Mehr Mut, Mensch!. Lorenz Wenger
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Unsicherheit am Arbeitsplatz führt zu Demotivation und leider viel zu oft sogar in Burnouts und Depressionen. Die Studie »Jobzufriedenheit 2019« der ManpowerGroup weist jeden Zweiten als unzufrieden mit seinem Job aus! Diese Gruppe leistet bestenfalls Dienst nach Vorschrift. Bestenfalls! Ein Fünftel aller Mitarbeitenden hat bereits innerlich gekündigt und handelt entsprechend unmotiviert oder sabotiert gar die eigene Firma. Innerhalb des D-A-CH-Raums (Deutschland, Österreich, Schweiz) unterscheiden sich die Ergebnisse nur marginal. Das alles kostet immens an Geld!
Interessant in diesem Zusammenhang ist die folgende Erkenntnis aus meiner Coaching-Praxis. In Einzelcoachings sprechen meine Klienten selten von expliziten Ängsten und Unsicherheiten. Sie erzählen vielmehr von all den Dingen, die nicht zu ihrer Zufriedenheit sind oder sie sogar frustrieren. Sie berichten von all den vermeintlich schlechten Situationen, Mitarbeitenden, Vorgesetzten, Bedingungen, Projekten und Teams. Sie zählen all die unliebsamen Dinge auf, um die ihre Gedanken ständig kreisen, und ihr Kopfkino läuft und läuft. Solange jedoch unsere angsterfüllten Gedanken zu viel Raum einnehmen, vernebeln sie unsere Sicht auf machbare Lösungen, Möglichkeiten und Chancen. Die passende Frage hierzu lautet also: Was möchten man denn stattdessen? Was wäre ein Idealzustand? Was genau stört, was ist unangenehm, was bedrückt eine Person konkret? Wo genau sitzen die Schmerzpunkte, die all diese Unsicherheiten und diffusen Ängste auslösen?
»Life is a Dive« – Warum man nicht alle Barrakudas zeigen sollte
Sogenannte Confined Water Sessions – Tauchgänge im Flachwasser bis maximal 5 Meter Tiefe – können langweilig sein oder viel Spaß machen. Das ist stark abhängig von den Studenten, die man als Tauchlehrer ausbilden und begleiten darf. Gemeinsam trainiert man unter Wasser Dinge wie »vollgelaufene Maske entleeren«, »Atemgerät wiedererlangen«, »Bleigurt aus- und wieder anziehen«, »Atmung aus alternativer Luftversorgung«, »Atmen aus abblasendem Atemgerät« usw. An diesem Tag war es alles andere als langweilig. Das lag nicht an den Teilnehmern des Kurses, zwei Gästen aus Köln. Sondern an etwas, das ich sah, meine Schüler jedoch nicht wahrnahmen. Und das war in diesem Moment sehr hilfreich.
Während meine beiden Studenten auf drei Meter Tiefe im Halbkreis auf dem Sandboden der Bucht kniend vor mir sitzen und ich die Übung »Atemgerät wiedererlangen« demonstriere, erblicke ich genau in jenem Moment, in dem ich den Lungenautomaten1 aus dem Mund nehme, hinter meinen Schülern einen riesigen Barrakuda! Hier, in ungewohnt flachem Wasser, unweit des Sandstrandes, scheint er uns unter direkte Beobachtung zu nehmen. Ich sehe seine kullernden Augen auf uns starren, so nahe schwebt er vor mir. Zwischen dem Raubfisch und mir befinden sich meine Schüler – mit dem Rücken zu ihm. Ich stelle fest, dass ich nicht mehr bei der Sache bin, sondern immer wieder den Barrakuda fixiere. Barrakudas sind fleischfressende Raubfische, können die Größe eines ausgewachsenen Menschen und bis zu 25 kg Gewicht erreichen und gehören normalerweise zu den wünschenswerten Begegnungen unter Wasser. Normalerweise! Doch ganz sicher nicht auf drei Meter Tiefe, während der ersten Confined Water Session mit Schülern, die das erste Mal unter Wasser sind! Ich habe tiefsten Respekt vor diesen majestätisch anmutenden Raubtieren, zumal sie in manchen Gegenden mehr als Haie gefürchtet sind. In diesem Moment kommt mir dieser silbrig schimmernde Zuschauer jedoch ziemlich ungelegen. Barrakudas gelten als unberechenbare, blitzschnelle Jäger, die insbesondere dann angreifen, wenn sie sich gestört fühlen. Auch von blinkenden und blitzenden Gegenständen fühlen sie sich angeblich