Tatort Oberbayern. Jürgen Ahrens
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Schlaues Bürschchen, dachte Katharina und wischte mit dem letzten Stück Kartoffelknödel den Saucenrest vom Teller.
Laut sagte sie: »Herr Adelhofer hatte Sie auf diese Pressekonferenz eingeladen. Wann war das?«
»Zehn Tage vorher. Am Freitag simma hier gsessn, wie Sie und ich jetzt. Beim Schweinsbraten hat er zu mir gsagt, dass er mich als Unterstützung braucht. Wieso Unterstützung, hab ich ihn gfragt. Weil es sein könnt’, dass er danach jemanden braucht, der noch mit ihm redet, hat er gsagt. Ich hab gfragt, wieso, aber er hat mir keine Antwort gebn. Nur gschaut hat er, wie er noch nie gschaut hat, traurig, wütend, entschlossen, alles in einem.«
»Was, glauben Sie, hatte das zu bedeuten?«
»Der Lukas hat eine Bombe platzen lassen wollen. Den Robert bloßstellen, vor der ganzen Presse, vor allen.«
»Was für eine Bombe? Was gab’s Schlimmes, was er hätte erzählen können?«
»Viel. Der Robert hat den Lukas total kaltgestellt, als er aus seinem Bergwinter zurück war – hat sich selber in den Vordergrund drängt und den Bruder links liegen lassn. Dass er den Wedel als Manager gholt hat, des hat dem Lukas den Rest gebn. Weil er alles geregelt ghabt hat während dem Robert seinem Bergwinter und auch danach. Und dann hat der Robert ihm gsagt, ›dass man in der modernen Medienwelt einen Fachmann braucht‹. Da hat’s angfangen mit dem Lukas seinem Absturz.«
»Das wollte er in dieser Pressekonferenz erzählen?«
»Könnt’ ich mir vorstellen. Am Lack vom tadellosen Helden bissl kratzn, verstehns?«
»Warum hat er sich dann an dem Tag umgebracht, an dem er dazu die Chance gehabt hätte?«
»Des frag ich mich die ganze Zeit. Ich glaub, dass der so Angst vor dem Robert ghabt hat, dass er sich des doch nicht traut hat. Weil er genau gwusst hat, dass der Robert zusammen mit seinem grausligen Wedel ihm des Leben noch mehr zur Hölle machen würde, wenn er was gsagt hätt’. Der Robert hätt’ des bestimmt so hingedreht, dass alle ihm geglaubt hätten und ned dem versoffenen Bruder.«
»Und weil er nicht auf der Pressekonferenz war, haben Sie vermutet, dass er sich umgebracht hat, und zwar in der Adelhofer-Scheune?«
Birnhuber trank einen großen Schluck Weißbier und seufzte: »Mei, nicht direkt. Wenn er gar nimma konnt hat, isser halt meistens in die Scheune. ›Robertfreier Raum‹ hat er die gnannt. Und wie er nicht in München war und nicht an sein Handy gegangen is’, hab ich mir halt dacht, dass er in der Scheune is’. Befürchtet hab ich, dass was passiert is’, vielleicht auch vermutet.« Nachdenklich starrte Birnhuber auf die weiß-blau rautierte Tischdecke.
Das Dirndl-Dekolleté hatte einen Vorwand gefunden, an den Tisch zu kommen.
»Darf’s noch a Kaffeetscherl sein und an Apfelstrudl dazu?«
Katharina und Birnhuber bestellten beide einen Espresso.
»Freust dich, Alfred, dass du a nette Gesellschaft hast am Freitag? Wissns«, sagte Dirndl-Mari und schaute verschwörerisch zu Katharina, »seitdem, dass der Lukas tot ist, sitzt er halt allein da, der arme Alfred. Tröstens ihn halt a bissl.«
Lukas bedeutete Mari mit einer unmissverständlichen Geste, dass sie verschwinden solle, und sie wogte erneut beleidigt davon.
»Weiß Robert Adelhofer eigentlich, wie Sie über ihn denken, Herr Birnhuber?«
Augenblicklich erwachte der Bayer aus seiner Melancholie.
