Die wilde Reise des unfreien Hans S.. Martin Arz
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Читать онлайн книгу Die wilde Reise des unfreien Hans S. - Martin Arz страница 16
Entweder der Dämon war gar kein Dämon, oder Hodor und Felipe waren mit dem Teufel im Bunde. Aber wenn das kein Dämon war, warum war er dann so rabenschwarz wie die finsterste Nacht? Wenn er ein Mensch war, dachte sich Hans, denn konnte die Farbe nur bedeuten, dass er verbrannt war. Der Boden unter Hans bebte stärker, Erde rutsche zur Seite. Er schickte ein schnelles Stoßgebet zum heiligen Johannes, seiner Seele gnädig zu sein. Da tat sich also die Hölle auf. Doch ein Dämon! Der Fels neben ihm knallte zur Seite, und aus dem Loch im Boden wuchs der Oberkörper eines alten Manns mit weißem Bart. Er trug die vornehme Kleidung eines osmanischen Edelmanns und verbeugte sich leicht Richtung Hans. »Verzeih, mein Junge, wenn ich dich erschreckt habe«, sagte der Alte und lächelte. Er hatte nur noch zwei Zähne im Mund. »Kannst du mir helfen? Ich bin alt und kann nicht mehr so gut klettern.«
Wie ferngesteuert griff Hans den Alten bei den Armen und zog ihn aus dem Loch. Nun half er auch noch dem Teufel in Gestalt eines Greises aus der Hölle. Es wurde immer besser!
»Danke, mein Junge. Man nennt mich Ölmez. Der Rat der Stadt Konya schickt uns.« Hinter dem alten Ölmez kletterten zwei weitere vornehm gekleidete Männer heraus.
Hans begriff, lachte vor Erleichterung kurz hysterisch auf und schickte dem heiligen Johannes ein Stoßgebet hinterher, dass er ihn so geschwind erhört hatte.
»Wo ist der Kerl?«, quietschte der schwarze Dämon erneut.
»Dort, zwischen den Felsen, Herr«, antwortete Felipe.
»Ja und? Warum steht ihr da noch herum wie die Ölgötzen? Ergreift ihn, elendiges Pack!« Der Dämon trat nach Felipe.
»Schau nicht so, mein Junge. Wir sind durch diesen Tunnel aus der Stadt gekommen«, sagte der alte Ölmez und kicherte verschmitzt. »Kannst du uns zu deinem Vater, dem großen Sultan, bringen, Bursche? Ich habe wichtige Nachrichten für ihn.«
Ein triumphierendes Lächeln schlich sich in Hans’ Gesicht, das er für die nächsten Minuten nicht mehr unter Kontrolle bekam. »Sicher, ehrwürdiger Ölmez und edle Herren«, antwortete er. »Ich geleite Euch gerne zu meinem Herrn!« Er nahm den Alten an der Hand und führte ihn zwischen den Felsen zurück zum Zelt des schwarzen Dämons.
»Da ist er ja«, höhnte Hodor und deutete auf Hans. »Hat sich Verstärkung geholt.«
»Verzeihung?«, sagte Hans laut. »Was ist hier los? Ich bringe den weisen Herrn Ölmez und weitere hochwohlgeborene Gesandte vom Rat der Stadt Konya, die wichtige Nachrichten für unseren Vater, den Sultan, haben. Wollt ihr euch etwa dem edlen Ölmez in den Weg stellen?«
Hodor und Felipe zögerten, sahen unsicher von Hans zum Dämon und zurück.
»Weiser Ölmez, werte Gesandte«, quietschte der Dämon, verbeugte sich tief und wedelte mit den Händen, als wolle er die beiden Janitscharen wie lästige Fliegen verscheuchen. »Verzeiht diese ungehobelten Burschen! Ein unentschuldbares Missverständnis, gewiss, doch ich erflehe aus tiefstem Herzen Eure Vergebung. Ich bringe Euch selbstverständlich zum Sultan!«
»Wie ist dein Name, ehrwürdiger Eunuch?«, fragte der Alte in einem Tonfall, aus dem Hans heraushörte, dass ein verbrannter Mensch durchaus eine Respektsperson war. Offenbar nannte man solch schwarze Menschen Eunuchen, und sie schienen erhebliche Macht zu besitzen. Wieder etwas gelernt, dachte Hans. Und er schämte sich ein klein bisschen dafür, dass er neulich Nacht an einen Dämon geglaubt hatte.
»Tamer, mein Herr, ich bin Tamer, der Vertreter des Obersten der Schwarzen Eunuchen unseres Vaters, Sultans Bayezid, den man den Blitz nennt.«
»Gut, Tamer, Vertreter des Obersten der Schwarzen Eunuchen. Ich danke dir für deine Freundlichkeit. Auch dieser Bursche hier hat mich freundlich empfangen. Bring uns zu deinem Herren. Der Bursche wird uns begleiten.« Er stützte sich auf Hans’ Unterarm.
