666 Der Tod des Hexers. Micha Krämer
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„Was denkst du?“, wollte Nina von Heike wissen, die, seit sie das Haus von Frau Gladenberg verlassen hatten, stumm auf dem Beifahrersitz hockte und aus dem Fenster starrte. Es war mehr als eindeutig, dass dieser Fall der Kollegin ziemlich heftig zusetzte. Natürlich ging der Tod des jungen Mannes auch an Nina nicht einfach so vorbei. Kein normaler Mensch konnte seine Gefühle in solch einem Fall einfach vollkommen ausblenden.
Heike drehte den Kopf und hob die Schultern.
„Du … das kann ich dir alles gar nicht in Worte fassen, was mir gerade durch den Kopf geht“, erwiderte sie und schüttelte ihr Haupt, als wolle sie damit auch die Gedanken abschütteln. Die Kollegin wirkte blasser als noch am Morgen.
„Heike, ich weiß, das klingt jetzt abgedroschen … aber lass das bitte nicht so nah an dich ran“, sagte Nina und lenkte den Porsche dann spontan auf eine geschotterte Haltebucht rechts der Straße. Heike blickte nach vorne durch die Scheibe und nickte.
„Ja, ich weiß. Es ist nur … da denkst du, sie sind erwachsen und aus dem Gröbsten raus …“, Heike stockte und schluckte.
„Nein, ich denke, das sind sie für eine Mutter nie“, gestand Nina. Sie war davon überzeugt, dass die Gedanken der Kollegin und die ihren gar nicht so weit voneinander lagen. Frau Gladenberg tat auch ihr so unendlich leid. Und die Tatsache, dass sie die Mutter des Jungen auch noch quasi hatten anlügen müssen, machte es nicht besser. Ninas Bauchgefühl sagte ihr, dass es sich bei dem verkohlten Leichnam eindeutig um die Überreste von Fabrice handelte. Die Körpergröße, das Video, der Rucksack. Alles sprach dafür. Der Junge würde nicht wieder nach Hause kommen. Das Einzige, was sie als Polizisten für die Mutter tun konnten, war, ihr schnellstens Gewissheit zu geben und die Umstände lückenlos aufzuklären.
„Meine Florentina wird im November schon zwölf“, überlegte Heike. Nina hatte bereits befürchtet, dass Heike Parallelen zu ihren eigenen Kindern knüpfte. Die Ängste der Kollegin, nach einem Vorfall vor einigen Jahren, bei dem sie selbst und ihre Tochter Florentina beinahe ums Leben gekommen wären, waren so heftig, dass Heike sogar lange Zeit in ärztlicher Behandlung gewesen war. Eine Zeit lang hatte Nina sogar geglaubt, dass Heike nie wieder zurück in den Polizeidienst kommen könnte.
„Was sagt dir die Zahl 666“, versuchte Nina daher jetzt einfach mal das Thema zu wechseln.
Heike blies die Luft aus und nickte.
„Ähm, soweit ich weiß, hat es irgendetwas mit der Bibel zu tun“, wusste die Freundin.
„Und was sagt dir die Band Iron Maiden?“, wollte Nina als Nächstes wissen.
„Schon mal davon gehört. Ich weiß, dass das eine Rockband ist, könnte dir aber nicht den Titel eines einzigen Liedes von denen sagen. Warum fragst du? Ist es wegen der Schallplatte eben? Das war doch diese Band, oder?“, wollte Heike wissen.
„Ich zeig dir mal was“, erklärte Nina, gab den Namen „Iron Maiden“ und die „666“ bei Google ein. Es dauerte nur einen Wimpernschlag, bis das Gerät ihr das, was sie gesucht hatte, anzeigte. Sie tippte auf einen Link zur Videoplattform YouTube und reichte Heike dann das Smartphone. Auf dem kleinen Monitor erschien eine düstere Friedhofszene. Dazu eine Stimme in englischer Sprache. Heike sah und hörte aufmerksam zu und nickte dann.
„Die Zahl der Bestie … 666. Du glaubst, der Mord könne in Zusammenhang mit der Musik stehen, die das mutmaßliche Opfer gehört hat?“, verstand Heike, was Nina meinte.
„Keine Ahnung. Das war halt eben mein erster Gedanke, als ich in dem Filmchen von Fabrice die 666 auf seiner Stirn gesehen habe“, erwiderte Nina und steckte ihr Smartphone wieder ein.
„Ich weiß nicht …“, erwiderte Heike und schüttelte den Kopf.
„Die Texte, die Fabrice für seine Band geschrieben hat, handelten fast ausschließlich von Tod, Teufel, Hexen und Dämonen“, erklärte Nina.
