Die wilde Reise des unfreien Hans S.. Martin Arz

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Die wilde Reise des unfreien Hans S. - Martin Arz

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Man habe zu warten, bis der Zorn Bayezids verraucht sei. Da aber nun mal der Herr Alaeddin Ali geköpft worden war und immer noch vereinzelte Gefechte in den Gassen stattfanden, ließ der Sultan Alaeddins Kopf auf einen Spieß stecken und durch die Stadt tragen. Alle sollten sehen, dass ihr Herr gefallen war und sich ergeben. Frieden kehrte in Konya ein und die Bewohner trauten sich langsam aus ihren Häusern.

      Hans, Max und Yorick bummelten durch die Gassen. Von Gallipoli und Bursa hatten sie kaum etwas gesehen. Nun bestaunten sie die mehrstöckigen Gebäude, die Moscheen, die Zitadelle, die fremdartig gekleideten Menschen, die seltsam verzückt dreinblickenden Mönche der Mevlevi-Bruderschaft und als schließlich die ersten Marktstände wieder öffneten, auch die exotischen Auslagen. Wobei nur Hans und Yorick staunten, Max blieb teilnahmslos wie immer. Alles kam ihnen viel bunter vor als auf den heimischen Märkten in München oder Nazareth, wobei Yorick betonte, dass man ohnehin lieber den großen Markt im nahen Gent besucht habe als den mickrigen von Nazareth. Wegen der Belagerung waren Konyas Stände nicht übermäßig gefüllt. Vieles kannten sie schon von den Märkten ihrer Heimat, wie Pfeffer oder Zimt, die aber in München ein Zigfaches von dem kosteten, was man hier dafür verlangte. Hans entdeckte auch große Zitronatzitronen, eine äußerst exotische Frucht, die praktisch kein Fruchtfleisch enthielt und deren dickwandige Schale man kandierte. In München wurden sie wie Gold gehandelt. Anderes hatten sie durch ihren Speiseplan kennengelernt, wie die dunkelvioletten Auberginen. Hans fand ja, dass sie besser aussahen, als sie schmeckten. Es gab auch säckeweise Linsen in verschiedenen Farben und diese weißen länglichen Körner, die sie in gekochter Form gelegentlich mit der Suppe bekamen. Man nannte sie Reis. Hans mochte Reis, während Yorick Bulgur bevorzugte. Bei Max wusste man es nicht. Er aß einfach.

      Sie kauften an einem Stand mit Backwaren köstliches, vor Honig triefendes Baklava mit grünen Pistazien, Letztere hatten sie noch nie irgendwo gesehen. Yorick schwor, nie wieder eine andere Nuss zu essen, denn Pistazien seien wohl das Göttlichste, was es an Nüssen gäbe. Da könnten Mandeln nicht mithalten.

      Weil sich herumsprach, dass die mysteriösen Mönche des Mevlana-Klosters wieder ihren Drehtanz begonnen hatten, drängten sich die Soldaten ins Kloster, um dem Schauspiel beizuwohnen. Vor allem die Christen wie Hans und Yorick wollten sehen, wie sich die Männer in Ekstase brachten. Verrückte Tanzwut und Veitstänze kannte Hans auch aus seiner Heimat. Doch das waren entweder einzelne Personen, die Fallsucht hatten, oder fanatische Reigentänzer, die sich in Gruppen bis zur völligen Erschöpfung verausgabten und den heiligen Veit anriefen. Die Mönche hier drehten sich jedoch auf der Stelle im Kreis, jeder für sich mit seitlich ausgestreckten Armen. Der Andrang an Gaffern war so groß, dass der Sultan das Kloster räumen ließ und den Mönchen das Tanzen untersagte, solange die Truppen in der Stadt seien.

      Am Abend fanden sie eine kleine Weinschenke, die noch nicht mit lärmenden Soldaten überfüllt war. Zwar gab es schon Gegenden, in denen die Auslegung des Koran allen Alkohol verboten hatte, doch Bayezids Reich gehörte zum Glück nicht dazu. Auf den Weinbergen, an denen sie auf ihrem Marsch nach Konya vorbeigekommen waren, rankten sich bereits die Triebe an den Stäben hoch. Der Wirt bewarb seinen angeblich vorzüglichen Wein, den er exklusiv aus einer Stadt namens Shiraz aus dem fernen Persien beziehen würde. »Nur Wein allein kann mich retten, kann vertreiben alle Angst und Herzenspein!«, rezitierte der Wirt eine Zeile des berühmten Dichters Hafez. Den Burschen, die von einem berühmten Dichter namens Hafez noch nie gehört hatten, war klar, dass er damit nur den Preis in die Höhe treiben wollte. Wein kannte Hans von Kindesbeinen an. Jeder in München trank Wein, denn was im Wasser war, wusste man nie genau. Man wusste zwar auch nie genau, was im Wein war, aber von verseuchtem Wein hatte Hans noch nie gehört, und es hatte in München noch nie eine Epidemie mit vielen Toten vom Wein gegeben – vom Wasser schon. Wenn kein Wein verfügbar war, braute der Vater gelegentlich ein Hausbier. Der Wein, den Hans aus München kannte, war in der Regel mit diversen Gewürzen versetzt. Dieser hier dagegen schmeckte nur nach Wein, was die Burschen ziemlich gewöhnungsbedürftig fanden. Aber Hauptsache, endlich einmal wieder Alkohol. Später kamen Musiker dazu, spielten fröhliche Lieder auf Zither, Spießgeige und Flöte. Man sang, tanzte und lachte. Da geschah ein kleines Wunder, denn Max, der wandelnde Tote, seufzte. Yorick hatte es nicht mitbekommen, wohl aber Hans, dem plötzlich ein Kloß im Hals saß. Dann begann Max die Finger seiner rechten Hand in der Luft zu bewegen, nur ein bisschen. Die Finger zuckten sanft, als würden sie Saiten zupfen. Hans begriff, dass Max Luftlaute spielte. Er musste sich wegdrehen.

