An der Front und Hinter der Front - Au front et à l'arrière. Группа авторов

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An der Front und Hinter der Front - Au front et à l'arrière - Группа авторов Serie Ares

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für relativ periphere Staaten besass.27

      Das Osmanische Reich war im Ersten Weltkrieg alles andere als peripher. Es war sogar eine besonders wichtige Macht in diesem Krieg. Die Gründe, welche Kriegsminister Enver Pascha und den inneren Zirkel der Jungtürken zum Kriegseintritt an der Seite der Mittelmächte bewegten, waren komplex. Vor allem aber fürchteten sie, dass das Reich unter den Siegermächten aufgeteilt werden würde, wenn man neutral blieb. Die Arroganz und Kurzsichtigkeit der britischen, französischen und russischen Politik taten ein Übriges. Militärisch verlief der Krieg für die Osmanen zunächst miserabel. Im Winter 1915 endete eine Offensive im Kaukasus in einer Katastrophe. Als russische Truppen bei ihrer Gegenoffensive von Armeniern besiedeltes osmanisches Territorium betraten, wurden sie zum Teil begeistert als Befreier empfangen. Aus der Sicht der Jungtürken war dies der endgültige Beweis für die Illoyalität der christlichen Armenier. So wurde die «Evakuierung» der armenischen Bevölkerung in die syrische Wüste befohlen. Über eine Million Menschen wurden dabei ermordet, verhungerten oder starben auf Todesmärschen. Es handelte sich um den einzigen systematischen Völkermord des Ersten Weltkriegs.28

      Der Völkermord an den Armeniern stand wie vorher schon der Massenmord an den Herero und Nama am Beginn eines Jahrhunderts der Genozide. Aber er war auch ein Rückgriff auf die osmanische Tradition der Massaker an unbotmässigen Völkerschaften. Auch deswegen sprach man in Europa schon lange vom «kranken Mann am Bosporus». Gleichwohl war es erstaunlich, dass dieses angeblich zerfallende Staatswesen fast vier Jahre eines beinahe totalen Kriegs durchhielt. Natürlich erhielten die Osmanen finanzielle, logistische, waffentechnologische, personelle und militärische Hilfe seitens der Mittelmächte. Doch dieser Umstand reicht nicht aus, um die Zähigkeit des Osmanischen Reiches in seinem letzten Krieg zu erklären. Auch die Forschung hat hierfür bislang kaum überzeugende Erklärungen gefunden.

      Zweimal griffen osmanische Truppen den Suezkanal an, wenn auch erfolglos. Bei Gallipoli verteidigten osmanische Truppen mit Bravour die Meerengen gegen britische, australische und neuseeländische Truppen, die schliesslich unter hohen Verlusten abziehen mussten. Bei Kut-al-Amara in Mesopotamien besiegten die Osmanen im Frühjahr 1916 sogar eine britisch-indische Armee. Die Gefangenen wurden auf einen Todesmarsch geschickt. Inzwischen standen 800 000 osmanische Soldaten unter Waffen. Aber die Bevölkerung litt entsetzlich unter Hunger und Seuchen, die Desertionsraten in der Armee waren hoch. Nun wendete sich auch das militärische Blatt. Ab 1917 eroberten britische Truppen Palästina, Syrien und Mesopotamien. Die arabische Revolte tat ein Übriges, um die Osmanen endgültig aus diesem Teil des Nahen Ostens zu vertreiben. Das Osmanische Reich zerbrach, woran auch die Besetzung Bakus im Jahr 1918 nichts mehr ändern konnte. Doch wenigstens konnte der Held von Gallipoli, General Mustafa Kemal, später bekannt als Atatürk, die Einheit der Türkei vor den imperialistischen Aufteilungsplänen der Siegermächte retten.29

      Der ganze Nahe Osten bis hinein nach Persien hatte in Flammen gestanden. Mindestens zwei Millionen Menschen fanden in dieser eher dünn besiedelten Region den Tod. Britische Repräsentanten vor Ort machten arabischen Nationalisten alle möglichen Versprechungen, während die Regierungen in Paris und London die Aufteilung des Nahen Ostens unter den Siegern planten. Obendrein versprach der britische Aussenminister Balfour im November 1917 den Zionisten eine Heimstätte in Palästina. Mit dem Ersten Weltkrieg begannen die Probleme des Nahen Ostens, die bis in die Gegenwart hinein weiterwirken.30

