Die Tote von der Maiwoche. Alida Leimbach

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Die Tote von der Maiwoche - Alida Leimbach

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du das. Adrenalin und Endorphin helfen dir dabei und weiß der Geier was noch. Da funktionierst du, und das Publikum dankt dir dafür. Die haben alle ihre Problemchen und Anspruch auf ein bisschen Spaß und Ablenkung. Die wollen einfach mal den ganzen Scheiß in der Welt vergessen. So sind wir doch im Grunde alle gestrickt, oder? Einfach weitermachen, immer weiter kämpfen, Tag für Tag, und das Beste draus machen.« Er suchte Birthes Blick. »Es ist ein Job, Frau Schöndorf. Für einige von uns sogar der einzige. Die Mieten sind arg gestiegen in Osnabrück, manchmal kommen 80 Bewerber und mehr auf einen Besichtigungstermin, da kann man nicht einfach sagen, nee, Leute, heute spielen wir nicht, heute sind wir schlecht drauf und wollen lieber im Bett bleiben.« Mit seinen breiten Händen unterstrich er seinen Redeschwall.

      Birthe wunderte sich, dass er schon wieder so gefasst war. »Am Sonntag kommen sicherlich noch einmal viele Leute, oder?«

      »Klar. Freitag, Samstag und Sonntag sind die bestbesuchten Tage der Maiwoche, da geht’s richtig ab. Jeder will da spielen. Wir sind froh, dass wir überhaupt dafür gebucht wurden. Es gibt weitaus unbeliebtere Daten. Kommen Sie doch mal vorbei, es lohnt sich!«

      »Das ist eine gute Idee. Vielleicht sollten mein Kollege und ich das wirklich tun!«

      »Machen Sie sich bemerkbar, damit ich Sie nicht übersehe!« Er zwinkerte ihr zu und schob seinen Hut zurück.

      Birthe ließ es für heute bewenden. Mit ein paar Dankesworten und dem deutlichen Gefühl, dass er etwas vor ihr verbarg, verabschiedete sie ihn.

      Kapitel 5

      Als Tobecke abgezogen war, wollte Daniel natürlich gleich wissen, wie das Gespräch mit ihm gelaufen war. Sie fasste es für ihn zusammen.

      Er runzelte die Stirn und sah sie intensiv an. »Traust du dir das überhaupt schon zu? Es ist der erste Mordfall, seit …«

      »Seit ich bei meinem letzten fast draufgegangen wäre, meinst du.« Mit einem verletzlichen Ausdruck im Gesicht erwiderte sie seinen Blick.

      Verlegen fuhr er sich mit der Handkante durch die kurzgeschorenen Seitenpartien. Seit Neuestem trug er einen gestutzten Vollbart. »Wenn du dich nicht in der Lage fühlst, den Fall zu bearbeiten, kann ich das verstehen. Dann übernehmen Carlo und ich. Carlo meint übrigens auch, es würde im Moment völlig reichen, wenn du im Büro bleibst und …«

      »… Schreibkram erledigst und Akten von links nach rechts schiebst, nicht wahr?« Sie lachte. »Oh nein, mein Lieber, das hättest du wohl gern. Dafür ist Zeit, wenn ich kurz vor der Rente stehe.«

      »Ich bin mir nicht sicher, ob du das Erlebnis genügend verarbeitest hast. Du wolltest keine Therapie, obwohl wir dir alle dazu geraten haben.«

      »In der Reha hatte ich so was in der Art. Gesprächskreise und auch Einzelsitzungen. ›Ich bin der Bruno und komme nicht darüber weg, dass mein Vater gestorben ist.‹ Nein. Brauche ich nicht. Immer um mich selbst kreisen ist nicht mein Ding. Ich konnte das nicht wirklich ernst nehmen und war offen gestanden froh, als ich nach Hause durfte. Ich bin eher der aktive Typ, das weißt du ja. Sport hilft mir am besten, wenn es mir nicht gutgeht. Einmal mit dem Fahrrad rund um den Rubbenbruchsee, und der Kopf ist wieder klar.«

      »Das musst du wissen. Wie gesagt, wir übernehmen gerne – ein Wort genügt.«

      »Das weiß ich, danke. Uns steht nun leider ein unangenehmer Gang bevor. Wir müssen Jessicas Eltern über ihren Tod informieren.«

      »Wir beide schaffen das schon.«

      Ihr wurde warm ums Herz. Seit Jahren arbeitete sie mit Daniel zusammen. Anfangs hatte sie ihn nicht gemocht. Sie hatte lange gebraucht, um ihn als Kollegen zu respektieren. Für ihren Geschmack war er zu eitel, zu sehr von sich überzeugt. Doch je länger sie ihn kannte, desto besser verstand sie ihn. Mittlerweile schätzte sie ihn genauso wie ihren älteren Kollegen Carlo Oltmann, einen väterlichen Typ. In manchen Momenten genoss sie das Zusammensein mit Daniel richtig. Auch als mittlerweile Enddreißiger wirkte er manchmal noch jungenhaft unbeholfen, er hatte eine positive Ausstrahlung, war aufgeschlossen, begeisterungsfähig, humorvoll und ein guter Gesprächspartner obendrein.