      Am nächsten Tag blieben etliche Ortas, darunter auch die von Hans Schiltberger, in Konya als Ordnungsmacht zurück. Den Rest des Heeres führte Bayezid nach Karaman, Alaeddin Alis Hauptstadt. Bayezid ließ den abgeschlagenen Kopf Alaeddins mitführen und vor dem Haupttor der Stadt aufstellen. Der Sultan forderte sofortige Unterwerfung. Nach einigen Stunden kam eine Delegation von vier vornehmen Bürgern aus der Stadt. Dass der Herr Alaeddin tot sei, sei äußerst bedauerlich, jedoch habe Alaeddin zwei Söhne in der Stadt, Mehmet und Bengi Ali. Man würde daher vorschlagen, einen der Söhne als Herrn von Karaman einzusetzen. Im Gegenzug würde man Bayezid als obersten König anerkennen und ihn in die Stadt lassen. Natürlich vorausgesetzt, der Sultan würde sie an Leib und Gut schonen.

      Schonung würde er gerne gewähren, antwortete der Sultan, jedoch würde er alleine bestimmen, wer künftig Herr von Karaman sei. Darauf wollten sich die Bürger nicht einlassen. Einer von Alaeddins Söhnen oder gar nichts! Sie verwiesen zudem auf die mächtige Zitadelle der Stadt mit ihren drei Mauerringen, erbaut unter den Seldschuken auf einem künstlichen Hügel. Dagegen könne Bayezid ruhig anrennen. Das fände er alles sehr bedauerlich, betonte der Sultan, aber wenn es ihr Wille sei, dann eben auf die harte Tour. Er ließ drei der Bürger enthaupten und gab dem vierten auf seiner Rückkehr in die Stadt die Köpfe mit. Die Belagerung von Karaman begann.

      6 Tulpen

      Die Konkubinen des Wesirs Memduh machten sich in Konya auf den Weg von ihrer Unterkunft, die man ihnen im Palast Alaeddin Alis zugewiesen hatte, zu einem legendären Garten, der angeblich an Schönheit nicht zu überbieten sei. Dort, das wollten die Damen unbedingt sehen, stünden gerade die berühmten Frühlingsblumen in voller Blüte, die aussehen wie bunte Turbane. Tulpen, so tuschelten sie untereinander, hießen diese Wunderblumen. Wesir Memduh, einer der wichtigsten Berater des Sultans, war ein kugelrunder Mann, der sich mitunter wenig um Etikette scherte, und glücklich war, wenn seine Konkubinen glücklich waren. Memduh war fast immer gut gelaunt und liebte alles schöne, vor allem schöne Frauen. Vier Konkubinen hatte er, mehr gehörte sich nicht und mehr schaffte er nicht. Dazu kamen nämlich noch die drei Ehefrauen zu Hause in Bursa, unter denen seine Hauptfrau ein strenges Regiment führte. Eine Frau durfte er also noch heiraten. Da er sich unter seinen Konkubinen nicht entscheiden konnte, hatte er beschlossen, dass diejenige die glückliche Ehefrau Nummer vier werden würde, die ihm als Erste einen Sohn gebar. Die Sache mit den Kindern war für Memduh ein Problem, denn bisher hatte keine einzige seiner Frauen Nachwuchs zur Welt gebracht. Dass die wichtigen Edelleute mit ihren Konkubinen reisten, war keine Besonderheit. Die Ehefrauen blieben häufig zu Hause, damit sie und der Nachwuchs – und damit die potenziellen Erben – nicht in Feindeshand fielen. Ausnahmen bestätigten die Regel. Mancher hatte immer seine Lieblingsfrau dabei. So wie Sultan Bayezid. Seine Favoritin, die serbische Prinzessin Olivera Despina, war stets an seiner Seite, beherrschte dessen Konkubinen und hatte, wenn man den Gerüchten glauben durfte, enormen Einfluss auf den Sultan, obwohl oder weil sie nie zum Islam konvertierte. Wesire waren gut damit beraten, wichtige Pläne erst mit Olivera Despina zu diskutieren, bevor sie zum Sultan gingen.

      Wesir Memduh hingegen war froh, seine Hauptfrau nicht bei sich zu wissen. Begleitet von Lakaien und bewacht von schwarzen Eunuchen, kugelte der fröhliche Memduh mit seinen sittsam verhüllten Damen durch die Gassen. Die Konkubinen, obwohl selbst Sklavinnen, führten ihre eigenen Sklavinnen mit, die für ihre Annehmlichkeiten zuständig waren. Es war ein Zufall, dass Hans Schiltberger zum Wachdienst genau an der Pforte zu diesem Garten eingeteilt war. Er neigte höflich den Kopf, als der Wesir passierte. Als Hans wieder aufsah, traf sein Blick den einer der Konkubinen. Diese wunderschönen blau-grünen Augen. Auch sie reagierte, starrte ihn überrascht an. Ihr Gesichtsschleier verrutschte etwas – ganz zufällig! –, sie lächelte.

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