»Des könnens glauben, logisch! Gestern hat er mich angrufn und wollt mit mir reden. Ich hab ihm gsagt, dass er mich in Ruh lassn soll und dass er ein Mörder is’, und hab aufglegt.«
»Wieso haben Sie zu ihm gesagt, dass er ein Mörder ist?«
»Weil er den Lukas auf dem Gewissen hat. Auch wenn er ihn nicht umbracht hat.«
»Was glauben Sie, warum Robert Sie angerufen hat? Was wollte er von Ihnen?«
»Der wollt’ genau des wissen, was ich ihm gsagt hab. Wie ich zu ihm steh. Da hab ich jetzt einen richtigen Feind oder sogar zwei. Den Wedel und den Robert. Aber des halt ich aus, des Bürscherl, des verlogene, der soll mir bloß deppert kommen, wird schon sehn, was er davon hat.«
»Herr Birnhuber, was für ein Verhältnis hat Max Adelhofer zu seinen Söhnen?«
»Oh mei, der Max und seine Bubn. Wissns, ich glaub, dass er den Robert lieber gmocht hat als den Lukas. Weil er dacht hat, dass der Robert ein Macher is’, einer, der’s im Griff hat. Der Lukas is’ nie richtig zum Zug kommen. Der war zwar gradraus und ehrlich, aber immer im Schatten vom Robert. Des hat der Max ned gsehn, dass der Lukas sich untergeordnet hat. Und wie er abgstürzt is’, des war erst recht ned leicht für den Max. Weil psychische Probleme, des gibt’s im Max seiner Welt ned. Reden ist auch nicht sei Sach. Dann hat er den Lukas machen lassn und hat nix dazu gsagt. Ich glaub, dass ihm des jetzt leidtut. Des weiß er wahrscheinlich selber noch gar ned. Und der Robert hat halt a Geld auf den Adelhofer-Hof bracht mit den depperten Führungen und dem ganzen Schmarrn. Gfalln hat dem Max des ned, aber der Robert war halt sein Robert und des Geld brauchens, der Max und die Rosa. Landwirtschaft hams keine mehr und Fremdenzimmer vermietens auch nimmer – des war der Rosa irgendwann zu viel. Und da is’ die ›Geldquelle Robert‹ halt praktisch.«
»Ist Max Adelhofer deswegen in Roberts Sendung aufgetreten?«
Birnhuber schaute Katharina an: »Logisch. Der Max is’ garantiert ned freiwillig dahin. Niemals. Des war ein Deal zwischen dem Robert und dem Max. Da is’ bestimmt Geld gflossn. Oder auch nicht, wo er ja keinen Ton gsagt hat.« Birnhuber starrte vor sich hin. »Des wird der Max niemals zugeben, weil er genau weiß, dass dann der Geldhahn zugedreht wird.«
Eine Weile lang schwiegen beide und rührten in ihren Tassen, bis Katharina ihre letzte Frage stellte: »Warum haben Sie der Polizei nicht erzählt, dass Lukas Sie auf die Pressekonferenz eingeladen hat?«
»Hab ich. Nur, was er mir dazu gsagt hat, warum er mich eingladen hat, des hab ich nicht erzählt. Dass ich auf der Pressekonferenz war, hat die Frau Kommissarin ned so interessant gfunden. Also, Frau Langenfels, Sie haben echte Exklusivinformationen.«
Birnhuber lächelte melancholisch. »Vielleicht könnens damit dem Robert endgültig die Suppe versalzen.« Er drückte ihr eine Visitenkarte in die Hand: »Wenns noch was brauchen, müssens nicht herfahren, rufens mich einfach an. Dem Robert das Handwerk zu legen, bin ich jederzeit dabei.«
Nach dem Gespräch mit Birnhuber hatte Katharina noch reichlich Zeit, bis sie Svenja abholen musste, und beschloss spontan, auf dem Friedhof vorbeizufahren.
Ein paar Minuten später parkte sie neben einem Lieferwagen mit der Aufschrift »Floristik Angerer – Ihre Nummer eins für Chiemseeblumen«.
Tatsächlich war die Nummer eins gerade dabei, ein Blumenarrangement an Adelhofers Grab abzustellen.
Als Katharina näher kam, entdeckte sie Rosa Adelhofer. Sie stand wie bei der Beerdigung in Schwarz gekleidet neben dem Grab und weinte ohne Unterlass. Ihr rot kariertes Stofftaschentuch hob sich als fröhlicher Farbklecks von ihrer Trauerkleidung ab. Es war völlig durchnässt. Katharina trat auf sie zu und reichte ihr schweigend ein Papiertaschentuch. Rosa Adelhofer schaute kurz auf, nahm es und schnäuzte