      »Dann komm«, sagte sie.

      *

      »Warum wolltest du dich mit mir ausgerechnet hier treffen?« Katharina Jütting war es manchmal leid, von Max wie eine bildungsferne Analphabetin behandelt zu werden, dabei hatte sie studiert, wenn sie die Uni auch ohne Abschluss verlassen hatte.

      Sie standen an der Ecke Lotter Straße/Heger-Tor-Wall vor einem Haus im römischen Baustil. »Kennst du das Akzisehaus?«, fragte er. »Warst du mal drin?«

      »Ja, aber ist lange her. Da gab es in den 70er-Jahren ein Spiegelkabinett. Fand ich total interessant. Ich war damals dünn wie eine Bohnenstange, und im Spiegel hatte ich dann richtig schöne Kurven. Heute hätte ich gerne einen Spiegel, der mich schlank macht.«

      Er lachte. »Bist du doch. Aber du weißt nicht, was das früher war? Noch früher, meine ich.«

      Sie zuckte mit den Schultern. Jetzt würde Max wieder anfangen zu dozieren und den Lehrersohn herauskehren, das kannte sie schon.

      »Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war es ein Zollhaus. Verbrauchsgüter wie Bier, Wein, Korn oder Mehl wurden mit Zöllen belegt, die der Stadt als wichtige Einnahmequelle dienten. Später wurde es Teil des kulturgeschichtlichen Museums, das war wohl zu der Zeit, als du im Spiegelkabinett warst, dann Museumsladen mit Kassenhaus für das benachbarte Museum. Inzwischen dient es als Werkstatt des Museums.«

      »Aha, wieder ein paar Synapsen mehr im Gehirn. Und was tun wir hier?«

      »Du hast neulich gesagt, dass du noch nie im Felix-Nussbaum-Haus warst, und da gehen wir jetzt hin.«

      »Weil du es nicht erträgst, dass ich Kulturbanausin es tatsächlich in den 20 Jahren seit der Eröffnung kein einziges Mal geschafft habe?«

      »Du hast halt andere Qualitäten.« Max Grewe legte den Arm um ihre Taille und zog sie leicht an sich.

      »Nicht in der Öffentlichkeit, Max. Lass uns reingehen.« Nervös blickte sie sich um. Es war niemand da, den sie kannte, aber man wusste nie. Sie spielten ein gefährliches Spiel, das jederzeit auffliegen konnte. Ein Spiel mit dem Feuer. Irgendwann würde es vorbei sein, doch bis dahin wollte sie die gemeinsame Zeit mit Max genießen.

      Seit über einem halben Jahr waren sie nun ein Paar – Max, der Psychologiestudent, der sich mit seinen bunttätowierten Armen von seinem gutbürgerlichem Elternhaus absetzen wollte, und sie, die nicht mehr ganz junge Arzthelferin, verheiratet und Mutter einer heranwachsenden Tochter. Sie sah immer noch gut aus, das wusste sie. Sie war relativ klein und es fiel nicht auf, dass ihre einst naturblonden Haare inzwischen dunkel gefärbt waren. Niemand hätte sie auf 53 geschätzt. Max hingegen wirkte mit seiner dunklen Hornbrille und dem rötlichen Vollbart mindestens zehn Jahre älter als er war. Sie hatte sich große Mühe gegeben, ihr Geheimnis für sich zu behalten, und war sich lange sicher gewesen, dass niemand aus der Band bemerkt hatte, was sie für Max empfand. Diese Sicherheit hatte sie nun nicht mehr, oder warum hatte Carsten sie durch eine Jüngere ersetzt? Er sagte, es sei nur ein Versuch mit Jessi, aber sie glaubte ihm nicht. Sie wusste, dass zwischen den beiden etwas lief. Auch sie hatte mal was mit Carsten gehabt, doch das war lange her. Inzwischen verachtete sie ihn, und sie hasste Jessi. Wenn Carsten nicht einen Schlussstrich gezogen hätte, dann hätte sie es getan.

      »Sagen dir die Werke von Felix Nussbaum eigentlich was?«, fragte Max,

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