»Ich fürchte, edler Ölmez«, quiekte der Eunuch Tamer, »dass der freche Bursche hier uns nicht begleiten kann. Er hat …«
»Unsinn«, unterbrach ihn der Alte. »Der Bursche ist ganz famos und kommt mit uns. Wie ist dein Name?«
»Johannes, äh, Hans, Herr.«
»Hans? Was für ein komischer Name!« Ölmez zog Hans ganz nah an sich heran. »Hör zu, Junge, wir wären dir wirklich sehr dankbar, wenn du diesen geheimen Tunnel das sein lässt, was er bisher ist. Geheim. Sag deinen Herren, dass du uns zwischen den Zelten herumirrend gefunden hast.«
Hans nickte. »Ihr könnt euch auf mich verlassen.«
So kam Johannes Schiltberger in den Genuss, einer Audienz beim Sultan beiwohnen zu dürfen, in der das Schicksal Konyas beschlossen wurde. Die Delegation unter dem alten Ölmez bot im Namen der Stadt an, dem Heer des Sultans heimlich Zugang nach Konya zu verschaffen, wenn der Sultan dafür die Stadt schonen würde. Die Bevölkerung sei die Belagerung leid, und man werde den Herrn Alaeddin Ali keinesfalls unterstützen, da dieser kein guter Herr sei. Der Sultan entließ Hans, bevor es um die Details der Übernahme ging, nicht ohne ihn ausdrücklich vor den Generälen und Beratern zu belobigen.
»Blöd gelaufen, was?«, sagte Hans zu Don Juan, als sie sich im Zelt begegneten. »Ganz blöd.«
»Ich weiß nicht, was du meinst, Arschloch«, entgegnete der Spanier finster. »Ich wollte nur schnell zu unserem Posten zurück, den wir wegen dir aufgegeben haben.«
»Und ich habe den Posten nur aufgegeben, wie alle wissen, weil ich dem ehrwürdigen Ölmez von Konya zu unserem Vater bringen musste. Nicht wahr?«
»Du schuldest mit trotzdem einen Dinar!«
Als Bayezid zum Angriff blasen ließ, hielten die Bürger Wort. Sie verteidigten weder die Mauern noch die Tore. Die Armee schwappte in die schmalen Gassen. Alaeddin Ali, völlig überrascht, ließ mobilmachen und ein kurzes, blutiges Gemetzel begann in Konya. Doch die Soldaten Alaeddins mussten feststellen, dass sie keinerlei Unterstützung von den Bürgern bekamen. Türen, Tore und Fenster waren fest verriegelt, es gab kein Haus, in das sie sich hätten flüchten können. Auch die steinernen Mauern des altehrwürdigen Mevlana-Klosters waren bald blutbesudelt. Die tanzenden Derwische hatten alle Klostertüren rings um das Grabmal des hochverehrten Mystikers und Erfinders des Tanzrituals, Dschelaleddin Rumi, verriegelt. Sie ließen die Trommeln spielen und drehten sich in Ekstase, um die Todesschreie nicht hören zu müssen.
Als Alaeddin Ali begriff, dass er verraten worden war, wollte er fliehen. Ein sinnloses Unterfangen. Er wurde überwältigt und zu Bayezid gebracht. Der hatte sich vor dem Eingang zur Alaeddin-Moschee auf dem Zitadellenberg installiert. Warum er, Alaeddin Ali, Herr von Karaman, ihm denn nicht untertan sein wolle, fragte er wütend seinen Schwager. Worauf Alaeddin trotzig antwortete, er sei ebenso ein König wie Bayezid. Darum!
Bayezid, innerlich wie äußerlich bebend, brüllte, man solle ihm diesen frechen Kerl endlich aus den Augen schaffen. Niemand traute sich, den Herrn anzufassen. Noch zweimal rief der Sultan wütend, dass man Alaeddin wegbringen solle. Schließlich trat der oberste Suppenkoch persönlich vor, packte Alaeddin und führte ihn ein Stück zur Seite. Dort zog er sein Schwert und enthauptete Alaeddin. Er reinigte sein Schwert und kehrte zu Bayezid zurück. Der wollte wissen, was mit Alaeddin Ali nun geschehen sei. Er habe ihn geköpft, erwiderte der Suppenkoch.
Der Wutausbruch Bayazids ließ die Mauern wackeln. Sofort, so befahl er, solle der Suppenkoch das Schicksal Alaeddins teilen. Sofort! Man führte den obersten Suppenkoch neben die Leiche Alaeddins und köpfte ihn. Das sollten sich alle