„Du meinst, er war ein Satanist, oder so etwas?“, fragte Heike.
„Keine Ahnung, ob er tatsächlich an den ganzen Stuss glaubte, den er zu Papier gebracht und ins Mikro gebrüllt hat. Kann natürlich auch alles nur Show gewesen sein. Die wenigsten dieser Metalheinis glauben an den Kram, den sie in ihren Texten besingen. Von Sarika weiß ich ziemlich sicher, dass sie überhaupt nicht gläubig ist. Die spielt in dieser Band mit, weil sie einfach gerne Musik macht. Mit Gott, Himmel und der Hölle hat die nichts am Hut“, erklärte Nina.
Heike überlegte einen Moment und schüttelte dann den Kopf.
„Ich denke, wir sollten erst einmal mehr Fakten sammeln, bevor wir in irgendeine Richtung rennen. Vielleicht ist das Ganze auch nur eine billige Inszenierung, um uns auf eine falsche Fährte zu locken“, gab sie zu bedenken. Ein Gedanke, der Nina auch schon gekommen war.
„Du hast recht“, gab Nina entschlossen zu, legte den Gang ein und gab Gas. Vielleicht gab es ja am Tatort bereits neue Erkenntnisse.
Es nervte Alexandra Kübler jedes Mal gewaltig, wenn Thomas am Wochenende zur Arbeit musste. Wie gerne wäre sie heute Morgen noch mit ihm zusammen im Bett geblieben und hätte, während die Kinder vor der Glotze abhingen, noch das getan, was man als verliebtes Paar an einem solchen Sonntagmorgen halt tat. Aber was nicht war, das war nun mal nicht. Sie war daher gemeinsam mit ihm aufgestanden und hatte, während er zur Arbeit fuhr, Kaffee gekocht, die Hunde versorgt und den acht Hühnern in dem Gehege hinter dem Haus die Eier geklaut. Anschließend hatte sie noch ein paar Tomaten aus dem Gewächshaus besorgt und sich um ihre anderen Pflanzen gekümmert. Die, von denen ihr Polizistenmann offiziell nichts wissen durfte. Dass sie, Alexandra Kübler, mal zur Gärtnerin und Hühnerhalterin werden würde, hätte ihr vor einigen Jahren auch niemand erzählen dürfen, ohne dass sie in schallendes Gelächter ausgebrochen wäre. Die Metamorphose vom Großstadtpunk zur Ökotussi machte ihr gelegentlich selber schon einmal Angst. Doch Alex liebte ihr Leben, so wie es war. Nur weil sie nun glücklich verheiratet mit einem Beamten war und mit zwei Kindern und zwei Hunden in einem schicken Eigenheim wohnte, hieß das ja noch lange nicht, dass der Punk tief in ihrem Herzen nicht mehr existierte. Punk hatte nichts mit grünen Haaren und all dem Äußerlichen zu tun. Punk war man im Herzen und im Kopf.
Nachdem Thomas ihr vorhin über die Nachrichtenapp mitgeteilt hatte, dass er nicht zum Frühstück käme und es heute vermutlich, obwohl es Sonntag war, länger dauern könnte, hatte sie mit Leah und Linus alleine gefrühstückt.
Die Idee, im Anschluss gemeinsam Kekse zu backen, hatte Leah gehabt. Und so kam es, dass sie nun mit den beiden in der Küche stand und den Teig zubereitete. Schokokekse für die Kinder und Thomas und Schoko- Hanf-Kekse, nach einem selbst ausgedachten Rezept, für sie selbst.
Wenn der Herr Polizist im Hause schon mal nicht da war, konnte sie die Zeit auch direkt sinnvoll nutzen und Dinge tun, die er nicht mitbekommen wollte. Zwar wusste Thomas, dass sie gelegentlich wegen ihrer ADHS Cannabis konsumierte, den sie selbst im Gewächshaus zwischen den Paprika und Tomaten zog, doch es war auch ein Thema, über das sie nicht sprachen. Im Übrigen das einzige. Ansonsten würde sie ihre Ehe als sehr harmonisch bezeichnen. Im Gegensatz zu vielen anderen Paaren sprachen sie miteinander und erzählten sich alles. Außer über die Hanfpflanzen im Gewächshaus. Die waren zwar da, doch Thomas übersah die Dinger einfach und erwähnte sie mit keinem Wort.
Alexandra würde sich nicht als drogensüchtig bezeichnen. Nein, davon war sie weit entfernt. Dennoch brauchte sie gelegentlich einen Joint, um sich zu erden, wenn die Pferde einmal wieder mit ihr durchgingen. Schon