfolgst du mich«, begrüßte ihn Ulli scherzhaft. Natürlich hatte sie ihn längst erwartet.
Zeller lachte. »Das hättest du wohl gern. Aber leider muss ich dich enttäuschen, du bist nicht der Grund, warum ich hier bin.« Er sah sich um. »Auf den ersten Blick eine ganz normale Wohnung. Ich hätte eigentlich erwartet, dass Schuhmacher anders gelebt hat. Wesentlich mondäner, mit einem alten, aus dunklem Mahagoniholz und bequemen Sesseln bestehenden Herrenzimmer, wo er abends gerne eine Zigarre rauchte und ein Glas Whisky dazu trank. Der Richter bekleidete seinen Posten schließlich schon seit etlichen Jahren. Ob er hier illustre Gäste empfangen hat? Kann ich mir nicht vorstellen. Na, immerhin verfügt die Wohnung über einen Balkon.«
»Wusstest du nicht, dass er geschieden war? Wie es heißt, hat er dabei sein Haus in Zimmern ob Rottweil und nicht gerade wenig Geld verloren. Seine ehemalige Angetraute hat ihn ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Sie lebt jetzt auf Gran Canaria und lässt es sich gut gehen. Das hat ihn total aus der Bahn geworfen. Noch dazu musste er seine zwei Kinder unterstützen, die beide studieren.« Ulli kannte sich blendend aus. Immer wenn Zeller Hintergrundinformationen zu stadtbekannten Leuten benötigte, fragte er zuerst die Leiterin der Kriminaltechnik. Erst wenn sie nichts wusste, und das war äußerst selten der Fall, versuchte er, andere Quellen anzuzapfen.
»Sucht nach Fremdspuren. Vielleicht war der Richter gestern Abend nicht allein. Sein Auto jedenfalls hatte er am Turm stehen gelassen. Außerdem hatte es einen handfesten Streit bei seinem Vortrag gegeben. Von hier aus ist es nicht sonderlich weit bis zum Hofgerichtsstuhl, wo man ihn gefunden hat. Die Strecke könnte ein Mann alleine schaffen, ohne für den Transport der Leiche ein Auto nehmen zu müssen«, überlegte Zeller laut.
»Es ist immer wieder schön, wenn du uns sagst, wie wir unsere Arbeit zu machen haben. Was würden wir nur ohne dich anstellen, Paul«, parierte Ulli die Gedankenspiele des Kommissars.
»Ich meine ja nur«, knurrte der zurück und es war nicht zu übersehen, dass er der Frotzelei überdrüssig wurde. Er schaute noch etwas unschlüssig in der Wohnung umher und sagte dann zu Elli Jones: »Kommen Sie, wir gehen woanders hin. Hier sind wir unerwünscht. Der Tag war bisher schon hart genug, da wird uns eine kleine Pause guttun.«
Sie spazierten von der Wohnung des Richters aus zuerst auf