Perspektiven auf den Lernort Berufsfachschule (E-Book). Группа авторов
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Dieter Euler, emeritierter Professor für Wirtschaftspädagogik, Bildungsmanagement und Hochschulentwicklung an der Universität St. Gallen, sagte in einem Vortrag einst: «Berufliche Grundbildung funktioniert zwar auch ohne intensive Lernortkooperation. Aber Lernortkooperation ist ein Konzept, das die berufliche Grundbildung weiterbringen kann. Wer in der pädagogischen Champions League mitspielen will, sollte sie besser nutzen» (Euler, 2016). Als Faktoren, die eine Kooperation erschweren oder gar verhindern, nannte er die psychologische Distanz zwischen den Berufsbildungsverantwortlichen der jeweiligen Lernorte, die Einbusse von Autonomie angesichts nötiger Kompromisse, aber auch den kurzfristigen zeitlichen Aufwand, der sich erst mittelfristig auszahle.
Die (rechtlichen) Grundlagen für Lernortkooperationen sind geschaffen. Nun braucht es eine verstärkte Überzeugung, dass eine gelebte Zusammenarbeit für alle Involvierten einen Mehrwert bringt. Gerade mit Blick auf Lernende mit Schwierigkeiten oder Defiziten macht eine Kooperation besonders Sinn. Aber auch angesichts der Komplexität, die technologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringen, ist es letztlich unabdingbar, die an den Lernorten vorhandene unterschiedliche Expertise zu verknüpfen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Digitale Tools können die Zusammenarbeit erleichtern, womit wir beim dritten Handlungsfeld wären, das den Berufsfachschulen Positionierungschancen bringt.
3. Kompetenzzentren des digitalen Lehrens und Lernens
Klar ist, dass es bei der Diskussion um den verstärkten Einsatz digitaler Technologien nicht allein um Ausstattungsfragen geht. Vielmehr ist ein Kulturwandel nötig, der neben der Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen insbesondere eine Strategie erfordert, wie technologiegestütztes Lehren und Lernen gelingen kann. Denkanstösse dazu liefert ein vom Bund initiierter Bericht; beispielhaft seien hier einige Möglichkeiten genannt (Seufert, 2018, S. 32–46):
– Smart Classrooms und Kreativräume
Smart Classrooms verbinden das traditionelle Klassenzimmer mit technologischen Lernumgebungen. Genutzt werden zum Beispiel interaktive Whiteboards, digitale Wände oder sogar Roboter als Unterrichtsassistenz. Zukunftslabore[8] oder Makerspaces[9] schaffen Räume, in denen kreative Prozesse und neue Ideen entstehen. Lernen wird als entdeckendes, selbstgesteuertes Forschen und Ausprobieren verstanden.
– Flexible Bildungsformate
Blended Learning beispielsweise kombiniert Präsenzunterricht und E-Learning und setzt dabei auf verschiedene Lehr- und Lernmodalitäten beziehungsweise -medien. Flipped classroom bezeichnet eine Methodik, in der die Lernenden Inhalte zunächst selbst oder in Gruppen erarbeiten und anschliessend Feedback dazu erhalten.[10] Adaptive Lernsysteme stellen individuelle Inhalte und Übungen zur Verfügung, um gezielt Wissenslücken zu schliessen[11] oder die Ausschöpfung zusätzlicher Potentiale zu ermöglichen.
– Unterstützende Systeme bei Prüfungen und Qualifikationsverfahren
Cognitive Computing basiert auf künstlicher Intelligenz und könnte genutzt werden, um kompetenzorientierte Prüfungen zu unterstützen. Denkbar sind zudem Assistenzprogramme, die zu (teil-)automatisierten Auswertungen von Prüfungen führen.
