Perspektiven auf den Lernort Berufsfachschule (E-Book). Группа авторов
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2. Heterogenität der Lernenden
Ein erfolgreicher Start ins Arbeitsleben ist für junge Menschen entscheidend – für die persönliche Entwicklung, aber auch für den künftigen Karriereverlauf und Weiterbildungsmöglichkeiten. Die berufliche Grundbildung gewährleistet mit ihren Bildungsgefässen – zweijährige berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Berufsattest (EBA), drei- oder vierjährige berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) und eidgenössische Berufsmaturität (BM) –, dass Jugendliche mit unterschiedlichen Voraussetzungen, Interessen und Fähigkeiten eine passende Ausbildung beginnen können.[5] Nichtsdestotrotz sind Lehrpersonen in ihren Klassen mit einer grossen Heterogenität konfrontiert. Dies nicht nur betreffend Kompetenzen, kognitiver und sprachlicher Fähigkeiten, sondern auch in Bezug auf Motivation, Leistungsbereitschaft und (Sozial-)Verhalten (Berger, 2018). In einigen Branchen zeugen nicht zuletzt überdurchschnittlich hohe Lehrabbruchs- und Durchfallquoten von der Herausforderung, Jugendliche zu integrieren, die einer schulischen Risikogruppe angehören. Für die Berufsfachschulen beziehungsweise die Lehrpersonen gilt es einerseits, möglichst früh zu erkennen, wo Unterstützungsmassnahmen (z. B. fachkundige individuelle Begleitung) angezeigt sind, die über den Regelunterricht hinausgehen. Andererseits muss der Unterricht so individuell gestaltet werden, dass weder schwächere Lernende abgehängt noch stärkere ausgebremst werden.
3. Handlungskompetenzorientierung
Die Förderung beruflicher Handlungskompetenzen stand im Zentrum der Berufsreformen und -entwicklungen, die durch die Inkraftsetzung des BBG 2004 eingeleitet wurden. Trotz unterschiedlicher Definitionen des Begriffs herrscht grundsätzlich Einigkeit darüber, was deren Kern ausmacht. Wie im Handbuch «Prozess der Berufsentwicklung» (SBFI, 2017a, S. 7) festgehalten, gilt als kompetent, «wer berufliche Aufgaben und Tätigkeiten eigeninitiativ, zielorientiert, fachgerecht und flexibel ausführt». Es geht darum, situationsgerecht auf erworbenes Wissen und erlernte Fähigkeiten zurückzugreifen sowie verfügbare externe Hilfsmittel und Werkzeuge zu nutzen.
In den Bildungserlassen der rund 230 Berufe der beruflichen Grundbildung ist der Leitgedanke der Handlungskompetenzorientierung inzwischen fest verankert. Allerdings zeigt sich in der Praxis immer wieder, dass die konsequente Umsetzung eines handlungskompetenzorientierten Unterrichts mit Herausforderungen verbunden ist. Lehrpersonen übernehmen eine andere Rolle: weg von der reinen Wissensvermittlung, hin zur Begleitung in selbstorganisierten Lernprozessen mit Aufgaben, die sich auf reale Anforderungen im Arbeits- und Lebensalltag fokussieren. Ein solcher Unterricht erfordert nicht nur andere Kompetenzen, sondern auch andere didaktische Methoden, die oft mehr Zeit in Anspruch nehmen – und dies bei vollen Lehrplänen mit umfangreichen Stoffanforderungen. Hinzu kommt, dass auch Lernkontrollen und Qualifikationsverfahren im beruflichen wie allgemeinbildenden Unterricht handlungskompetenzorientiert gestaltet werden sollen. Eine von der Schweizerischen Berufsbildungsämter-Konferenz (SBBK) in Auftrag gegebene Standortbestimmung macht mit Blick auf eine optimale und kohärente Umsetzung der Handlungskompetenzorientierung Schlüsselfaktoren auf allen Ebenen aus: eine konsequente Ausrichtung bei Berufsrevisionen, Good-Practice-Empfehlungen der Berufsfachschulkonferenzen, eine Verankerung der Handlungskompetenzorientierung in der jeweiligen Schulkultur, die adäquate Weiterbildung und Gewährleistung der Praxisnähe der Lehrpersonen sowie die Entwicklung geeigneter Lehrmittel (Schuler & Wettstein, 2020, S. 21 ff.).
