Wohltöter. Hansjörg Anderegg
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Читать онлайн книгу Wohltöter - Hansjörg Anderegg страница 15
»Und unserer …«, brummte der DCI mürrisch, aber laut genug, dass sie es verstand.
»Du wirst es überleben, Adam. Ich habe also in meiner Freizeit nochmals Gewebeproben von der Schweineniere genommen und Chemie und Struktur des Zytoplasmas und der Nuklei analysiert.«
Der DCI schüttelte ungeduldig den Kopf. »Kannst du vielleicht so reden, dass auch ich verstehe, warum wir am Samstagabend hier sind?«
Sie bedachte ihn mit einem eisigen Blick, der jeden zum Schweigen gebracht hätte, dann sprach sie weiter, ohne seinen Einwand zu beachten: »Gefunden habe ich das hier. Ich kann Ihnen sagen: So etwas habe ich noch nie gesehen, und Sie mit Sicherheit auch nicht.«
Da mochte sie recht haben, dachte Chris. Das Bild auf dem Monitor bestand in ihren Augen aus ein paar rot und blau gefärbten Klecksen. Es glich der Fensterscheibe in ihrer Küche, als sie eingezogen war, nur die Farben stimmten nicht. Um nicht ganz dumm dazustehen, wagte sie die Vermutung: »Verschiedene Zelltypen?«
Die Ärztin strahlte. »Jeder intelligente Mensch würde das vermuten, nicht wahr?«, platzte sie heraus. »Das ist ja das Verrückte, warum ich Sie hergebeten habe. Die unterschiedlich gefärbten Zonen bestehen alle aus ein und demselben Zelltyp. Alle stammen aus dem Nephron. Das ist das Gewebe, das die eigentliche Nierenfunktion ausübt.«
Sie stand mit verschränkten Armen vor dem Bildschirm und wartete auf Kommentare. Die Männer schwiegen, also versuchte Chris es nochmals:
»Das heißt …«
»Genau«, freute sich Dr. Barclay. »Das sind zwar alles Nephronzellen, aber sie stammen nicht alle von unserm Schwein. So ist das, meine Lieben. Die blauen Zellen sind normales Nierengewebe des Tiers. Die Roten, die sich da so friedlich zu den blauen gesellt haben, das ist menschliches Nephron, und zwar von unserm jungen Mann dort drüben im Kühlschrank.«
Chris schaute sie mit großen Augen an. »Aber …«
»Genau das sagte ich auch, als ich es entdeckte. So etwas gibt es gar nicht, dachte ich.«
»Sieht aus, als hättest du dich geirrt«, spottete der DCI. »Was lernen wir nun daraus?«
»Mein lieber Chief Inspector, das ist das Wesen der Wissenschaft. Je mehr wir wissen, desto mehr Rätsel entdecken wir. Das ist aber noch nicht alles.«
Sie schob eine andere Probe auf den Objektträger, justierte das Bild, dann trat sie einen Schritt zurück und wartete auf die Reaktion ihrer ahnungslosen Zuschauer.
»Links sehen Sie menschliche Zellen aus verschiedenen Gewebeproben des Toten. Oben zum Beispiel Hautzellen. Rechts daneben habe ich Nephronzellen präpariert. Menschliche Zellen aus dem Nierengewebe, die Sie vorher als rote Flecke gesehen haben. Was man in diesem Bild sehr schön sieht, ist das Alter der Zellen. Je dunkler die Färbung, desto länger die Telomere.«
Der DCI verdrehte die Augen. Er öffnete den Mund zu einer zweifellos spitzen Bemerkung, doch Ron kam ihm zuvor: »Telomere, das sind doch die Dinger, die bei jeder Zellteilung kürzer werden?«
Dr. Barclay schenkte ihm ein gnädiges Lächeln. »Genau so ist es, junger Mann. Siehst du, Adam, nicht allen Leuten fehlt es an Allgemeinbildung. Telomere sind repetitive Proteingruppen am Ende der Chromosomen. Sie schützen das Erbgut. Bei jeder Zellteilung werden sie kürzer, und irgendwann kann sich die Zelle nicht mehr weiter teilen. Sie stirbt, und schließlich stirbt auch der Organismus.«
»Das haben wir nun alles kapiert, Frau Professor, aber was hat es mit unserm Fall zu tun?«
»Hättest du verstanden, was ich gesagt habe, wüsstest du es«, antwortete sie mit einem spöttischen Grinsen. Sie wandte sich wieder dem Monitor zu. »Wie man feststellt, sind die Gewebeproben links alle ungefähr gleich alt. Sie haben in etwa gleich viele Zellteilungen hinter sich. Das Nephron rechts aber ist viel jünger. Die Zellen entsprechen denen eines Kindes. Sie stammen vom Opfer, sind aber viel jünger.«
»Sie können nicht in seinem Körper gewachsen sein«, murmelte Chris mehr zu sich selbst.
