Nick Francis 4. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Nick Francis 4 - Группа авторов страница 6

Nick Francis 4 - Группа авторов

Скачать книгу

Winterstiefeln. Dieser modische Look, der mir in die Augen sprang, kam mir total bekannt vor. Ich hatte ihn schon einmal gesehen. Und nicht nur das − ich hatte ihn auch selbst mit stolzgeschwellter Brust und aus tiefster Überzeugung getragen.

      Doch nicht zu diesem Zeitpunkt, denn ich selber trug eine schlichte Winterjacke, Schal, Mütze und Handschuhe – Mann, war mir warm.

      Als ich nach einigen Minuten alles um mich herum inspiziert hatte, tauchte die Neonbeleuchtung einer U-Bahn-Station auf. Erst jetzt bemerkte ich den Reisekoffer zwischen meinen Füßen. Die Lautsprecher knisterten erneut und die Blechstimme verkündete: »Gänsemarkt!«

      Wir wurden langsamer, dann kam der Waggon mit einem Ruck zum Stehen. Die Reisenden, die sich bereits erhoben hatten, bemühten sich, das Gleichgewicht zu halten. Die U-Bahn stand und ich saß. Sollte ich aussteigen? Weiterfahren? Ich musste mich schnell entscheiden. Die Leute öffneten die Türen und verließen in Windeseile das Abteil, genauso schnell stiegen neue Fahrgäste ein. Als sich die Türen schon wieder zu schließen begannen, sprang ich mit einem Satz auf, griff instinktiv nach dem Gepäckstück zwischen meinen Beinen und hechtete hinaus.

      Da stand ich nun auf dem Bahnsteig, die U-Bahn hinter meinem Rücken setzte sich in Bewegung. Na, wenn das hier man richtig ist. Ich entschied, der Menge zu folgen, die vermutlich zum Ausgang strömte. Nach wenigen Metern teilte sich der Menschenstrom; es gab also mehr als einen Ausgang. Ich ließ mich von der Menge, die Richtung Dammtorstraße und Staatsoper strömte, mitnehmen. Wir durchschritten einen Gang, dessen weiß gekachelte Wände Graffiti und andere Schmierereien schmückten. Einige Kunstwerke waren mit Veranstaltungsplakaten übertapeziert. Ich blieb stehen und betrachtete die Plakate genauer. Sie verkündeten, dass David Bowie am 26.06.1982 im Hamburger Volksparkstadion auftreten würde. Ich bin also wirklich in Hamburg, und zwar nicht wie bisher üblich in einer weit zurückliegenden Zeit, sondern im Jahr 1982! Ich starrte auf den Aushang und bekam kaum mit, wie die Menschenmassen an mir vorbeihasteten und mich dabei rücksichtslos anrempelten. Schließlich ließ ich mich erneut im Strom der Menge mitreißen. Es ging eine Treppe hinauf.

      Also 1982 − der modische Trend meiner Mit-U-Bahnfahrer hatte mich ja schon vorgewarnt. Also, Leute! Habt ihr Bock auf die Achtziger? Dann folgt mit mir dem Sog der Menge. Macht euch, meine lieben Zuhörer, einmal mehr bereit, mich auf meiner abenteuerlichen Reise zu begleiten. Macht es euch gemütlich, stellt das Telefon auf lautlos und das Handy aus, legt die Beine hoch, schaltet ein behagliches Licht an und seid gespannt auf das, was auf uns lauern wird, wenn wir gemeinsam hinab in den Keller steigen, wo das Grauen sicher schon auf uns wartet.

      ***

      Je höher wir die Treppe hinaufstiegen, desto schärfer wehte mir ein eisiger Wind ins Gesicht. Klasse, dass ich Mütze, Schal und Handschuhe bekommen habe! Danke, großer Unbekannter. Als ich die obersten Stufen erreichte, ertönten die verschiedensten Autohupen und allmählich wurde der Menschenstrom, der sich aus der U-Bahn-Station nach oben in den grauschummrigen Morgen hinaufarbeitete, langsamer. Grün-weiße Polizeiautos parkten mit Blaulicht zwischen den Schneebergen. Ein Martinshorn heulte auf, und der dazugehörige Krankenwagen mit hektischem Blaulicht tauchte hinter einem Häuserblock auf.

      Abrupt blieben die Leute vor mir stehen. Unten waren alle noch so in Eile gewesen, als sei der Leibhaftige hinter ihnen her, und hier oben … Stillstand. Nun schienen sie alle Zeit der Welt zu haben. Die Menschentraube wurde immer größer. Wir reckten die Hälse und versuchten, über die Leute vor uns hinwegzuspähen.