      Der Kriegseintritt der USA am 4. April 1917, einem Karfreitag, brachte die entscheidende Wende im Ersten Weltkrieg. Die deutsche Oberste Heeresleitung hatte die Kriegserklärung der USA durch die Wiederaufnahme des unbeschränkten U-Boot-Kriegs in der irrigen Annahme provoziert, die USA würden auf dem europäischen Kriegsschauplatz militärisch keine ernsthafte Rolle spielen können. Das dummdreiste Zimmermann-Telegramm, welches Mexiko ein Bündnisangebot machen sollte und deutsche Hilfe bei der Rückeroberung der an die USA verlorenen Gebiete versprach, brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. In einer Hinsicht waren die Einschätzungen der Obersten Heeresleitung jedoch richtig: Die USA waren schon längst nicht mehr wirklich neutral. Aufgrund der britischen Seeblockade war der deutsch-amerikanische Handelsaustausch auf 1 % des Vorkriegsniveaus gesunken. Stattdessen boomten die Exporte der USA zu den Alliierten. Produkte aller Art, gerade auch Agrarprodukte, fanden den Weg über den Atlantik. In den USA stieg die Eisen- und Stahlproduktion um 76 %. Gleichzeitig verschuldeten sich die Alliierten gegenüber den USA in exorbitanter Weise.31 Vor diesem Hintergrund wäre eine Niederlage der Alliierten für die USA einer wirtschaftlichen und finanziellen Katastrophe gleichgekommen. Selbst die vage Aussicht auf einen Kompromissfrieden wirkte abschreckend. Die Friedensinitiative von Präsident Woodrow Wilson löste im Dezember 1916 an der Wall Street einen Crash aus.

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      Türkische MG-Truppen bei Tel esh Sheria (Gaza-Stellung) im Jahr 1917. (Library of Congress)

      Aber eine aktive Teilnahme am Weltkrieg war in den USA alles andere als populär. Im November 1916 errang Wilson seine Wiederwahl als Präsident mit dem Slogan: «He kept us out of war». Doch die Provokationen von deutscher Seite liessen ihm dann keine andere Möglichkeit, als in den Krieg einzugreifen. Allerdings vermieden die USA ein offenes Bündnis mit den Alliierten und traten nur als «Assoziierte Macht» in den Krieg ein.

      Im Sommer 1917 landete General John J. Pershing mit einer kleinen Expeditionsarmee in Frankreich. Anschliessend besuchte er die Front. Was er dort sah, erschreckte ihn sehr. Die französischen und die britischen Truppen waren am Ende ihrer Kraft. Pershing verlangte deshalb von seiner Regierung die Entsendung von Millionen amerikanischer Soldaten nach Europa, und er bekam diese Männer. Dafür wurde in den USA die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Zudem mobilisierten neue Behörden die Wirtschaft für den Krieg. Massive Propaganda stimmte die Bevölkerung auf den Krieg ein. Gleichzeitig wurden die bürgerlichen Freiheiten rücksichtslos eingeschränkt und jegliche Opposition brutal eingeschüchtert. Es kam zu willkürlichen Verhaftungen und grotesken Verurteilungen. Die deutsche Minderheit sah sich extremen Repressalien ausgesetzt.32 Doch der Kriegseinsatz wurde trotz der 126 000 gefallenen Soldaten ein Erfolg. Die USA waren am Ende die einzige wirkliche Siegermacht und stiegen endgültig zur Weltmacht auf.33

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      Kolonialtruppen aus Französisch-Indochina beim Aussteigen im Lager Saint-Raphael. (Bibliothèque Nationale de France)

      Kriegsschauplätze

      Europa war zwischen 1914 und 1918 der Hauptkriegsschauplatz. Dort spielte sich vier Jahre lang ein erschütterndes Drama ab, das Millionen von toten und verwundeten Soldaten forderte. Schlachten, wie sie die Welt noch nie gesehen hatte, welche teilweise Monate andauerten, wurden zum Kennzeichen des Kriegs in Europa. Doch darüber gerät allzu leicht in Vergessenheit, in welchem Ausmass und mit welch gravierenden Folgen auch in anderen Teilen der Welt gekämpft wurde. Schon die Kämpfe in Osteuropa gelten mitunter als «vergessene Front».34 Das trifft erst recht für die Kämpfe ausserhalb Europas zu. Dabei waren sie wichtig. Auf den Weltmeeren herrschte Krieg, was den internationalen Handel störte. Der amerikanische Kontinent blieb zwar von grösseren Kampfhandlungen verschont, ebenso wie weite Teile Asiens, Afrikas und Ozeaniens. Aber die indirekten Auswirkungen des Kriegs, vor allem wirtschaftlicher Natur, waren auch ausserhalb der unmittelbaren Kampfzonen massiv. Zudem wurden von dort Millionen von Soldaten und Arbeitern zu den Kriegsschauplätzen verschickt.

      Letztere lagen eben nicht nur in Europa. Der ganze Nahe Osten stand in Brand. In Ostasien wurde zumindest kurzzeitig gekämpft. Zentralasien wurde durch den Aufstand von 1916 zum Schauplatz einer humanitären Tragödie. In Afrika dauerten die Kämpfe um die deutschen Kolonien zum Teil Jahre. Dies galt besonders für Ostafrika. Hier brach General Paul von Lettow-Vorbeck befehlswidrig einen harten Krieg vom Zaun, für den Hunderttausende von Afrikanern, vor allem als Träger und Arbeiter, von beiden Seiten zumeist zwangsrekrutiert

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