Die wilde Reise des unfreien Hans S.. Martin Arz

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Die wilde Reise des unfreien Hans S. - Martin Arz

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gibt kein Gegeneinander von Gott und Mensch, sondern ein Miteinander in tiefer Verbundenheit

       Rost glüht nicht von selbst, sondern durch das Feuer

       Der Verstand sitzt im Kopf, nicht in der Krone

       Was Du suchst, findest Du in Dir selbst, nicht in Jerusalem, nicht in Mekka

      Daran fand Hans nichts auszusetzen. Manches kannte er schon, das lehrten auch die christlichen Pfarrer, doch einiges war so neu und revolutionär, dass er zwischenzeitlich einen Religionswechsel gar nicht mehr für völlig ausgeschlossen hielt. Zumindest fiel es ihm zunehmend leichter, »Allahu akbar« zu rufen, wenn sie dazu aufgefordert wurden. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.

      Mehr als einmal legte man ihnen nahe, zum Islam zu konvertieren. Für Hans hätte das bedeutet, Heide zu werden. Wie das funktionierte, zeigte man ihnen ganz anschaulich am praktischen Beispiel. Sie wohnten der Konvertierung eines Lateiners, also eines Italieners, bei. Der Christ musste den Zeigefinger heben und »La ilaha illalah, der wahre Bote Mohammeds« sagen. Das wiederholte er noch einmal vor dem höchsten Imam und schwor feierlich seinem christlichen Glauben ab. Danach kleidete man ihn neu ein, und der Priester wickelte ihm ein neues Tuch um den Kopf, damit jeder sofort erkennen konnte, er war nun ein Moslem, denn die Christen mussten blaue und die Juden gelbe Tücher tragen. Nun legte der Konvertit seine Rüstung an und stieg auf sein Pferd. Von einem Begleitzug aus Priestern und Gläubigen wurde er durch die ganze Stadt geführt. Pauken, Posaunen und Flöten kündigten sein Kommen an, während das Volk laut Mohammed lobte. Zwei Imame, die neben dem Konvertiten ritten, sangen die ganze Zeit: »Es ist Gott und der Messias sein Knecht und Maria seine Tochter und Mohammed sein höchster Prophet.« Letzte Station war dann die Moschee, wo der Neumuslim beschnitten wurde. Danach überschüttete man ihn mit Geld und Gütern. Der Lateiner war nun ein reicher Moslem. Letzteres, da machte man keinen Hehl daraus, geschähe, um den Christen den Übertritt besonders schmackhaft zu machen. Das schien verlockend, doch Hans fand die ganze Prozedur ziemlich inszeniert und merkwürdig. Vor allem der Gedanke an eine Beschneidung schreckte ihn ab. Was den möglichen Reichtum anging, machte er sich nichts vor: Sie waren Sklaven und wären dann höchstens der Vorhaut beraubte Sklaven, niemand würde sie wie den italienischen Kaufmann mit Gold überschütten. Also blieb das »Allahu akbar« ein Lippenbekenntnis, denn weder Hans noch seine Freunde noch die meisten seiner Einheit konvertierten letztlich zum Islam, aber es genügte den Vorgesetzten. Sie waren Kriegssklaven, hatten zu gehorchen und zu glauben, was man ihnen an Glauben vorgab.

      Sie bekamen Koranunterricht. Doch der beschränkte sich auf das Auswendiglernen von Suren, denn der Koran war auf Arabisch, und das verstand keiner. Hans fühlte sich an die Zeit erinnert, als er bei den Chorherren des Heiliggeistklosters Schreibunterricht hatte. Da mussten sie lateinische Texte schreiben, die keiner verstand. Für den Lateinunterricht hatte Vater Schiltberger kein Geld. Was die Originaltexte besagten, das ginge sie nichts an, die Interpretation durch die Geistlichen sei das Wesentliche. Und der neugierige Hans, der zunächst immer Fragen stellte, lernte schnell, dass Fotzn, Watschen, Ohrfeigen die häufigste Antwort waren, manchmal auch Prügel mit dem Rohrstock oder einsame Stunden im Karzer. Je nach Dreistigkeit seiner gottlosen Frage. Also verkniff sich Hans beim Koranunterricht alle Fragen, leierte mit seiner Gruppe die arabischen Laute herunter und lernte irgendetwas auswendig. Immerhin lernte er so Arabisch zu lesen und richtig auszusprechen. Und da das osmanische Türkisch als Schrift die arabischen Buchstaben verwendete, lernte er auch Türkisch lesen.

