Die Tote von der Maiwoche. Alida Leimbach
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Читать онлайн книгу Die Tote von der Maiwoche - Alida Leimbach страница 13
»Vielleicht ist er ja schon in Therapie.«
Max zuckte mit den Schultern. »Wenn du wirklich nichts weißt, dann tippe ich auf ihn. Vielleicht ist seine kranke Denke, du würdest zurückkommen, wenn er deine Konkurrentin erst einmal ausgeschaltet hat.«
»Müller ein Mörder? Niemals! Er ist krank, okay, aber ich habe ihn nie aggressiv erlebt. Außerdem kapiert er, wenn er zu weit gegangen ist. Das hat er bisher jedes Mal eingesehen und sich getrollt. Nein, mit deiner Vermutung liegst du völlig falsch!«
»Wir werden sehen«, sagte Max und rieb sich ein Auge. »Ich werde ihn nicht anzeigen, dazu fehlen mir die Beweise. Es ist nur eine Vermutung, mehr nicht.«
»Was soll ich machen? Warum nimmst du mich so in die Mangel? Bin ich in Gefahr?«
»Versteh mich nicht falsch. Wie gesagt, es könnte sein, dass dich die Polizei ins Visier nimmt. Dann brauchst du eine bessere Ausrede als gerade eben. Ich würde dir dringend raten, morgen zum Konzert zu kommen und mitzusingen. Du musst dich dem Publikum zeigen. Es darf nicht sein, dass nur der geringste Verdacht an dir haften bleibt.«
»Du siehst Gespenster, Max, echt. Und jetzt lass uns von hier abhauen, bevor ich eine Panikattacke bekomme.«
»Wie du meinst«, sagte er und folgte ihr seufzend über die schiefen Ebenen zurück zum Ausgang.
Kapitel 6
Mit dem Auto waren es keine fünf Minuten zum Richard-Strauss-Weg am Westerberg. Die Eltern von Jessica Wagner bewohnten ein stattliches Anwesen unmittelbar am gepflegten Grüngürtel der Stadt. In der ruhigen Sackgasse gab es Bungalows aus den 60er- und 70er-Jahren und wenige Neubauten.
Birthe Schöndorf hatte in Erfahrung gebracht, dass Christian Wagner selbstständiger Bauunternehmer mit einer mittelständischen Firma in Osnabrück war. In der breiten Einfahrt stand eine Mercedes S-Klasse. Eine schwere Eingangstür, vergitterte Fenster und eine gut sichtbare Alarmanlage sollten für ein Höchstmaß an Sicherheit sorgen.
Birthe war etwas flau. Nie war es leicht, Angehörige vom Tod eines Familienmitglieds zu unterrichten. Am schlimmsten war es, Eltern mitzuteilen, dass ihr Kind gestorben war, völlig unabhängig davon, wie alt das Kind war. Für Eltern war es unbegreiflich, wenn ihr Kind vor ihnen gehen musste, es bedeutete immer einen radikalen Einschnitt in ihrem Leben. In der Regel traten Polizisten diesen schweren Gang zu zweit an. Nach Möglichkeit zogen sie einen Notfallseelsorger hinzu. Birthe hatte bei der Einsatzzentrale nachgefragt, ob ein weiterer Seelsorger zur Verfügung stand, aber leider eine negative Antwort erhalten. Vorsichtshalber hatte sie einen Rettungswagen bestellt, der hinter ihnen herfuhr und sich im Wendehammer in Bereitschaft hielt.
Elke Wagner öffnete die Tür. Sie war Mitte bis Ende 50, sehr schlank und mit einer blau-weißen Hemdbluse und schmal geschnittener Jeans sportlich-elegant gekleidet. Nachdem Birthe und Daniel sich ausgewiesen hatten, schien sie sofort zu ahnen, was auf sie zukommen würde. Erschrocken rief sie nach ihrem Mann. Christian Wagner kam sofort. Auch er war auffallend gut gekleidet, trug keinen bequemen Freizeitlook. Überraschung und Erschrecken spiegelten sich auf seinem Gesicht.
»Dürfen wir bitte hereinkommen?«, fragte Birthe. Sie hasste, was ihr bevorstand, und würde es gerne schnell hinter sich bringen. Doch nun galt es, so behutsam wie möglich vorzugehen.