Chancen: Mitsprache, Lernortkooperation, digitales Lehren und Lernen, Ausbildungsmodelle
Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen: Worin bestehen nun die Chancen für die Berufsfachschulen der Zukunft? Wie kann es ihnen gelingen, ihre Position als zentraler Lernort im System der Berufsbildung noch zu stärken? Und welche Rahmenbedingungen werden auf Bundesebene[6] geschaffen, um die Berufsfachschulen adäquat in die Entwicklungsprozesse einzubinden?
1. Mehr Mitsprache auf nationaler Ebene und eigene Gestaltungsspielräume
Die bestehenden Gremien TR BS und Kommissionen B&Q für den Einbezug ihrer jeweiligen Expertise und Erfahrungswerte auf fachlich-operativer Ebene haben sich bewährt. Darüber hinaus hat das Nationale Spitzentreffen der Berufsbildung als höchstes verbundpartnerschaftliches Organ am 9. November 2020 auf Vorschlag des SBFI eine Optimierung der Governance beschlossen. Neu eingesetzt wird einerseits die tripartite Berufsbildungskonferenz (TBBK) als Gremium auf strategischer Ebene, das mit der verbundpartnerschaftlichen Vorbereitung des Spitzentreffens[7] betraut ist. Andererseits soll der Kontakt zur operativen Ebene intensiviert und verstärkt bottom-up bei den Akteuren der Berufsbildung Handlungsbedarf eruiert werden. Dazu werden neue Dialogforen geschaffen, unter anderem das Forum «Aus- und Weiterbildungsanbieter». Vertreterinnen und Vertreter der Berufsfachschulen erhalten dadurch Gelegenheit, direkt mit der strategischen Ebene (TBBK) in Kontakt zu treten, sich über aktuelle Themen und Aktivitäten auszutauschen, Stellung zu relevanten Geschäften zu nehmen und eigene Anliegen zu platzieren.
Abgesehen von diesem Einbezug in nationale Gremien können die einzelnen Berufsfachschulen in verschiedentlicher Hinsicht den ihnen zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum (vermehrt) nutzen, um sich gezielt zu positionieren. Dabei sehe ich vor allem drei wesentliche Rollen der Berufsfachschulen, und zwar als:
– aktive Hüter und Gestalter der Lernortkooperation,
– Kompetenzzentren des digitalen Lehrens und Lernens und
– Impulsgeber für neue, innovative Ausbildungsmodelle.
2. Aktive Hüter und Gestalter der Lernortkooperation
Mit der Handlungskompetenzorientierung als übergeordnetem Leitprinzip wird die Kooperation zwischen den Lernorten zum Kernstück der beruflichen Grundbildung. Sie unterscheidet die duale Berufsbildung von anderen Bildungsangeboten, trägt zur Erreichung der Ausbildungsziele und damit zur Qualität der Berufsbildung bei und ist entwicklungsoffen für anstehende Veränderungen. In den Bildungsplänen ist klar festgehalten, dass die Vermittlung der erforderlichen Handlungskompetenzen eine gemeinsame Aufgabe von Schule, Betrieb und überbetrieblichen Kursen ist. Um dies zu gewährleisten, werden für jeden Lernort spezifische, untereinander abgestimmte Leistungsziele abgeleitet. Die konkrete Umsetzung und Ausgestaltung der Lernortkooperation wird hingegen offengelassen. Das gilt ebenfalls für die Frage, wer in der Zusammenarbeit den Lead übernimmt, wobei das BBG (Art. 21 Abs. 6) darauf hinweist, dass die Berufsfachschule Koordinationsaufgaben im Hinblick auf diese Zusammenarbeit übernehmen «kann». Angesichts