Die wilde Reise des unfreien Hans S.. Martin Arz

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die wilde Reise des unfreien Hans S. - Martin Arz страница 10

Автор:
Серия:
Издательство:
Die wilde Reise des unfreien Hans S. - Martin Arz

Скачать книгу

Innersten.

      Ein Trompetensignal. Dann waren die Schiffe so nah, dass man erkennen konnte, dass sie unter venezianischer Flagge segelten – und wer da stand: König Sigismund und andere, denen die Flucht gelungen war.

      Weil Sigismund schwer getroffen von der Fahnenflucht der Walachen war, hatte er beschlossen, den Heimweg nicht über Land anzutreten. Er fürchtete, Mircea der Alte könnte ihm in den Rücken fallen und ihn an die Türken verraten. So war er mit den Venezianern die Donau hinuntergefahren und hatte sich einige Zeit in Konstantinopel ausgeruht, bevor er auf dem Seeweg nach Italien aufbrach. Bei der Durchquerung des Hellesponts starrte er mit unbeweglicher Miene auf die Reihen der Gefangenen, alles Männer, die für ihn gekämpft hatten. Man hatte sie zu seiner Demütigung aufgestellt. Die Türken hatten keine Flotte vor Ort, schickten aber ein paar Schiffe hinaus, mit denen es zu kleinen Scharmützeln kam. Nichts, was den venezianischen Schiffen wirklich gefährlich werden könnte.

      Die Türken begannen, Spottlieder zu singen. Sie schrien dem König zu, er solle anlegen und von Bord kommen, wenn er ein Mann sei. Ein Hauptmann lief an den christlichen Edelmännern vorbei. Bei jedem blieb er stehen, brüllte dessen Namen und dann eine Lösegeldsumme. Er pries die Prinzen, Grafen und Herzöge wie Sklaven auf einem Markt an. Johlendes Gelächter und Applaus der türkischen Soldaten begleiteten das Schauspiel. Selbst als die Schiffe nur noch kleine Punkte am Horizont waren, klatschten und sangen die Türken.

      Während Johannes Schiltberger in Gallipoli im Turm saß, zog Bayezid mit seinen Truppen nach Ungarn, überquerte die Save und verwüstete einige Herzogtümer, ließ Städte niederbrennen und nahm über sechzehntausend Gefangene, Männer, Frauen und Kinder, die er mit Sack und Pack nach Griechenland umsiedeln ließ. Per Boten ließ er seinen Statthalter in Gallipoli wissen, dass die Gefangenen auf dem Seeweg in die Reichshauptstadt Bursa zu bringen seien.

      So fuhr Hans Schiltberger das erste Mal mit einem Schiff übers Meer, besser gesagt, klammerte er sich die ganze Fahrt über verzweifelt mit seinen Innereien ringend und den heiligen Johannes um Gnade anflehend unter Deck an einem Tau fest. Um seinen Hals baumelte ein neuer Glücksbringer: Cem hatte ihm zum Abschied unauffällig ein kleines Stoffsäckchen an einer langen Schnur in die Hand gedrückt, darin befand sich die Pfeilspitze aus der Schulter.

      In Bursa brachte man die Edelleute in den Palast des Sultans und befahl ihnen, Briefe an ihre Familien zu schreiben und die jeweiligen Lösegeldsummen zu fordern. Jacques de Helly wurde ausgewählt, die Schreiben nach Paris an den französischen Königshof zu bringen. Schon von Konstantinopel aus hatte König Sigismund auf diplomatischem Weg versucht, die Gefangenen auszulösen. Boten waren hin und her geeilt. Doch Bayezid hatte alle Angebote als viel zu niedrig abgelehnt. An Weihnachten brach Helly auf. Hans und die einfachen Gefangenen, die man in Kasernen untergebracht hatte, bekamen davon nur über Gerüchte etwas mit. Es kümmerte sie auch kaum, denn sie würde niemand freikaufen. Tatsächlich war es so, wie sich viel später herumsprach, dass alle Lösegeldforderungen erfüllt wurden und die hohen Herren in ihre Schlösser und Burgen zurückkehren konnten. Mal abgesehen vom Grafen d’Eu, den man neun Tage vor seiner Freilassung im Gefängnis vergiftete, und Zar Iwan Sratsimir von Bulgarien, den Bayezid erdrosseln ließ, um dessen Sohn Constantin zum Marionetten-Zar zu ernennen.

      Sigismund aus dem Hause Luxemburg, geboren in Nürnberg, König von Ungarn und Kroatien, brachte die Niederlage bei Nikopolis übrigens keinerlei Nachteile, im Gegenteil. 1411 wählten ihn die Kurfürsten zum neuen römischdeutschen König, und 1433 setzte ihm der Papst in Rom gar die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen auf.

