Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten. Группа авторов
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74 H. J. Brandt / K. Hengst, Bischöfe und Erzbischöfe von Paderborn, Nr. 56, 269-299.
75 EAP, XXI 216, 159.
76 H. J. Brandt / K. Hengst, Das Bistum Paderborn 3, 41.
Ignaz Heinrich von Wessenbergs reformerisches Wirken und seine Vorschläge für eine gesamtdeutsche Lösung der Kirchenfrage auf dem Wiener Kongress (1814/15)
Manfred Weitlauff
1. Wessenbergs Werdegang und reformerisches Wirken im Bistum Konstanz
Ignaz Heinrich von Wessenberg, Sproß eines alten schwäbischen, 1681 in den Reichsfreiherrenstand erhobenen Ministerialengeschlechts, wurde am 4. November 1774 in Dresden geboren.1 Um ihn in seinem Werdegang und als kirchlichen Reformer einleitend wenigstens kurz vorzustellen: Er war das dritte Kind des damals als Prinzenerzieher und Oberhofmeister am kurfürstlich-königlichen Hof zu Dresden wirkenden Johann Philipp Karl von Wessenberg (1717-1794) und seiner Ehefrau Maria Walburga, geb. Gräfin von Thurn-Valsassina (1741-1779). Doch verbrachte er seine Kindheit und Jugend auf dem Familienstammsitz im breisgauischen Feldkirch (bei Bad Krozingen). Dorthin hatte sich der Vater mit seiner Familie 1776 zurückgezogen, um sich hier ganz der Erziehung seiner Kinder widmen zu können. Johann Philipp Karl, ein tiefreligiöser, aber auch aufgeklärter Adeliger, Verehrer Kaiser Josephs II., vermittelte seinen Kindern persönlich und durch sorgfältig ausgewählte Privatlehrer eine an den aufgeklärten Bildungsidealen orientierte, im damaligen Sinn umfassende weltoffene standesgemäße Erziehung und „moderne“ (übrigens durchaus „ganzheitliche“) Schulung, die – nicht zuletzt dank dem väterlichen Vorbild – ihr Denken und Handeln lebenslang prägten. „Unsere Ehrfurcht und Liebe für den Vater waren unbegrenzt. Wie die leibhaftige Vorsehung stand der Mann vor uns mit seinem ernsten und doch heitern Gleichmuth und einem Wandel, an dem kein Fleck auszuwittern war. Sein bloßer Anblick prägte uns Kindern einen tiefen Respekt für das Gute und Rechte ein, als irgend ein Buch oder Unterricht es je vermocht hätten“2. Wie beim katholischen Reichsadel häufig üblich, wurden er, sein älterer Bruder Johann Philipp (1773-1858) und sein jüngerer Bruder Aloys Anton Ludwig (1776-1830) bereits in jugendlichem Alter in die Domkapitel von Konstanz, Augsburg und Basel aufgenommen, in denen überall Verwandte saßen. Ignaz Heinrich erhielt durch kaiserliche „Primae preces“ Domkanonikate in Konstanz (1791) und in Augsburg (1792). Doch handelte es sich dabei zunächst lediglich um eine mittels verwandtschaftlicher Hilfe eingeleitete väterliche Vorsorgemaßnahme, die den Kandidaten für die Zukunft den – standesgemäßen – Eintritt in eine Domherrnpfründe (Kapitularstelle mit Sitz und Stimme im Kapitel) sichern sollte, aber eine andere persönliche Lebens- und Berufsentscheidung keineswegs ausschloss. Tatsächlich wechselte Johann Philipp 1791 zum Studium der Jurisprudenz an der Universität Freiburg über, verzichtete auf sein Basler Kanonikat und schlug in österreichischen Diensten die politische Laufbahn ein. Ignaz Heinrich und Aloys Anton Ludwig wurden wegen des Zustroms französischer Emigranten und der damit verbundenen Beunruhigungen zum Abschluss ihrer gymnasialen Ausbildung zu den Augsburger Exjesuiten von St. Salvator geschickt, deren antiquierte Lehrmethode sie allerdings in schlechter Erinnerung behielten.3 Seit 1792 studierten die beiden Brüder an den Universitäten in Dillingen, Würzburg und Wien – damals allesamt Stätten aufgeklärten Denkens – Philosophie, Kirchen-, Natur- und Reichsrecht, Reichsgeschichte und schließlich auch Theologie. In Dillingen begegneten sie Johann Michael Sailer (1751-1838), in Würzburg und wieder in Wien Karl Theodor von Dalberg (1744-1817), dem Koadjutor des Mainzer Erzbischofs und Kurfürsten Friedrich Karl von Erthal (1775-1802). Für Ignaz Heinrich waren es zwei für sein Leben entscheidende Begegnungen. Sailer, mit dem er lebenslang freundschaftlich verbunden blieb, verdankte er seine Vertrautheit mit der Bibel und der älteren Frömmigkeitstradition.4 Dalberg, seit 1800 Fürstbischof von Konstanz, lud ihn im folgenden Jahr 1801 ein, in seine Dienste einzutreten, und Wessenberg folgte entschlossen diesem Ruf – als eben im Frieden von Lunéville (9. Februar 1801) das Schicksal der Reichskirche besiegelt worden war.