irritiert und sollen dadurch zu Angriffen verleitet werden. Unfälle kommen zwar äußerst selten vor, doch ein Biss kann verheerende Folgen haben, da der Barrakuda über ausgeprägte Unterkieferzähne verfügt, die tiefe Wunden hinterlassen können. Während sich in meinem Kopfkino die blutigsten Szenarien und deren Konsequenzen abspielen, versuche ich zeitgleich, nach potenziell blinkenden Gegenständen an meinen Studenten und am Tauchmaterial Ausschau zu halten und ruckartige, schnelle Bewegungen zu vermeiden. Zudem bin ich fokussiert, das mögliche Risiko abzuschätzen und mir dabei keinesfalls etwas anmerken zu lassen! Ich bewege mich noch langsamer, weicher und geschmeidiger, als ich das in üblicher Vorbild-Manier und in Confined Water Sessions ohnehin schon tue. Mit Handzeichen gebe ich meinen Schützlingen zu verstehen, dass die Beschaffenheit des Sandbodens zu wellig und nicht optimal für unsere Übung ist. Dieses Ablenkungsmanöver soll dazu dienen, uns ohne Panikmache in größere Distanz des Raubtiers zu bewegen. Während ich rückwärts schwimme und meinen Schülern ein weiteres Handzeichen gebe, mir zu folgen, schweift mein Blick – hinter der Maske getarnt – zwischen meinen Schülern und dem Barrakuda hin und her. Da es sich für meine Schüler um die erste Unterwasser-Erfahrung handelt und sie dadurch in ihren Bewegungen noch nicht wirklich sicher sind, kann ich nicht beurteilen, wie sie reagieren, wenn ich mein Geheimnis, welches sich direkt hinter ihnen befindet, verraten würde. Ebenso wenig kann ich abschätzen, wie der Kollege mit dem kraftvollen Kiefer hinter ihnen reagieren wird, wenn wir uns nun aus dem Staub machen. Auch für mich als erfahrener Taucher ist dies eine unerwartete, überraschende Begegnung, die mir Angst macht. Ein Barrakuda zum völlig falschen Zeitpunkt! Einen beliebig anderen Fisch, der sich präsentierte, würde ich mit Freude und Begeisterung zeigen und dieses Erlebnis liebend gerne teilen. Doch sich beim ersten Tauchgang auf zwei Meter Distanz einem über einem Meter großen Raubtier gegenüber zu sehen, würde mit Sicherheit zu unkontrollierten Bewegungen und Handlungen meiner Studenten führen. Genau das möchte ich in diesem Moment nicht riskieren, und ich entscheide mich daher dafür, sie zu ihrem eigenen Schutz im Unwissen zu lassen. Wir entfernen uns auf diese Weise immer weiter weg von unserem Überraschungs-Tauchgast und steigen schließlich zusammen auf. Wir sind in Sicherheit. Diese erste Unterrichtsstunde in Sachen Tauchen ist zu Ende. In diesem Fall beängstigender für mich als für meine Schüler!
Ich gebe zu, mein Vorgehen stellte eine gewisse Bevormundung dar, entsprach aber in diesem Moment meiner Aufgabe, für unsere Sicherheit zu sorgen. Ich war derjenige, der die Situation verantwortungsvoll einschätzen konnte, und genau das tat ich. Dazu brauchte es Fokus, klaren Verstand und ein gutes Stück Instinkt. Sehr oft stehen aber gerade diese Attribute in einer schwierigen Lage nicht zur Verfügung, und wir müssen mehr oder weniger im Blindflug und von Angst geschüttelt entscheiden, wenn alle unsere Schmerzpunkte gerade voll und ganz gertriggert werden.
Und genau darum geht es in dem folgenden Kapitel, in dem wir uns damit beschäftigen, die schon erwähnten tiefsitzenden Schmerzpunkte zu identifizieren und zu erkennen, wo genau diese sitzen. Ja, das ist unangenehm und kann auch ziemlich weh tun, aber es sind nun einmal unabdingbare Schritte, um in Richtung eines mutvolleren Lebens aufzubrechen. Kommen Sie mit?
Mut-Momentum:
Stoppen Sie Ihr Kopfkino! Das Ausmalen negativer Szenarien, die höchstwahrscheinlich sowieso nie eintreten werden, vernebelt Ihre Sicht auf mögliche Lösungen, Möglichkeiten und Chancen. | |
Lernen Sie, Ihre Amygdala zu zügeln, damit diese nicht zu oft Alarm schlägt. | |
Welche Ängste könnten in Ihrem Unternehmen kursieren? |