      4 Janitscharen

      Hans und Yorick hatten es sich angewöhnt, Max immer in ihre Mitte zu nehmen. Der Sendlinger schwieg weiterhin, reagierte auf nichts und zeigte keinerlei Gefühlsregung, machte aber alles, was man ihm sagte. Hans’ aufgeplatzte Wunde am linken Bein heilte diesmal langsamer. Sie eiterte und schmerzte. Zwar gab es auch in Bursa eine gute medizinische Betreuung der Gefangenen, doch der zuständige Pfleger, der eine herzhafte Gleichgültigkeit seinen Patienten gegenüber an den Tag legte, zuckte mit den Schultern und verwies auf die allgemeine Erkenntnis, dass die Zeit alle Wunden heilen würde.

      Noch einmal kehrte größere Unruhe unter den jungen Gefangenen ein, als sie sich zu einem Appell in den großen Hof sammeln mussten. Der Sultan persönlich erschien mit großem Gefolge. Darunter erkannte Hans auch den massigen Edelmann, den Prackl, der sie in Gallipoli gemustert hatte. Bayezid schritt durch die Reihen. Gelegentlich neigte er den Kopf seinen Beratern zu, die ihm etwas zuflüsterten. Er deutete auf diesen und jenen und ließ neue Gruppen zusammenstellen. Mittlerweile konnten alle gut genug Türkisch, um den General zu verstehen, der sie nun Folgendes wissen ließ: Der große Bayezid, den man den Blitz nannte, Herrscher des Morgenlandes und bald auch des Abendlandes, habe soeben höchstpersönlich Geschenke für treue Vasallen und befreundete Herrscher ausgesucht. Eine Ehre, der sich alle bewusst sein sollten! Diese Gruppe dort wäre für den König von Babylonien bestimmt, jene für den Schah von Persien, diese für den Fürst von Großarmenien, jene für den Khan der Weißen Horde. So ging es weiter.

      Zu ihrem Entsetzen wurde Johannes Schiltberger einer anderen Gruppe zugeteilt als Yorick van Nazareth und Max der Sendlinger. Seine Gruppe, vernahm Hans, sollte fortan dem Sultan von Ägypten gehören. Abmarsch! Man würde sie nun einkleiden, und sie sollten sich sofort reisefertig machen. Hin und her gerissen zwischen Verzweiflung, dass er von seinen Freunden getrennt werden sollte, und der Freude, dass er nun doch was von der Welt sehen würde – Ägypten! –, merkte Hans, dass die Waagschale in seinem Innersten zugunsten seiner Freunde ausschlug.

      Als seine Gruppe zurück in die Unterkunft trabte, packte ein Hauptmann Hans am Arm. »Bist du verletzt?« Er deutet auf das linke Bein.

      »Ja, Herr«, antwortete Hans mit gesenktem Blick.

      »Dann ist das nicht die richtige Gruppe für dich. Geh dort hinüber. Du bleibst hier.« Der Hauptmann deutete auf die Gruppe, zu der Yorick und Max gehörten. Sein Herz machte einen Freudenhüpfer, er unterdrückte den Impuls, vor dem Hauptmann auf den Boden zu fallen und ihm dankbar die Hände zu küssen. Stattdessen nickte er »Ja, Herr« und versuchte, so beherrschten Schrittes wie möglich zu seinen Freunden zu gehen. Dass er auch Don Juan und einige Spanier in dieser Gruppe entdeckte, tat seinem Glück keinen Abbruch.

      Fußsoldaten des Sultans sollten sie werden, denn Hans und seine Gruppe blieben am Hofe Bayezids. Janitscharen nannten die Türken das. Eine recht neue Einrichtung, aus der Not gewachsen, für das stetig wachsende Reich immer neue Soldaten rekrutieren zu müssen. Warum nicht die kräftigen, jungen Männer nutzen, die man gefangen nahm? Dass sie der falschen Religion angehörten, störte Bayezid noch nicht wirklich. Erst seine Nachfolger ließen die Christen ausnahmslos zwangsislamisieren. Dennoch gehörten zur Ausbildung die Lehren des berühmten Mystikers Hadschi Bektasch, der die allererste Truppe von Janitscharen persönlich gesegnet haben soll. Hans, zunächst höchst skeptisch, ob die Philosophie der Ungläubigen seinen geistigen Horizont entscheidend erweitern würde, sah sich bald eines Besseren belehrt. Was hätte er dafür gegeben, Papier und einen Stift zu haben. Er war sich zwar sicher, dass er sich in nicht allzu ferner Zukunft wieder beides leisten können würde, aber noch konnte er die wichtigsten Gedanken Hadschi Bektaschs nicht notieren, also lernte er sie auswendig:

       Das Universum ist die sichtbare Gestalt Gottes

       Rituelle Gebete machen keinen Menschen besser

       Die Taten zählen, nicht die Worte

       Betet nicht mit den Knien, sondern mit dem Herzen

       Das wichtigste Buch zum Lesen ist der Mensch

       Glücklich ist, wer die Gedankenfinsternis erhellt (das gefiel Hans am besten)

       Ermögliche

Скачать книгу