An der Front und Hinter der Front - Au front et à l'arrière. Группа авторов

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An der Front und Hinter der Front - Au front et à l'arrière - Группа авторов Serie Ares

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Klimas ums Leben. In manchen Regionen Ostafrikas starben bis zu zehn Prozent der Bevölkerung, sogar ausserhalb der Kampfzonen.35 Soldaten aus verschiedenen Kontinenten waren im Einsatz. Die Kämpfe dauerten bis Ende 1918 und verwüsteten weite Teile Deutsch-Ostafrikas, Nordrhodesiens und Mozambiques. Das war die grausame Realität hinter Lettow-Vorbecks «Heia Safari».36

      Mit dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 waren die Kämpfe keineswegs beendet. Russland versank für Jahre in einem schauerlichen Bürgerkrieg, dem ein Krieg gegen das wiedererstarkte Polen folgte. Auch anderswo in Europa gab es Aufstände und Bürgerkriege. Im Nahen Osten folgten zum Teil massive militärische Auseinandersetzungen um das Erbe des Osmanischen Reiches. In Libyen wurde mit extremer Gewalt die im Weltkrieg geschwächte Kolonialherrschaft Italiens wiederhergestellt. Die Pariser Vorortverträge und der neu gegründete Völkerbund erwiesen sich als ungeeignet, eine dauerhafte Friedensordnung zu etablieren. Zwanzig Jahre später stand die Welt erneut in Flammen. Die Weltkriege des 20. Jahrhunderts waren ein hoher Preis für den Prozess der Globalisierung, welcher die Welt vernetzt hatte.

      Fazit

      Die Publikationen im Hinblick auf den hundertsten Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs haben eine Auseinandersetzung über die Ursachen dieses Kriegs ausgelöst, die in ihrer Heftigkeit schon fast an die Fischer-Debatte der 1960er-Jahre erinnert. Christopher Clark wollte in seinem Bestseller eigentlich nur der Frage nachgehen, wie Europa in diesen Krieg geriet. Die durch Polemik und Propaganda belastete Kriegsschuldfrage wollte er bewusst ausklammern.37 Doch das erwies sich letztlich als unmöglich, weil sich eben die Frage nach den Verantwortlichkeiten für Millionen von Toten dennoch stellt.38 Dabei nahmen die Entscheidungsprozesse im Sommer 1914 mitunter geradezu absurde Züge an.39 Doch die Entscheidungsträger handelten nicht in einem Vakuum. Vielmehr standen sie unter dem Druck struktureller Rahmenbedingungen, die man als langfristige Kriegsursachen begreifen kann. Die strukturellen, langfristigen Kriegsursachen gegeneinander abzuwägen ist eine äusserst schwierige Aufgabe, die hier nicht weiter verfolgt werden soll. Häufig werden in diesem Zusammenhang allerdings der Imperialismus, die Rivalität der europäischen Mächte in Übersee und die sich daraus entwickelnden Konkurrenzkämpfe erwähnt. Sicherlich spielte all dies in der internationalen Politik vor 1914 eine erhebliche Rolle. Doch im Licht der Forschung der letzten Jahre kann man wohl nicht davon sprechen, dass die Auseinandersetzungen um Kolonien und Märkte zu den entscheidenden Ursachen des Ersten Weltkriegs gehörten. Zwischen dem Deutschen Reich und Grossbritannien zeichnete sich sogar eine kolonialpolitische Annäherung ab.40

      So lagen denn die Kriegsursachen primär in Europa. Doch angesichts der bereits weit vorangeschrittenen Globalisierung und der Effekte der europäischen Expansion konnte dieser Krieg nicht auf Europa beschränkt bleiben. Wie schon um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert resultierte ein allgemeiner Krieg in Europa zwangsläufig in einem Weltkrieg. Damit war dieser Krieg aber auch keineswegs mehr eine rein europäische Veranstaltung. Die Entwicklungen in Aussereuropa wirkten mittelbar und unmittelbar auf Europa zurück: politisch, wirtschaftlich, militärisch und auch kulturell. Letztlich veränderte dieser Krieg in zahlreichen Wechselwirkungen die Welt. Es war auch bezeichnend, dass nach jahrelangem entscheidungslosem Ringen, in dem sich Europa zugrunde richtete, es des Eingreifens einer aussereuropäischen Macht, nämlich der USA, bedurfte, um dem blutigen Treiben ein Ende zu setzen. Und es mag kein Zufall sein, dass gerade die Führungen jener Mächte, die es nicht schafften, diesen Krieg global zu führen, sondern primär regional fixiert blieben – also Russland, das Osmanische Reich, Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich –, zu den unmittelbaren Verlierern gehörten. Frankreich und vor allem die angelsächsischen Mächte mit ihrem direkten Zugang zum Weltmarkt waren hier in einer ungleich besseren Position.

      Vor diesem Hintergrund und angesichts des begrüssenswerten Trends zu einer transnationalen Geschichtsschreibung ist eine auf Europa fixierte Historiografie des Ersten Weltkriegs nicht mehr adäquat. Sie war es eigentlich nie, denn dieser Krieg ist ohne seine globale Dimension gar nicht zu verstehen. Damit aber eröffnen sich neue Forschungsfelder und neue Kooperationsmöglichkeiten mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus vielen Teilen der Welt. Der Anfang ist gemacht, und die Zukunft verspricht noch viele neue Einsichten und Erkenntnisse zu liefern. Man darf darauf gespannt sein.

