Mehr Mut, Mensch!. Lorenz Wenger
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Anmerkung
1 1 Lungenautomat = Atemgerät und Verbindung zwischen dem Mundstück im Mund und dem Lufttank auf dem Rücken
2 Wo sitzt die Angst? – Schmerzpunkte identifizieren
Ängste präsentieren sich oft auf diffuse und unpräzise Art und Weise. Als irgendwie unangenehmes Gefühl, seltsames Unwohlsein in bestimmten Situationen oder rund um spezifische Gedanken. Wie angesichts der dunklen Gewässer eines tiefen Ozeans erkennen wir meist nicht sofort, was sich unter der nebulösen Oberfläche dieser Gefühle tatsächlich befindet. Wir spüren nur, dass dunkle und ängstliche Gedanken uns im Alltag mehr und mehr hemmen und lähmen, ohne diese Ängste wirklich erfassen zu können. Solange wir uns allerdings gedanklich im Kreis drehen und diese Ängste nicht identifizieren, führen sie uns an der Nase herum. Sie nehmen dann nämlich sehr viel mehr Einfluss auf unsere Entscheidungen, unsere Resultate und auch auf unsere Zukunft, als uns lieb ist. Daher lohnt es sich immer, dem Ursprung und der Quelle von Ängsten auf den Grund zu gehen. Nur die direkte Konfrontation mit unseren ureigenen Zweifeln, Unsicherheiten und Ängsten schafft Klarheit! Genau dort, wo wir den größten Schmerz erwarten, sollten wir besonders tief eintauchen. Und ja, dafür braucht es nebst großer Neugierde auch Mut! Sind Sie dazu bereit? Wagen Sie es, präzise dort in Ihre Gedanken und Ängste einzutauchen, wo Sie sich am verletzlichsten fühlen?
Das Wagnis des tiefen Eintauchens
In meinen Einzelcoachings vergleiche ich diesen Prozess des Eintauchens mit einem Splitter, der in einem Finger steckt. Manchmal bohren sich diese kleinen, unerwünschten Fremdkörper unbemerkt in unsere Haut. Erst Stunden oder Tage später bemerken wir, dass sich da ein kleiner Eindringling eingenistet hat. Mit Pinzette, Nadel und in extremen Fällen sogar mit Hilfe einer Lupe befreien wir den Splitter aus unserem Finger. Diese Dinger sitzen teilweise so tief in unserer Hautschicht, dass wir sie regelrecht »herausoperieren« müssen. Das kann unangenehm schmerzen. Trotzdem ist es notwendig, um eine Entzündung oder gar Blutvergiftung zu vermeiden. Nach diesem Befreiungsakt kann Blut fließen, und wir packen ein Pflaster auf die Wunde. Diese heilt, und nach spätestens drei Tagen haben wir den lästigen Splitter vergessen. Genau das gilt auch für unsere tiefsitzenden Ängste: Erst wenn wir tapfer in unsere empfindlichsten Bereiche eintauchen, diese verstehen, akzeptieren und sie wie den Splitter freisetzen und an die Oberfläche bringen, ist es möglich, die dahinterliegende Angst im ersten Schritt einmal zu erkennen. Ja, dieser Prozess des Eintauchens und Erkennens wird kurzfristig intensive Schmerzen verursachen. Aber er ist unbedingt erforderlich, um zu verstehen, wo Ihre Angst sitzt, und um ihr entschlossen zu begegnen.
Es geht dabei wirklich darum, tief einzuatmen und – wie beim Tauchgang – in das Geflecht der Angst sehr bewusst einzutauchen. Denn wir sind ja im Grunde alle Meister darin, unsere Ängste zu verdrängen und – unbewusst – diverse Kompensationsstrategien zu entwickeln. Das kann funktionieren und in gewissen Fällen sogar die richtige Lösung darstellen. Kritisch wird es jedoch, wenn uns unsere Ängste massiv dabei im Weg stehen, unseren Zielen, Träumen und Sehnsüchten nachzugehen und diese zu erfüllen. Ein Architektur-Fotograf mit Höhenangst ist in seinem Tun und Wirken stark eingeschränkt. Eine Unternehmerin, die oft unterwegs ist und jährlich über 100 Nächte in Hotels verbringt, ist ihrer Angst, alleine zu sein, nahezu »ausgeliefert«. Ein Friseur mit Angst vor Haaren hat nicht die optimale Voraussetzung für eine internationale Hairstyling-Karriere mit Buchungen bei der New Yorker Fashionweek. Eine Fernbeziehung nachhaltig zu pflegen kann mit atemberaubender Flugangst anstrengender werden als es ohne Flugangst der Fall wäre. Erst wenn es so richtig unangenehm und unbequem wird, versuchen die Betroffenen aktiv, ihre Ängste zu mindern oder gar loszuwerden. Aber solange wir uns durch unsere Angst nicht stark eingeschränkt fühlen und unsere Ängste uns meist »in Ruhe« lassen, treten bequeme Vermeidungs- und Kompensationsstrategien auf, die uns »helfen«, weiterhin relativ unbehelligt unseren Weg zu gehen. Dabei stellt sich jedoch eine wichtige Frage: Was wäre, wenn? Was wäre nicht alles möglich, wenn wir gegenüber unseren Ängsten, auch wenn sie uns gerade nicht direkt beeinträchtigen, nicht mehr den Kopf in den Sand steckten und ihnen erlaubten, an die Oberfläche zu driften? Wenn die Selbstzweifel, Unsicherheiten, Ängste und schweren Gedanken, die uns unterschwellig schon lange begleiten, endlich weichen könnten?