      Da ich trotz meiner wackeligen Versuche, auf Zehenspitzen zu stehen, nichts erkennen konnte, beschloss ich, etwas zu tun, was so gar nicht meine Art ist. Ich drängelte mich durch die Menge nach vorne. Dabei musste ich mir etliche Pöbeleien und Ellenbogen-Stöße in die Seite gefallen lassen. Ein Schaulustiger entriss mir sogar meinen Koffer und schnauzte mich an:

      »He du, was fällt dir ein, glaubst du, ich will nicht auch mehr sehen? Stell dich gefälligst hinten an!«

      Doch ihr kennt mich jetzt schon ein wenig länger und könnt euch denken, dass ich mich von solchen Lappalien nicht aufhalten lasse. Ich zog an meinem Koffer und erwiderte:

      »Lassen Sie gefälligst los, ich bin Arzt.« Der Typ ließ tatsächlich von mir und dem Koffer ab, und ich drängelte mich dichter an das Geschehen heran. Am U-Bahn-Eingang waren Polizisten damit beschäftigt, die Neugierigen davon abzuhalten, die Absperrung durch die Drängelei zu durchbrechen. Gerade als ich mir einen Platz in der ersten Reihe erobert hatte, meinte ein Polizist:

      »Seien Sie doch vernünftig, treten Sie zurück … Herrschaften … Bitte! … Hier gibt es nichts zu sehen!«

      Also benahm ich mich wie jeder vernünftige Mensch in so einer Situation. Ich schenkte dem Polizisten keine Beachtung und reckte meinen Hals umso höher. Meine weit aufgerissenen Augen erspähten einen regungslosen nackten Oberkörper, der aus einem Schneeberg herausragte. Er schien mit einer rot glänzenden Schicht überzogen. Gefrorenes Blut? Roter Schnee umzeichnete den Oberkörper zusätzlich. Polizisten schaufelten den toten Mann aus dem Schnee heraus. Von hinten drängelten sich zwei Männer an mir vorbei und setzten gerade an, mit ihren gezogenen Fotoapparaten über die Absperrung zu klettern, als der Polizist sie anblaffte:

      »Sind Sie denn ganz und gar verrückt?! Auch Sie bleiben gefälligst zurück – und keine Fotos!«, befahl er und drückte die Kameras runter.

      Die Männer, die ich durch ihre an den Mänteln befestigten Presseausweise als Journalisten identifizierte, protestierten lautstark, wobei der eine, ein dauergewellter blonder Schönling mit Schnauzbart, besonders heftig debattierte. Leider konnte ich bei dem Getümmel um mich herum nicht verstehen, was er sagte. Ich hörte dafür noch den Beamten so etwas antworten wie: »Warten Sie auf die Pressekonferenz, da werden Sie alles erfahren«, bevor sich zwei hoch interessierte ältere Frauen zwischen uns quetschten. Gibt es hier was umsonst?

      »Es soll ein junger Mann sein, der hier unter dem Schnee gefunden wurde«, begann die eine zu tuscheln.

      »Ja, völlig zerfleischt soll er gewesen sein«, tuschelte die andere zurück. »Und nackt!«

      »Oh! Wie schrecklich.« Sie hielt sich die Hand vor dem Mund.

      »Das ist jetzt schon der Dritte, und alle noch so jung.«

      »Und so etwas hier bei uns. Wie furchtbar. Man traut sich ja nachts kaum noch auf die Straße.«

      Dann ließen sich die Frauen über die Arbeit der Polizei aus. Die hätte das verhindern müssen, doch stattdessen wäre sie nur damit beschäftigt, Falschparker abzuschleppen und so weiter.

      In diesen ganzen Bruchstücken, die ich inzwischen erhascht hatte, steckten ein paar interessante Informationen. Ich wusste jetzt, dass der junge Mann nicht das erste Opfer war. Die Leichen waren mit Blut bedeckt und der Täter hatte bisher nur nachts zugeschlagen. Nachts, viel Blut? Habe ich es wieder mit einem Vampir zu tun? Nee, ein Vampir kann es nicht sein, der würde doch niemals so viel Blut übrig lassen. Es sei denn, er wäre auf Diät. Nick, du spinnst mal wieder.

      Dann fiel mir ein großer, schlanker Mann mit grauem Wintermantel und einem schwarzen Hut auf, der in der Nähe der Leiche stand. Er diskutierte mit zwei Männern, vielleicht Kollegen, die wie er in Zivil unterwegs waren. Irgendwie erinnerte er mich an jemanden. Das Aussehen, die Körperhaltung, das wilde Gestikulieren. Mit einer ausgesuchten Höflichkeit fragte ich den Polizisten, der hinter der Absperrung stand und immer noch versuchte, uns von einem weiteren Vordringen abzuhalten:

      »Entschuldigen Sie, wer ist der große Mann da hinten − der mit dem grauen Mantel?«

      Ich konnte es gar nicht recht glauben,

Скачать книгу