Wandel der Streitkräfte 1914–1918

      Am 6. September 1916 landete auf dem Schreibtisch Franz Conrad von Hötzendorfs, des langjährigen Generalstabschefs Österreich-Ungarns, ein ausführlicher Bericht des Vertreters des Armee-Oberkommandos (AOK) der Habsburgermonarchie bei der deutschen Obersten Heeresleitung (OHL). Thema des Schreibens war der Sturz Erich von Falkenhayns als Chef der OHL. Alois Klepsch-Kloth von Roden versuchte aus all dem Tratsch, der ihm zugetragen wurde, ein Bild der Gründe für die Entlassung Falkenhayns zu formen. Vermutlich nahm Klepsch-Kloth an, beim AOK würde eine möglichst kritische Beurteilung des Geschassten gerne gelesen, hatte es doch immer wieder starke Spannungen zwischen Conrad und Falkenhayn gegeben, die nach dem Zerwürfnis über die Frage nach der Zukunft Montenegros in eine regelrechte Funkstille zwischen den Köpfen der verbündeten Armeeführungen gemündet hatten. Den Hinweis darauf, dass eklatantes Scheitern auf dem Feld militärischer Führung die missliche Kriegslage und damit letztlich den Sturz Falkenhayns herbeigeführt hätte, quittierte Conrad mit einer lakonischen Randbemerkung. Die ungünstige Kriegslage sei «Resultat des Kräfte-Missverhältnisses zwischen uns und unseren Gegnern.» Er schloss kurz und knapp: «C’est tout!»1

      Es liegt nahe, in dieser Einschätzung aus der Feder Conrads auch eine Formel zu vermuten, die bei der Suche nach einer Entschuldigung für jene Rückschläge nützlich war, die Österreich-Ungarns Streitkräfte unter der Führung Conrads seit August 1914 immer wieder erlitten hatten. Die im Vergleich zum Gegner mangelhafte Ausstattung mit – angemessen ausgebildeten – Soldaten und mit Rüstungsmaterial gehörte denn auch nach 1918 bei Conrad und anderen Mitgliedern der früheren Militärelite zu den Standard-Topoi der Verteidigung. Der Beitrag von Martin Schmitz in diesem Band bietet Gelegenheit, die Rechtfertigungsstrategien dieser Kreise in der Zwischenkriegszeit näher kennenzulernen.2 Der Hinweis auf die Rüstungsdefizite und das strategische Ungleichgewicht bildete eine Waffe zur Verteidigung der eigenen Reputation, im Krieg selbst und noch darüber hinaus. Unberechtigt jedoch, das gilt es hier festzuhalten, war die Einschätzung keineswegs. Sie legte durchaus den Finger in die Wunde: Strategisch war die Lage der Mittelmächte eben von Beginn an ungünstig, und die weitere Entwicklung des Kriegs brachte nur kurzfristige Verbesserungen der Situation mit sich; kurzfristig nicht zuletzt deshalb, weil sich immer neue Gegner am Krieg beteiligten. Die Streitkräfte der Habsburgermonarchie standen damit bereits ab Herbst 1914 der Herausforderung gegenüber, sich trotz gravierender Rückschläge und gewaltiger Verluste an Material, an Mannschaften und nicht zuletzt an Offizieren in einem Mehrfrontenkrieg zu behaupten, auf den Truppe und Führung, aber auch Staat und Gesellschaft nur unzureichend vorbereitet waren. Von der Wirklichkeit des modernen Kriegs überrascht wurden auch die Gegner und Verbündeten der Donaumonarchie, aber die strategische Lage Österreich-Ungarns war besonders prekär und liess wenig Spielraum, um Fehler wettzumachen und Verluste auszugleichen. Insgesamt hatte die Militärführung Österreich-Ungarns immer wieder mit mangelnden Ressourcen zu kämpfen – mangelhaft vor allem im Hinblick darauf, dass zumindest bis zum Herbst 1917 die Lage an den Fronten prekär blieb, auch wenn bedeutende militärische Teilerfolge errungen worden waren. Und als nach Serbien und Rumänien auch Russland faktisch geschlagen und die Italiener bis zum Piave zurückgedrängt waren, reichten weder der Nachschub an Waffen, Munition und vor allem Nahrungsmitteln aus noch die Ersatzmannschaften, die die Lücken unter den Fronttruppen stopfen sollten.

      Die letzte grosse Offensive am Piave zeigte dann deutlich, wie geschwächt die k. u. k. Armee bereits war. Schliesslich brach die Italien-Front im Herbst 1918 zusammen und die Armee zerfiel in oftmals von ethnisch-nationaler Identität bestimmte Teile. Nach dem Hinweis auf die Rüstungsmängel spielte denn auch vor allem die zentrifugale Kraft der Nationalismen eine entscheidende Rolle bei der Suche nach Erklärungen dafür, dass Österreich-Ungarn den Krieg verloren hatte.

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