Mut.Fragen
Welche Zweifel, Selbstzweifel, Unsicherheiten oder sogar Ängste halten Sie noch davor zurück, im Leben das zu tun, was Sie wirklich wollen? Wie wäre es für Sie, wenn diese Gedanken nicht mehr existierten? Was alles könnte entstehen, wenn Sie nichts, aber auch wirklich nichts, zurückhalten würde?
Rosarote Brille oder klare, geschärfte Sicht?
Es geht nicht darum, die berühmte rosarote Brille aufzusetzen und so zu tun, als wäre nichts. Wenn es da etwas gibt, das uns von unseren Träumen, unseren Zielen, Visionen und Sehnsüchten zurückhält, dann sollten wir diesem »Etwas« immer auf den Grund gehen. Auch wenn es schmerzen könnte. Unsere größten Potenziale finden sich oft genau dort, wo unsere größten Zweifel, Schwächen und Ängste liegen. Sie ahnen ja gar nicht, welche bislang unentdeckten Schätze und Potenziale in Ihnen schlummern können. Sind Sie bereit, genau dort hinzusehen, wo es pieksen könnte? Ganz bewusst möchte ich in diesem Buch nicht auf pathologische Ängste, Zwänge, Störungen und therapierbare Phobien eingehen. Gerne überlasse ich dieses Feld den berufenen Therapeuten, Psychologen und Psychiatern unter uns. Mein Anliegen ist es, dass wir unseren alltäglichen Ängsten, wie sie auch jeder gesunde und als psychologisch stabil geltende Mensch hat, auf den Grund gehen, sofern sie uns in unserer beruflichen Entwicklung und in unserem persönlichen Wachstum einschränken. Ich möchte Sie mit diesem Buch ermutigen, Ihren vielfältigen noch versteckten Möglichkeiten, schlummernden Schätzen und Potenzialen auf den Grund zu gehen!
Zweifel, Ängste, Unsicherheiten und hemmende, zurückhaltende Gedanken gehören genauso zu unserem Alltag wie wohltuende, antreibende Ideen. Sie zu ignorieren, kann kurzfristig gelingen. Langfristig holen uns diese Ängste jedoch immer wieder ein und haben die listige und lästige Eigenschaft, über die Jahre immer größer und größer zu werden, wenn wir uns ihnen verschließen. Daher ist die rosarote Brille keine langfristige Strategie zur Erzielung erfolgreicher Resultate! Wenn Sie aber den Schritt unter die Oberfläche ihrer dunkelsten Gedanken wagen, dann werden Sie neue Klarheit finden, um mit geschärfter Sicht Ihre Ziele in Angriff zu nehmen und Ihre Zukunft mutvoll bei den Hörnern zu packen.
Riese oder Scheinriese?
Kennen Sie die Geschichte von Jim Knopf und Lukas, dem Lokomotivführer? Die beiden begeben sich mit ihrer Lokomotive Emma auf Irrwegen in die Wüste namens »Ende der Welt«. Nicht wissend, wo sie sich befinden und wie sie aus der Wüste wieder herausfinden können, entdecken sie am Horizont einen bedrohlichen Riesen, dessen Größe auch die höchsten Gebirge der Welt wie Zündholzschachteln erscheinen lässt. Jim Knopfs Knie zittern, während Lukas mutig vorangeht und sich dem Riesen nähert. »Die Angst hilft dir nicht weiter, Jim. Wenn man Angst hat, sieht alles viel bedrohlicher aus, als es in Wirklichkeit ist. Und Weglaufen macht es nur noch schlimmer.« Jim beschließt, Lukas nicht im Stich zu lassen und folgt ihm mit weichen Knien. Mit jedem Schritt, den sie auf die Gestalt zumachen, wird diese ein