Dalberg sandte den jungen Domherrn zunächst als seinen Bevollmächtigten nach Bern zu den Verfassungsberatungen der Helvetischen Republik, um dort die bischöflichen Rechte in der konstanzischen Schweizer Quart zu vertreten und vor allem den Fortbestand der dortigen Stifte und Klöster zu sichern. Wessenbergs Mission verlief so erfolgreich, dass ihn sogar der Papst dafür belobigen ließ.5 Im Frühjahr 1802 übertrug Dalberg dem gerade Siebenundzwanzigjährigen, der zwar inzwischen Subdiakon (1799), aber noch nicht Priester war, das Amt des Präsidenten der Geistlichen Regierung und des Generalvikars im Bistum Konstanz (Amtsantritt am 20. April 1802).
Man mag sich fragen, welche Motive Wessenberg, einen hochgebildeten, weltoffenen und energiegeladenen jungen Adeligen, der in seiner Jugend unter ganz anderen Voraussetzungen, auch aus Gründen einer seinem gesellschaftlichen Rang angemessenen künftigen Versorgung, als Domherr aufgeschworen worden war, veranlasst haben, das bereits sinkende Schiff „Reichskirche“ noch zu besteigen, statt sich mit Hilfe seiner hochkarätigen verwandtschaftlichen Beziehungen auf ein glänzenderes Berufsziel, etwa im staatlichen Bereich, umzuorientieren, zumal er noch keine höhere Weihe empfangen und gerade eben seine diplomatischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt hatte. Wessenberg gab rückblickend selbst die Antwort: „Für politische Geschäfte hatte ich wenig Geschmack und Neigung, und weltlicher Glanz hat nie einen Reiz für mich gehabt. Meinen Lebensberuf hatte ich damals schon fest ergriffen. Eine wahre Verbesserung der kirchlichen Zustände war die höchste Idee, für deren Verwirklichung ich mir Sinn und Kraft zutraute“6. Jedoch bekräftigte er auch: „Beim ersten Eintritt ins öffentliche Leben habe ich es mir zur wesentlichen Aufgabe gemacht, die Unabhängigkeit meines Geistes von den obwaltenden Tagesmeinungen und vor allen Parteiungen unversehrt zu bewahren. Dies hielt ich zur Behauptung eines selbständigen Charakters für durchaus nothwendig, und diese Selbständigkeit des Charakters für erforderlich, um jederzeit seinem Gewissen und seiner Überzeugung treu zu bleiben. Dem Beschluß mich durch Nichts von Beobachtung dieser obersten Lebensvorschrift abwendig machen zu lassen verdank‘ ich es, in wichtigen Dingen nie schwankend geworden zu sein“7.
Schon wenige Monate nach Wessenbergs Amtsantritt, am 4. Juli 1802, trat der Mainzer Kurfürst Friedrich Karl von Erthal resigniert seine Ämter und Würden an Dalberg, seinen Koadjutor und designierten Nachfolger, ab; kurz darauf, am 25. Juli 1802, starb er. Doch die Stadt Mainz war seit 1797 fest in französischer Hand. Im Diktatfrieden von Lunéville hatte Napoleon, der Sieger im Zweiten Koalitionskrieg gegen die revolutionäre Französische Republik und deren Erster Konsul, die linksrheinischen Reichsgebiete mitsamt der Stadt Mainz definitiv Frankreich einverleibt8 und auf der Grundlage seines im selben Jahr mit dem Papst geschlossenen Konkordats (15. Juli 1801)9 ein französisches Bistum Mainz errichtet. Unmittelbar nach Kurfürst Erthals Resignation, am 6. Juli 1802, setzte er in Mainz eigenmächtig einen Bischof (Joseph Ludwig Colmar) ein.10 Im Frühjahr 1803 brach über