      Strenge Disziplin bestimmte ihren Alltag. Das Korps ist eure Familie, der Sultan euer Vater, lautete das Mantra. Als sie hörten, dass sie sich dem Zölibat unterwerfen mussten, rumorte es in der Truppe. Doch nachdem sich herumgesprochen hatte, dass Ehelosigkeit keineswegs Sexverzicht bedeutete, beruhigten sich die Gemüter schnell. Das kannten sie von den Geistlichen, den Mönchen und Nonnen in der alten Heimat. Da war es mit der Keuschheit nicht weit her. Hans hatte als Kind mit genügend Pfarrersbälgern gespielt. Die jeweils aktuelle Mätresse des Bischofs wurde hofiert wie eine Edeldame. Die Äbtissin des Angerklosters in München erschien sogar zu offiziellen Anlässen ungeniert in Begleitung ihres erheblich jüngeren Liebhabers.

      Gewöhnungsbedürftiger als die Philosophie fand Hans die Kleidung, mit der man sie ausstattete. Alle bekamen die gleiche Kleidung, so etwas Verrücktes hatte Hans noch nie gehört. Mönche und Nonnen, ja, die hatten alle das Gleiche an, aber Soldaten? Diese absonderlichen Türken! An den weiten blauen Pluderhosen und hohen roten Lederstiefeln gab es noch nichts auszusetzen, ebenso am Wams und dem roten Mantel. Doch diese Kopfbedeckung! Die enorm hohe kegelförmige Filzkappe, leicht nach hinten gewölbt, erforderte zunächst einen Balanceakt. Damit gehen wollte gelernt sein, damit kämpfen erst recht. Die Janitscharenmütze sollte die Ärmel von Hadschi Bektasch symbolisieren und die Verbundenheit mit dessen Lehren ausdrücken. Auch die Derwische des Bektaschi-Ordens trugen sie.

      Diejenigen unter den Rekruten, die bereits richtigen Bartwuchs hatten – so wie Hans Schiltberger –, mussten sich rasieren und durften sich nur einen Schnurrbart stehen lassen. Denn Vollbärte blieben freien Moslems vorbehalten. Hans bot sich an, den katatonischen Max zu rasieren, doch wieder überraschte Max, nahm selbst das Messer und rasierte sich sorgfältig Wangen und Kinn.

      Richtig lustig wurde es, als man die Hierarchie lernte. Da Janitscharen Sklaven waren und keinen Besitz haben durften, bestand ihr Lohn, von ein paar gönnerhaft vom Sultan direkt ausgezahlten Dinaren abgesehen, praktisch nur aus regelmäßigen Mahlzeiten. Darum setzten sich die Abzeichen aller Offiziere aus gekreuzten Löffeln zusammen. Je höher der Dienstgrad, desto mehr gekreuzte Löffel, wobei sich mancher zusätzlich schmückende Federn an die Mütze steckte. Die Bataillonskommandeure trugen den Titel Suppenmeister. Die Hauptmänner einer Kompanie nannte man Suppenköche, deren Stellvertreter Oberköche, die Leutnants Oberste Wasserträger, die Feldwebel Oberste Küchenjungen und die Quartiermeister Köche. Da war es nur logisch, dass man keine Standarte vorantrug, sondern einen großen Suppenkessel.

      Nachdem sich die erste Heiterkeit gelegt hatte, gewöhnte man sich auch daran. Wobei noch wochenlang mancher Rekrut mit »Ich muss zum Suppenkoch« oder »Der Oberkoch will mich sehen« einen Lachanfall bei seinen Kameraden auslöste und Sprüche wie »Bring eine Schüssel voll mit!« oder »Sag ihm, der Hammel gestern war zäh!« nachgerufen bekam.

      Die Einheit, der Hans, Yorick und Max angehörten, zählte einhundert Mann. Orta nannte man so eine Einheit. Neben dem täglichen Islamunterricht mussten sie an den Waffen trainieren. Schwert und Streitaxt beherrschte Hans aus dem Effeff, doch der Bogen, die Hauptwaffe der Janitscharen, bereitete ihm noch Schwierigkeiten.

      »Das Korps ist deine Familie, der Sultan dein Vater«, seufzte Yorick eines Abends und ließ sich auf das Bett plumpsen. »Ich kann es nicht mehr hören.«

      »Ach, uns gehts doch gut«, antwortete Hans träge und rieb sich wohlig den Bauch, der eben das Abendessen verdaute.

      »Du bist immer mit jeder Situation zufrieden, oder?«

      »Wenn es gottgewollt ist und ich sie nicht ändern kann …«

      »Wenn wir wenigstens Tricktrack spielen könnten«, sagte Yorick und schielte zu Hans hinüber.

      »Dann würden sie uns bestrafen.«

      »Wieso? Niemand hat gesagt, dass das verboten ist.«

      »Hier ist doch alles verboten, was nicht mit Allah oder Waffen zu tun hat«, knurrte Hans.

      »Dann hast du also kein Interesse?« Yorick zog unter seiner weiten Weste ein Holzkästchen hervor und öffnete es. Ein wunderschön gearbeitetes Tricktrackspiel lag vor ihnen. In Wahrheit war es ein einfach gemaltes Spielbrett, doch Hans hatte so lange kein richtiges Spielbrett mehr gesehen, dass ihm das hier einfach wunderschön vorkam.

      »Wo

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