– Lernortkoordination und -kooperation
Digitale Technologien sollen die Lernorte näher zusammenbringen und die Koordination und Kooperation vereinfachen. Virtuelle Strukturen bieten die Möglichkeit für gemeinsame Innovations- und Entwicklungsprozesse. Für Vernetzung sorgen zudem Tools und Modelle, wie sie zum Beispiel vom Berufsbildungsforschungs-Leading House Dual-T entwickelt wurden.[12]
– Virtuelle Trainings
Übungsfirmen in Schulen können die Brücke zur Praxis schlagen. In simulierten Lernumgebungen werden reale Handlungssituationen trainiert. Dabei stehen zunehmend Möglichkeiten mit Augmented/Virtual/Mixed Reality-Programmen zur Verfügung. Chatbots oder Roboter fungieren dabei als Trainingspartner.
Die 2020 durch das Covid-19-Virus entstandene Ausnahmesituation hat das Thema Digitalisierung in allen Schulen auf die Tagesordnung gebracht. Umsetzungsmöglichkeiten wurden gesucht und gefunden. Die gewonnenen Erfahrungen – im Positiven wie im Negativen – bilden eine wertvolle Grundlage, um den digitalen oder hybriden Schulbetrieb weiter auszubauen. Dabei sollen Schulleitungen und Lehrpersonen selbstverständlich nicht auf sich alleine gestellt sein. Geeignete Angebotsportfolios der Aus- und Weiterbildungsinstitutionen müssen sie dazu befähigen, ihre Rollen in und mithilfe der neuen digitalen Lehr- und Lernumgebungen zu erfüllen.
4. Impulsgeber für neue, innovative Ausbildungsmodelle
Agilität ist ein gern herangezogenes Schlagwort, wenn es um unternehmerisches Bestehen in Zeiten des Wandels und besonders die Bewältigung aktueller Megatrends geht. Eng damit verbunden ist das Credo der Selbstorganisation. Dabei setzen sich diese Entwicklungen längst über die betrieblichen Grenzen hinaus fort. Seufert (2018) konstatiert: «Auch für Berufsfachschulen und Bildungsinstitutionen sind diese Veränderungen spürbar. So sind etwa Schulleitungen derzeit stark gefordert, auf diese Dynamik zu reagieren» (S. 10).
Wir haben Berufsfachschulen mit mehreren Tausend Lernenden und solche mit maximal fünfzig (BFS, 2019). Wir haben Schulen, die in Bezug auf die angebotenen Berufe und Branchen sehr homogen sind (was bezüglich Professionalität und Fokussierung besondere Chancen bietet), und solche, die ein breites Berufsspektrum abdecken. Hier kann es keine allgemeingültigen Lösungen geben; vielmehr braucht es Bottom-up-Strategien, die sich zum einen an den spezifischen Besonderheiten der einzelnen Schulen orientieren, zum andern aber Fragen der Profilausrichtung und Schwerpunktsetzung auch aus einer kantonalen Perspektive beantworten. Gedankenexperimente sollen dabei durchaus Platz haben, sei es im Sinne innovativer Unterrichtsmodelle, die sich von traditionellen Strukturen lösen, mit Blick auf die zuvor beschriebene digitale Transformation oder durch einen Perspektivenwechsel, der die Lernenden als Kundinnen und Kunden ins Zentrum rückt.[13]
Fazit
Veränderungen sind Teil der Berufsbildung und somit eine Konstante, die von allen Akteurinnen und Akteuren Flexibilität und die Bereitschaft und Fähigkeit zu dynamischen Entwicklungen erfordert. Dies stellt für alle Beteiligten eine Herausforderung dar, kann aber auch als Chance begriffen werden. Auf nationaler Ebene soll das neue Dialogforum «Aus- und Weiterbildung» auch den Berufsfachschulen als zusätzliches Sprachrohr dienen. Darüber hinaus kann sich jede Berufsfachschule selber mit einer geeigneten Ausrichtung und konsequenter enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft als starke, innovative Partnerin positionieren und damit einen wichtigen Beitrag für ein zukunftsfähiges, attraktives Berufsbildungssystem leisten.
Literatur
Berger, M. (2018). Aktuelle Befunde zur Heterogenität in Berufsfachschulklassen. Newsletter der Schweizerischen Gesellschaft für Angewandte Berufsbildungsforschung 02/2018. www.sgab-srfp.ch/de/newsletter/aktuelle-befunde-zur-heterogenitaet-berufsfachschulklassen [7.10.2020].
Bundesamt