»Jetzt ist es raus«, freute sich die Pathologin. »Es sind verjüngte Zellen des Toten, wie sie nur in einem hochspezialisierten Labor hergestellt werden konnten. Der Rest ist Spekulation. Ich vermute, dieses eingeschleuste Nephron sollte eine Art immunologische Schutzschicht bilden, eine biologische Tarnkappe, um akute Abwehrreaktionen zu vermeiden. Das könnte zumindest das fehlende ›Prograf‹ erklären.
»Vollkommen irre«, brummte der DCI.
»Danke.«
Rutherford schnaubte. »Ich meinte nicht dich. Es ist irre, was die mit diesem Jungen angestellt haben.«
»Labors, die so etwas zustande bringen, gibt es wahrscheinlich nicht viele in Großbritannien?«, fragte Chris.
Dr. Barclay schüttelte den Kopf. »Nicht viele in Europa, würde ich sagen. Ich kenne kein Einziges, um ehrlich zu sein. Diese Frage kann nur ein Spezialist beantworten.«
»Und, gibt es einen Namen?«, drängte der DCI ungeduldig.
»Mir fällt nur einer ein. Er ist eine international bekannte Kapazität in der Transplantationsmedizin und Immunologie. Professor Nathaniel Pickering in Cambridge. Ich werde ihn gleich Montag früh anrufen.«
Rutherford schüttelte den Kopf. »Das lässt du schön bleiben. Wir werden dem Professor einen Besuch abstatten. Ich muss sehen, wie er auf unsere Fragen reagiert.«
Als Ron sie vor ihrem Haus absetzte, schoss Chris der Gedanke an das vernachlässigte ›BILLY‹-Regal und den neuen Schraubenzieher durch den Kopf. Sie verwarf ihn schnell wieder. Mochte Ron noch so geschickte Hände haben, ihr Bedarf an Sozialleben war gedeckt für diesen Samstag. Für den Rest des Wochenendes, um genau zu sein.
Anne McLaren Laboratory, Cambridge
Das Navigationssystem des Dienstwagens lotste sie auf den Parkplatz bei der Einfahrt in die Forvie Site. Chris schaltete den Motor ab. DCI Rutherford auf dem Beifahrersitz machte keine Anstalten, auszusteigen.
»Sir, wir sind da«, sagte sie lächelnd. »Jedenfalls behauptet das unser GPS.«
Er stieg aus, schaute sich vergeblich nach einem Wegweiser um und brummte ärgerlich: »Können die ihre Häuser nicht vernünftig anschreiben?«
Sie fragte den Gärtner, der in der Nähe wuchernden Klee ausstach. Das West Forvie Building befand sich am südlichen Ende des Gebäudekomplexes, der sich ›Biomedizinischer Campus der Universität Cambridge‹ nannte. Das Haus beherbergte das ›Anne McLaren Laboratory for Regenerative Medicine‹, das medizinische Forschungszentrum, über das Professor Nathaniel Pickering mit eiserner Hand herrschte wie Heinrich der Achte über seine Untertanen, wenn sie Mad Barclay glauben wollten.
Der DCI zückte den Ausweis und meldete sie beim Empfangsschalter an: »Detective Chief Inspector Rutherford und Detective Sergeant Hegel von Scotland Yard. Wir müssen Professor Pickering sprechen.«
Die Angestellte hinter dem Pult starrte mit aufgerissenen Augen auf den Ausweis, dann drückte sie nervös eine Taste ihrer Telefonanlage. »Hier