»Um was geht es?«, fragte Jessicas Vater heiser. Er wirkte deutlich älter als seine Frau.
»Sind Sie die Eltern von Jessica Wagner?«, fragte Birthe. Ihr war bewusst, dass ihre ernste Miene bereits alles sagte. Daniel stand dicht neben ihr, sie konnte ihn fast körperlich spüren.
Der Bauunternehmer nickte. Seine Frau stellte sich hinter ihn, fuhr sich nervös durch den hellgesträhnten Bob und hielt sich an ihm fest.
»Können wir irgendwo in Ruhe reden?«
Christian Wagner starrte sie an, steckte sein weißes Hemd in die Jeans und blieb wie angewurzelt stehen.
Es war seine Frau, die sich ein Herz fasste und die beiden Kommissare in einen großen, elegant eingerichteten Wohnraum bat. Cremeweiße Ledersofas, helle, schimmernde Tapeten, farblich passende Bilder in Goldrahmen an den Wänden, weißes Mobiliar und mehrere Beistelltische aus Edelstahl und Glas. Der Esstisch war mit friesischem Steingutgeschirr gedeckt. In der Mitte stand eine Glasvase mit zartrosa Rosen. Es roch nach Kaffee, Rührei mit Speck und geröstetem Toastbrot. Anscheinend hatten die beiden gerade noch gemütlich zusammengesessen und gefrühstückt. Bis die Katastrophe mitten in ihren Alltag hineingeplatzt war.
»Vielleicht setzen Sie sich lieber«, schlug Daniel mit rauer Stimme vor. Nervös fuhr er sich mit der Hand über die Stirn. Doch Elke und Christian Wagner rührten sich nicht von der Stelle.
»Ihre Tochter Jessica … Es wäre wirklich besser, wenn Sie sich setzen«, startete Birthe einen neuen Versuch.
»Nein!«, rief Elke Wagner aus und steuerte trotzdem mit unsicheren Bewegungen eine Couchgruppe im hinteren Teil des Raumes an. Daniel folgte ihr.
»Was ist passiert? Hatte sie einen Unfall?«, wagte sich Christian Wagner vor. Er war kreidebleich.
»Kommen Sie«, sagte Birthe und berührte ihn zaghaft am Oberarm. »Gehen wir zu Ihrer Frau.«
Sie verteilten sich auf die verschiedenen Sofas. Birthe bemühte sich, den Eheleuten fest in die Augen zu schauen, während sie den Satz sagte, der jedem, der ihn hörte, das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Tochter tot ist. Sie ist einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen.«
Daniel murmelte mit verkniffenem Mund sein Beileid und verschränkte angestrengt seine Hände, bis die Gelenke knackten.
»Nein, oder?«, entfuhr es Elke. »Das kann nicht wahr sein!« Sie schlug sich beide Hände vor den Mund.
»Wer war das?«, fragte ihr Mann mit versteinerter Miene. Sein Adamsapfel bewegte sich auffällig beim Schlucken.
»Wir wissen es noch nicht, aber wir tun unser Bestmögliches, um die Tat rasch aufzuklären.« Birthe bekam vor Aufregung rote Wangen.
Elke und Christian Wagner starrten sie an.
»Soll ich Ihnen ein Glas Wasser holen?« Birthe wusste, die Frage war unnötig angesichts des reich gedeckten Tisches, aber sie wollte irgendetwas tun.
»Das ist nicht wahr!«, wiederholte Frau Wagner tonlos. »Sagen Sie mir, dass das nicht wahr ist!«
»Wann?«, fragte ihr Mann.
»Es muss in der Nacht passiert sein«, sagte Birthe. »Zwischen Mitternacht und 1 Uhr nachts.«
»Wer? Wer hat das getan?«, fragte Christian Wagner erneut mit eisiger Stimme. »Wer hat meine Tochter umgebracht?«
Daniel räusperte sich. »Wir werden es herausfinden, Herr Wagner. Dafür sind wir da! Es wird bereits eine Soko gebildet, die sich ausschließlich damit befasst, rund um die Uhr.«
»Was wissen Sie? Was haben Sie bereits herausgefunden? Sie müssen doch schon erste Spuren gesichert haben!« Er klopfte auf seine goldene